Hubert Aiwanger, der Vorsitzende der Freien Wähler, forderte jüngst, die Mehrheit müsse sich "die Demokratie zurückholen". Dafür erntete er jede Menge Kritik. Auch zahlreiche CSU-Politiker, die gemeinsam mit Aiwangers Partei die bayerische Regierung bilden, distanzierten sich von den Aussagen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Am Dienstagabend bei "Markus Lanz" war der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger zu Gast. Statt zurückzurudern, verteidigte Aiwanger seine Wortwahl bei einer provokanten Rede und geriet verbal mit dem ZDF-Moderator aneinander.

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Ist die deutsche Demokratie in Gefahr? Auf einer Anti-Heizungsgesetz-Demo in Erding machte Hubert Aiwanger durch eine populistische Rede bundesweit auf sich aufmerksam, in der er forderte, man müsse sich "die Demokratie" zurückholen. Am Dienstagabend erklärte der bayerische Wirtschaftsminister bei "Markus Lanz", warum die Ampelkoalition seiner Meinung nach die deutsche Demokratie in Gefahr bringt und die Bürger immer mehr außen vor lasse.

Das sind die Gäste

  • Hubert Aiwanger, Politiker (Freie Wähler): "Die Menschen müssen in der politischen Mitte wieder Parteien finden, die ihre Alltagssorgen ernst nehmen."
  • Annika Joeres, Frankreich-Expertin: "In Frankreich findet gerade ein ungleiches Kräftemessen statt."
  • Ursula Münch, Politologin: "Aiwangers Rede in Erding und seine Aussagen sind meines Erachtens abstrus und niveaulos."
  • Florian Flade, Journalist, über den Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee: "Die Spuren führen in die Ukraine - ob sie tatsächlich zum Staat, zum Geheimdienst, zum Militär führen, wissen wir nicht."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

In der Sendung kam Markus Lanz unter anderem auf die verbalen Entgleisungen des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger zu sprechen, der bei einer Demonstration in Erding über "die schweigende große Mehrheit dieses Landes" sprach, die sich "die Demokratie wieder zurückholen" müsse. Aiwanger zeigte sich verwundert über die teils heftigen Reaktionen auf seine Rede und erklärte: "Ich habe das Volk dort abgeholt, wo es war. Dort waren 13.000 Leute, die Ärger hatten gegen dieses Heizungsgesetz."

Lanz stichelte daraufhin: "Im Gegensatz zu Ihnen glaube ich, dass es diese Demokratie gibt." Als Aiwanger verärgert "Ich habe nie gesagt, die Demokratie gibt's nicht" konterte, sagte Lanz: "Sie haben gesagt, wir müssen sie uns zurückholen." Der ZDF-Moderator fragte gleichzeitig: "Sie verstehen sich quasi als Lautsprecher für Sätze, die sich sonst keiner zu sagen traut?" Darauf antwortete Aiwanger selbstbewusst: "Teilweise ja!"

Diese Aussage machte offenbar nicht nur Lanz, sondern auch Politologin Ursula Münch und Journalist Florian Flade fassungslos. Während Münch die Rede von Aiwanger als "abstrus und niveaulos" bezeichnete, warnte Flade: "Sie befeuern damit natürlich etwas Gefährliches - nämlich diesen Eindruck der abgekoppelten Eliten." Markus Lanz wollte vom Freie-Wähler-Chef wissen: "Was ist für Sie eine Demokratie?"

Aiwanger erklärte, dass für ihn die Macht vor allem vom Volk ausgehen müsse: "Die Politik muss sich regelmäßig rückkoppeln zur Bevölkerung und nicht nach dem Motto (...): 'Einmal an der Macht, dann kann ich vier Jahre tun, was ich will'." Anhand des umstrittenen Heizungsgesetzes sei laut Aiwanger deutlich, dass es sich aktuell nur noch um "eine Demokratie formal" handle. "Die Bevölkerung fühlt sich nicht mehr abgeholt", so der Politiker.

Er erklärte weiter, dass ohne ihn "das Land noch polarisierter" wäre: "Die Menschen müssen in der politischen Mitte wieder Parteien finden, die ihre Alltagssorgen ernst nehmen." Aiwanger ergänzte: "Die Vorgehensweise der Ampel ist in diesem Punkt für mich undemokratisch, wenn sie gegen die Mehrheit der Bevölkerung Politik macht."

Markus Lanz, Hubert Aiwanger
Ist Deutschland keine Demokratie mehr? "Die Bevölkerung fühlt sich nicht mehr abgeholt", versuchte Hubert Aiwanger seine populistische Rede zu erklären. © ZDF / Cornelia Lehmann

Das ist das Rede-Duell des Abends

Ähnlich hitzig ging es in der Debatte zu, als Hubert Aiwanger den jüngsten Vorfall in Essen ansprach, bei dem es zu brutalen Ausschreitungen zwischen verfeindeten Großfamilien aus Syrien und dem Libanon kam. In dem Zusammenhang sprach Hubert Aiwanger verärgert von "diesen Syrern, die seit acht Jahren bei uns sind" und im Besitz des deutschen Passes seien. Es sei ein "großer Fehler" der Regierung, "dass man jetzt einbürgert, bevor die Integration funktioniert hat".

Lanz hakte schockiert nach: "'Diese Syrer' haben Sie gerade gesagt?" Aiwanger verteidigte sich prompt und stellte klar, dass er nicht "pauschal alle Syrer", sondern lediglich "die Syrer, die seit 2015 hier sind" meine. "Die bekommen momentan sehr großzügig die deutschen Pässe, sind aber noch nicht unbedingt im Arbeitsmarkt integriert", so Aiwanger.

Er ergänzte: "Ich sehe es als politischen Fehler, hier zu schnell denen mit dem Pass hinterherzulaufen, ohne zu erwarten, dass sie vorher einen Arbeitsplatz haben und sich integriert haben." Lanz fragte mit ernster Miene: "Ich finde das eine schwierige Formulierung. Wer läuft wem mit dem deutschen Pass hinterher?" Darauf antwortete Aiwanger: "Die Ampel!" Laut dem Politiker gebe es ein "zu liberales Aushändigen unserer Pässe".

Hubert Aiwanger hält bei einer Demonstration eine Rede.

Nach Protestrede: Grüne fordern Entlassung von Hubert Aiwanger

Seine Rede bei einer Demonstration soll ein Nachspiel haben. Hubert Aiwanger soll nach Ansicht der Grünen gehen. Das fordert die Partei nun in einem Dringlichkeitsantrag. Bayerns Wirtschaftsminister sei "untragbar" geworden. (Photocredit: Wochit/getty images)

Journalist Florian Flade unterstellte dem Politiker daraufhin eine Sprache, die der der AfD ähnele und warnte: "Das kann gefährlich werden." Lanz hakte kritisch nach: "Finden Sie, das ist eine adäquate Formulierung?" Hubert Aiwanger antwortete genervt: "Sie lenken jetzt schon wieder von der inhaltlichen Debatte ab ins Wording." Lanz ließ jedoch nicht locker und sprach die vielen Bürger mit Migrationshintergrund an, die sich durch Aiwangers Wortwahl in eine Ecke gedrängt fühlen könnten.

Darauf wollte sich der Freie-Wähler-Chef jedoch nicht einlassen und unterstellte Lanz, seine Aussagen in den falschen Kontext zu setzen. Aiwanger ermahnte den Moderator: "Mit der Masche kriegen Sie mich nicht!" Darauf konterte Lanz: "Sie haben einen komischen Verfolgungswahn." Der ZDF-Moderator ergänzte: "Welche Angst haben Sie denn? (...) Sie sind wahnsinnig misstrauisch, weil Sie merken, mit der Art und Weise, wie sie reden, kann man was anfangen."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz knöpfte sich am Dienstagabend vor allem Hubert Aiwanger vor und lockte ihn mehrmals mit kritischen Nachfragen aus der Reserve, als es um sein Demokratie-Verständnis und seine provokante Wortwahl ging. Der bayerische Wirtschaftsminister redete sich dabei teilweise um Kopf und Kragen, sodass die Runde am Ende keine Zeit mehr hatte, auf Aiwangers Vorschlag eines neuen Steuerkonzeptes einzugehen.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Kaum ein Thema sorgte für so viel öffentliche Entrüstung wie das Heizungsgesetz, zur Schärfe der Diskussion trug zuletzt auch Hubert Aiwanger bei. Bei "Markus Lanz" verteidigte der bayerische Wirtschaftsminister am Dienstagabend seine provokante Wortwahl und Anti-Ampel-Rhetorik und geriet dabei mehrmals verbal mit dem ZDF-Moderator aneinander. Am Ende der Sendung stellte Lanz dennoch humorvoll fest: "Herr Aiwanger, ich wusste, dass das ein großer Spaß mit Ihnen wird!"  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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