Er will Kleinkriminelle umbringen, spielt Massenvergewaltigungen herunter und will alle Beamten aus ihre Posten drängen, die bei seiner Umgestaltung des Landes nicht mitmachen wollen: Rodrigo Duterte ist neuer Präsident der Philippinen. Seine populistische Law-and-Order-Rhetorik verstört das Ausland. Wer ist der Mann, der sein Heimatland mit allen Mitteln von Kriminalität und Korruption befreien will?

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Die Welt wird nicht schlau aus ihm: Vor allem in Europa erntet Donald Trump, der mutmaßliche US-Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Kopfschütteln dafür, dass er Mexikaner pauschal als Vergewaltiger darstellt.

Auch seine Ankündigung, einen Zaun um das Nachbarland errichten zu lassen, hinterlässt Unverständnis in- und außerhalb der USA. Nun bekommen die Philippinen einen Mann als Präsidenten, der ähnlich kompromisslose Ansichten vertritt: Rodrigo "Rudy" Duterte.

Sein Rezept gegen Drogen und Gewalt lässt allerdings die Vorschläge des US-Milliardärs harmlos erscheinen: "Tötet sie alle," sagte er bei einem Wahlkampfauftritt. Zehntausende Kriminelle sollten seiner Ansicht nach einfach hingerichtet werden. