Ganz Deutschland diskutierte am Montag die neue Führungsspitze der SPD. Nur nicht Frank Plasberg. Bei ihm geht es einmal mehr um den Klimawandel und wie wir ihn bekämpfen.
Frank Plasberg durchbrach bei "Hart aber fair" am Montagabend das SPD-Einerlei und unterhielt sich mit seinen Gästen lieber über den Klimawandel und dessen Bekämpfung.
Ein bisschen Aufregung gab es, ein bisschen Schnodderigkeit, ein bisschen Humor – und obwohl auch einige Klischees aufeinanderprallten, sorgte die Show auf erstaunlich hohem Niveau für Nachdenklichkeit.
Worum ging's bei Frank Plasberg?
Nicht nur vor dem Hintergrund des Weltklimagipfels in Madrid spitzt sich der Streit um den Umgang mit dem Klimawandel weiter zu. Auch das von großen Teilen der Öffentlichkeit als mangelhaft empfundene Klimapaket der Großen Koalition sorgt für Aufregung. Und mittendrin die Organisation "Extinction Rebellion", die mit zivilem Ungehorsam zur Öko-Rebellion auffordert.
"Heiligt der Zweck die Mittel?", fragte
Das waren die Gäste bei "Hart aber fair"
- Der Meteorologie-Professor und Klimaforscher Hans von Storch (70) mischte mit zäher Schnodderigkeit die Runde immer wieder auf. Manches dringlich erscheinende Argument ließ er an sich abprallen, verweigerte Weltuntergangsstimmung und Panik, verwies stattdessen konsequent und nahezu penetrant darauf, dass Deutschland und Europa auch bei allergrößten Bemühungen nur einen Bruchteil der weltweit notwendigen Senkung des CO2-Ausstoßes bewältigen können. Sein Rezept: Deutschland soll seine Vorreiterrolle bei Technologieentwicklung und -export weiterverfolgen.
- Die Schauspielerin Nina Kronjäger (52) verblüffte zunächst durch ihren grimmig-misstrauischen Blick in die Runde und ergriff Partei ebenso für die Jugendlichen von Fridays for Future wie für die Revoluzzer von "Extinction Rebellion". Ihr Statement: "Nein, wir schaffen's nicht!" Die staatlichen Institutionen seien zu langsam und zu schwerfällig für die Klimakrise. Der Protest der fff-Demonstranten und der zivile Ungehorsam der Aktionen von "Extinction Rebellion" sorgten für einen "wichtigen Ausgleich in dieser Demokratie".
"Es tut sich nichts in der Politik"
- Tino Pfaff (25), Sprecher von "Extinction Rebellion" Deutschland, gab sich zwar bescheiden-schüchtern ("Entschuldigung, bin bisschen aufgeregt"), ließ sich aber nicht im Geringsten einschüchtern. Plasbergs ersten – in der Tat ein wenig weit hergeholten – Einspieler mit englischen Aktivisten, die Bahnpendler behinderten, konterte er mit "das haben Sie aber gut ausgesucht", vom englischen Holocaust-Relativierer Roger Hallam distanzierte er sich vehement und glaubhaft. Ebenso vehement verteidigte er die Linie seiner Organisation, bei dezidiert gewaltfreiem Widerstand Regeln zu übertreten und den Staat zu provozieren. Seine Begründung, der sich mehrere Teilnehmer anschlossen: "Es tut sich nichts" in der Politik. Sogar den Vorschlag seiner Organisation, die Regierung mit institutionalisierten "Klimaräten" unter Druck zu setzen, konnte er plausibel erklären.
- Rainer Hank (66), leitender Wirtschaftsredakteur bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) kann mit diesem politischen Ansatz rein gar nichts anfangen – und konterte mit gewichtigen Argumenten. Seine Befürchtung: Die Klimarebellen gefährden nicht nur mit ihren Regelverletzungen, sondern auch mit ihren politischen Vorstellungen die Demokratie. Ihre Versuche, die Exekutive mit Aktionen der Straße unter Druck zu setzen, führen in eine Art Öko-Rätediktatur, hebeln die demokratische Legitimation des staatlichen Handelns aus, die "Radikalisierung der Empörung" schwächt so letztlich die Demokratie. Auch die Behauptung, der Staat "schaffe es nicht", sei falsch – dass wir uns beispielsweise auf die Elektromobilität zubewegen und aus der Energieerzeugung mit Braunkohle aussteigen, zeige das Gegenteil.
"Aber kurz bitte, Herr Plasberg"
- Die grüne ehemalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn (67) rückte die Befürchtungen des Wirtschaftsredakteurs ein wenig zurecht: Die Anti-Atomkraft- und Anti-Atomwaffenbewegung der 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts, so die Politikerin, habe die Entstehung der Grünen als politische Partei geprägt. Höhns These: Durch Demonstrationen und auch zivilen Ungehorsam sei damals eine Bewegung entstanden, die in die Politik hineinwirken konnte. Ähnliches erwartet sie von der Klimabewegung. Auch wenn sie die Bedenken von Hank gegenüber den Konzepten von "Extinction Rebellion" teilweise teilt, gab Höhn zu bedenken, alle Parteien suchten heutzutage nach Möglichkeiten, die Teilnahme der Bevölkerung an politischen Prozessen zu stärken. Ihr Plädoyer: "Lasst uns aus diesen Bewegungen was Vernünftiges machen!" Auch nett an Höhn: Gelegentlich wies sie sogar den Moderator in die Schranken. Plasberg nach einem längeren Monolog der Grünen: "Frau Höhn, jetzt bin ich wieder dran!" Höhn: "Aber kurz, bitte!"
- Und dann war da noch ein Extragast: Christopher Grau, Gründer der Facebook-Gruppe "Fridays for Hubraum". Ob man dessen "Bewegung" ernst nehmen soll, ist nach Plasbergs Kurzinterview mit dem Auto-Tuner nicht wirklich zu sagen. Er gehört – wie wohl auch seine Fans – jener Bevölkerungsgruppe an, die das Klimaproblem zwar nicht leugnet, es aber deutlich anders bewertet. Allerdings wird allein mit viel Optimismus und dem Konzept "keine Panik, erstmal wie gewohnt weitermachen und dabei tolle neue Technologien entwickeln" der Klimawandel kaum mehr aufzuhalten sein.
Das Ergebnis des Abends bei "Hart aber fair"
Unter dem Strich steht, dass alle Teilnehmer ein bisschen recht haben. Klar, brauchen wir neue Technologien, klar, brauchen wir Aufgeregtheit und Besonnenheit, klar, brauchen wir Kümmerer, die sich um die Demokratie Sorgen machen. Und klar, brauchen wir wohl auch Mahner, die Gewohnheiten und Gemächlichkeit unserer Institutionen gehörig infrage stellen.
Wenn sie dabei, wie "Extinction Rebellion", gelegentlich über die Stränge schlagen, muss das nicht unbedingt eine Katastrophe sein. Klar, kann die aufgeklärte Demokratie damit klarkommen. Und klar, können solche Diskussionsrunden dabei auf keinen Fall schaden.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.