Die Anzahl der Gewalttaten an deutschen Schulen steigt Jahr für Jahr an. Bei "Markus Lanz" schlug Schulleiterin Anja Mundt-Backhaus Alarm und berichtete aus erster Hand von Vandalismus, Belästigungen und roher Gewalt unter Schülern.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ob Reizgas-Angriffe auf dem Schulweg, Videoaufnahmen auf Schultoiletten oder Messer im Schulranzen: Schulleiterin Anja Mundt-Backhaus zeichnete bei "Markus Lanz" ein erschreckendes Bild und berichtete am Donnerstagabend von der Gewaltbereitschaft vieler Schüler.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Alleine in Berlin rückt die Polizei mittlerweile fünfmal am Tag zu Einsätzen an Schulen aus. Der Grund: Die Fälle von Gewalt gehören an deutschen Schulen mittlerweile zum bitteren Alltag. Im Jahr 2022 wurden etwa in Nordrhein-Westfalen 5.400 Gewaltdelikte an Schulen gemeldet. Tendenz steigend.

Markus Lanz analysierte daher am Donnerstagabend die "zunehmende Verrohung" sowie die steigende Anzahl gewalttätiger Übergriffe und wollte wissen, inwiefern dies mit dem Thema Migration zusammenhängt. "Gibt es auch Lösungen?", hörte der ZDF-Moderator bei seinen Gästen nach.

Das sind die Gäste

  • Karin Prien, CDU-Vizevorsitzende: "Wenn Kinder aus so unterschiedlichen Kulturen aufeinandertreffen, dann gibt es zwangsläufig Konflikte."
  • Anja Mundt-Backhaus, Schulleiterin: "Kinder haben heute Probleme, ihre Konflikte vernünftig zu lösen."
  • Aladin El-Mafaalani, Soziologe: "Auf diese Super-Diversität ist keiner vorbereitet."
  • Manfred Lütz, Theologe: "Ich glaube, man muss Medienkompetenz unterrichten."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" gab Pädagogin Anja Mundt-Backhaus, die die Integrierte Gesamtschule in Hannover (IGS) mit knapp 900 Schülern leitet, einen ungeschönten Einblick in das deutsche Bildungssystem. Besonders das Thema Gewalt sei mittlerweile ein zentrales Thema, wie sie erzählte. Deshalb entschied sich die Pädagogin Mitte Januar dafür, sich mit einem Brandbrief an die Stadt Hannover zu wenden.

Alleine an ihrer Schule kommt es immer wieder zu gewalttätigen Zwischenfällen - darunter Vandalismus und Belästigung. "Wir haben ganz schwierige Verhältnisse (...) an ganz, ganz vielen Schulen, die nicht Gymnasien sind. Auch an Gymnasien wird es schwieriger (...), und wir merken, dass wir deutlich an unsere Grenzen kommen", klagte Mundt-Backhaus. Lanz wollte daraufhin wissen: "Wo kommen Sie an Ihre Grenzen?"

Die Schulleiterin antwortete ernst: "Den Schulfrieden betreffend. Wir haben ganz viele Konflikte unter den Kindern. Wir haben eine aufgeladene Spannung, viel (...) rohe Sprache, die wir jetzt schon als Beleidigungen empfinden würden, Machtkämpfe." Mundt-Backhaus ergänzte: "Das hat etwas mit Selbstwert zu tun. Viele Kinder können es tatsächlich nicht mehr einordnen: Wann bin ich übergriffig?" Laut der Pädagogin habe vor allem Social Media "einen ganz verheerenden Einfluss auf viele Kinder". Dies sei mittlerweile jedoch nicht nur ein rein schulisches, sondern vielmehr "ein gesellschaftliches Problem".

Aus diesem Grund merkte die Schulleiterin aus Hannover an: "Wir kümmern uns, wir gucken hin. (...) Wir haben ein Handyverbot an unserer Schule." Trotzdem musste Anja Mundt-Backhaus feststellen: "Kinder haben Probleme heute, ihre Konflikte vernünftig zu lösen." Ein Indiz dafür könnte sein, dass viele Jugendliche mit Messern in die Schule kommen. Die verheerende Folge: Viele Schüler fühlen sich in ihrer Klasse nicht mehr sicher.

Soziologe Aladin El-Mafaalani stellte in dem Zusammenhang fest, dass erkennbar sei, "dass Schulen überfordert sind, dass Lehrkräfte überfordert sind". Die CDU-Vizevorsitzende Karin Prien stimmte zu und erklärte weiter: "Schule muss viel mehr als früher Erziehungsaufgaben leisten. (...) Heute geht es erstmal um Erziehung, und dann geht es um Bildung." Dadurch sei aus der Lehrtätigkeit "ein völlig anderer Beruf geworden".

