Wie gerecht ist das deutsche Steuersystem? Bei "Markus Lanz" zeigte sich einmal mehr, dass wenige politische Themen so stark polarisieren und emotionalisieren wie dieses. Hauptwidersacher in der ZDF-Debatte waren die Unternehmerin Sarna Röser und eine millionenschwere "Tax Me Now"-Aktivistin.
Arbeit wird besteuert, Vermögen aber nicht - ist das gerecht? Und was lässt sich tun gegen die wachsende Unwucht bei der Wohlstandsverteilung im Land? Bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Das deutsche Steuersystem sorgt bei vielen Menschen für Schnappatmung und kritische Blicke. Als Spitzensteuer-Land scheint es, als gäbe es in Deutschland vor allem für die Mittelschicht und Geringverdiener kein Limit, was die Höhe der Abgaben angeht. Doch warum gibt es ausgerechnet bei Superreichen so viele Schlupflöcher? Millionenerbin Marlene Engelhorn kritisierte bei "Markus Lanz" das Ungleichgewicht im deutschen Steuersystem und stellte in diesem Zuge auch die Machtfrage. Dagegen stellte sich Sarna Röser, die im ZDF-Talk am Dienstagabend aus der Sicht der mittelständischen Unternehmerin sprach und eine grundlegende Reform der Erbschaftsteuer mit warnenden Worten ablehnte.
Das sind die Gäste
- Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Johannes Vogel bekräftigte bei Lanz: "Wir haben kein Einnahme-, sondern eher ein Ausgabeproblem."
- Roman Pletter, Journalist und Leiter des "ZEIT"-Wirtschaftsressorts, bestand auf einem einfachen Grundsatz: "Jemand der sich anstrengt, sollte mehr haben, als jemand, der sich nicht anstrengt."
- Die Millionenerbin Marlene Engelhorn fordert: "Ich möchte, dass man mir mindestens 90 Prozent abnimmt."
- Sarna Röser, Unternehmerin und Bundesvorsitzende des Verbands "Die JUNGEN UNTERNEHMER", hielt dagegen: "Soziale Gerechtigkeit erreicht man nicht durch Steuererhöhungen."
- Der Steuerexperte Christoph Trautvetter hielt fest: "Die Vermögensverteilung ist in Deutschland extrem ungerecht."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Markus Lanz begrüßte seine Gäste mit den Worten: "Wir wollen heute grundsätzlicher werden und fragen: Wie gerecht ist eigentlich dieses deutsche Steuersystem?" Eine Frage, mit der sich der ZDF-Moderator direkt an FDP-Politiker Johannes Vogel wandte. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Liberalen gab zu Protokoll: "Ich empfinde es im Grundsatz als gerecht. Aber kein Steuersystem ist perfekt. Ich finde generell, dass die Klein- und Mitteleinkommen zu stark belastet werden. Das sollten wir ändern."
Steuerexperte Christoph Trautvetter hingegen bemängelte: "Die Vermögensverteilung ist in Deutschland extrem ungerecht." Journalist Roman Pletter stimmte zu und ergänzte: "Wir leben in einer Welt, in der wir Arbeit gut besteuern und unverdientes Vermögen nicht besteuern. Mir ist nicht ersichtlich, warum ein Mensch, der arbeitet und sich anstrengt mehr bezahlen soll als jemand, der etwas erbt."
Dabei fühlte sich vor allem Millionenerbin Marlene Engelhorn angesprochen, die aus Wien zugeschaltet war. Sie erklärte bei "Markus Lanz", warum sie sich generell für eine höhere Besteuerung von Vermögen einsetzt: "Vermögen bedeutet Macht und ist immer mit einer Person verknüpft. Macht konzentriert sich maßgeblich in Vermögen." Das Ganze sei "ein absolutes Nischen- und Eliten-Thema", monierte Engelhorn. "Die Steuerpolitik geht aber ins Herz der Demokratie. Wieso ist es in Ordnung, dass Ausnahmen bei Vermögen gemacht wird und bei allen anderen Einnahmen nicht? Die Umverteilung findet aktuell von unten nach oben statt."
Engelhorn weiter: "Es darf nicht vom Wohlwollen der Reichen abhängen, ob sie der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen. Warum wird Arbeit immer und Vermögen immer weniger besteuert? Wieso lassen wir das zu?" Eine Grundsatzfrage, die auch Markus Lanz zustimmend wiederholte. Der Moderator merkte an: "Das Gefühl, das viele haben, ist: Ich strampele mich ab und komme auf keinen grünen Zweig mehr. Der untere Bereich der deutschen Mittelschicht kämpft gerade, aber wir reden nicht darüber."