Dass Schulen immer mehr erzieherische Aufgaben übernehmen müssen, bereitete auch Theologe Manfred Lütz Sorgen. Zur Beziehung zwischen Eltern und Kindern sagte er nachdenklich: "Ich glaube, es hat sich Erhebliches verändert." Dazu ergänzte Anja Mundt-Backhaus energisch, dass vielen Kindern zu Hause "nicht mehr vorgelesen" werde und Kinder nur "mit dem Smartphone unterwegs" seien, anstatt verbal oder schriftlich zu kommunizieren. Grund genug für Karin Prien, zu fordern, dass Eltern wieder mehr in die Pflicht genommen werden müssen: "Wer Kinder hat, der muss sich kümmern."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Beim Thema Bürgergeld wurde es bei "Markus Lanz" hitzig. Als der ZDF-Moderator von CDU-Politikerin Karin Prien wissen wollte, warum sie das Bürgergeld abschaffen wolle, antwortete sie knapp: "Es geht ja nicht darum, das Bürgergeld als Transferleistung abzuschaffen, sondern die Bezeichnung ist irreführend." Lanz hakte nach: "Aber es geht Ihnen ja nicht nur um ein Wort, oder?" Prien konterte: "Nein, aber es geht schon auch um eine Bezeichnung, weil das halt doch eine hohe Symbolkraft hat."

Sichtlich irritiert wollte der Moderator wissen, was an dem Begriff Bürgergeld genau irreführend sei. Prien erklärte daraufhin genervt: "Weil es eben suggeriert, dass im Grunde jeder Bürger darauf einen Anspruch hätte. Und in Wahrheit geht es natürlich um eine Sozialleistung, die denjenigen, die es brauchen, auch tatsächlich zur Verfügung stehen soll." Lanz ließ jedoch nicht locker und merkte an: "Sie nennen das jetzt 'Neue Grundsicherung'. Ist das besser? Das ist noch näher am bedingungslosen Grundeinkommen dran als das Bürgergeld."

Karin Prien wiegelte nüchtern ab: "Die Grundsicherung ist halt der Begriff, den wir bisher in den letzten Jahren dafür hatten. Und es gab eigentlich keinen wirklich guten Grund, das zu verändern." Am Ende geht es laut der Politikerin "um eine Gerechtigkeitsfrage", denn: "Wir bewegen uns ja doch in Zeiten deutlich knapperer finanzieller Ressourcen. (...) Innere und äußere Sicherheit sind ein ganz großes Thema geworden."

Auch die Bildung, Infrastruktur und der Klimaschutz haben laut Prien höchste Priorität im Land. Daher sagte sie streng: "Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir den Ausbau des Sozialstaats stoppen." Sozialleistungen dürften demnach nur die Menschen bekommen, die sie wirklich brauchen - und das Bürgergeld dürfe "nicht erhöht" werden. Stattdessen forderte Prien die deutsche Gesellschaft auf, die Ärmel hochzukrempeln. Eine Steilvorlage für Lanz: "Wie kriegen Sie die Leute schneller in Arbeit?" Prien antwortete: "Wir würden das Bürgergeld abschaffen."

Fassungslos hakte der Moderator nach: "Komplett?" Die CDU-Politikerin ruderte prompt zurück: "Als Begriff." Als Lanz anmerkte, dass man mit der Änderung des Begriffs noch kein Geld gespart habe, wurde der Ton von Prien rauer: "Wir würden den Menschen auch sehr deutlich sagen: Das Ziel ist, jeden so schnell wie möglich in Arbeit zu bringen." Eine Aussage, die Lanz nicht beeindruckte: "Das ist ja immer das Ziel."

Doch Prien blieb standhaft: "Nein, das ist es nicht. Wenn man zum Beispiel schaut, wie wir mit Einwanderung umgehen. Dann heißt es: Erstmal lieber einen Sprachkurs machen und dann noch einen Sprachkurs machen und dann erst in Arbeit. Ich würde immer sagen: So schnell wie möglich in Arbeit und dann (...) die Sprachkenntnisse verbessern." Lanz reagierte dennoch irritiert: "Das ist alles wahnsinnig diffus! Sie sagten, wir müssen Geld sparen. Wo sparen Sie jetzt genau?" Prien konterte wütend: "Das Signal ist: Jeder der arbeiten kann, muss auch arbeiten!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz gelang am Donnerstagabend eine interessante und vielseitige Sendung, in der neben dem Bürgergeld vor allem die Gewalt an deutschen Schulen im Fokus stand. Am Ende ging dem Moderator jedoch die Zeit aus und er musste Karin Prien mit den Worten abwürgen: "Wir führen diese Debatte weiter in einer zweiten Sendung."

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Dass an deutschen Schulen die Kapazitäten eng werden, wurde bei "Markus Lanz" nur allzu deutlich. Dies liegt jedoch nicht nur an der zunehmenden Migration, sondern auch an gesellschaftlichen Veränderungen. "Das, was früher Familie war", wird heute laut dem Soziologen Aladin El-Mafaalani in den Institutionen ersetzt, die nicht dafür gemacht seien, "familien-ersetzende Leistungen" zu erbringen.

Gleichzeitig klagte er über zu große Klassen, in denen teilweise mehrere unterschiedliche Religionen und Kulturen aufeinandertreffen würden. "Die gehen auf dem Zahnfleisch", umschrieb Aladin El-Mafaalani die Situation der deutschen Lehrkräfte, die mehr und mehr Aufgaben übernehmen müssen. In dem Zusammenhang warnte Karin Prien abschließend vor dem baldigen Renteneintritt unzähliger Lehrkräfte und gab zu: "Ich komme auch an meine Grenzen."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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