Marlene Engelhorn, die von ihrer Großmutter einen zweistelligen Millionenbetrag geerbt hat, nickte wohlwollend, machte am Dienstagabend jedoch wiederholt deutlich: "Das Steuersystem ist ungerecht, sonst hätten wir die Debatte nicht. Deutschland ist ein Niedrigsteuerland für Vermögen. Es geht um Macht und wie sie verteilt wird."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Daraufhin entbrannte vor allem zwischen Marlene Engelhorn und Unternehmerin Sarna Röser eine Diskussion. Röser hielt am Dienstagabend unter anderem fest: "Soziale Gerechtigkeit erreicht man nicht durch Steuererhöhungen. Nur, weil der eine abgeben muss, geht's dem anderen ja auch nicht besser." Engelhorn, die 90 Prozent ihres Erbes abgeben will, wollte dies nicht gelten lassen und erklärte: "Es wird oft so getan, als wäre die Vermögenssteuer eine private Angelegenheit. Mir geht es mit 'Tax Me Now' darum, aufzuzeigen, dass die Debatte einer gerechteren Verteilung von Vermögen an die Steuerdebatte angeknüpft ist."
Röser konterte prompt: "Ich komme selbst aus einem Familienunternehmen, das über 100 Jahre alt ist. Die Erbschaftssteuer würde für den deutschen Mittelstand bedeuten, dass er ausblutet." Die Unternehmerin machte daraufhin deutlich, dass sie eine Erbschafts- und Vermögenssteuer für fatal hielte, denn: "Da stellen sich viele die Frage: Kann ich mir das überhaupt leisten oder muss ich meine Unternehmensanteile veräußern? Das sollten wir doch vermeiden! Wir brauchen eine Aufbruchsstimmung in diesem Land."
Dem entgegnete Steuerexperte Christoph Trautvetter: "Deutsche Mittelständler investieren nicht mehr, sondern bauen Gewinnrücklagen auf und haben Milliarden auf den Konten liegen." Die Kritik, Mittelstandsunternehmen würden zu viel Geld ansammeln, wollte Sarna Röser jedoch nicht akzeptieren und sagte mit ernstem Blick: "Wir können froh sein, dass wir überhaupt über die Jahre die Möglichkeit hatten, so viel Eigenkapital anzusparen. Wir können doch von Glück sprechen, dass sich der deutsche Mittelstand auf Krisen vorbereitet und vorsorgt. Wie sollten wir sonst die ganze Klima- und Energiewende finanzieren?"
Hier schaltete sich auch FDP-Politiker Johannes Vogel wieder in die Debatte ein und ließ sich auf Nachfragte von Markus Lanz entlocken: "Ich bin für die Existenz der Erbschaftssteuer." Der ZDF-Moderator merkte daraufhin fast schon amüsiert an: "Frau Röser schaut jetzt sehr enttäuscht." Die Unternehmerin nickte zwar, stellte jedoch abschließend die Frage: "Ich finde es schwierig, eine Neiddebatte zu befeuern. Haben wir wirklich ein Einnahmen-Problem? Ich finde eher, wir haben ein Ausgaben-Problem. Für was werden unsere Steuereinnahmen denn verwendet?"
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Lanz wirkte sattelfelst im Steuerthema und vermochte vor allem Sarna Röser und Marlene Engelhorn, kontroverse Thesen zu entlocken. Ein roter Faden lief durch die Sendung, auch wenn einige Ansätze schlussendlich aufgrund von Mangels an Zeit und der Komplexität des Themas im Sand verliefen. Dennoch schaffte es Markus Lanz dank seiner konkreten Fragen, eine spannende Grundsatzdiskussion anzuregen. Lediglich FDP-Politiker Johannes Vogel ließ er zu oft mit wenig konkreten Einlässen davonkommen.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Während sich die Mehrheit der Gäste bei "Markus Lanz" bei Fragen wie der Gerechtigkeit des deutschen Steuersystems grundsätzlich einig waren, gingen die Meinungen beim Thema Erbschafts- und Vermögenssteuer weit auseinander. Vor allem Unternehmerin Sarna Röser und Millionenerbin Marlene Engelhorn konnten keine gemeinsame Basis finden und lieferten sich eine teilweise hitzige Debatte. Kein Wunder also, dass Markus Lanz die Sendung mit den Worten beendete: "Ich habe das Gefühl, wir werden diese Runde so noch mal wiederholen. Es gibt viel zu besprechen." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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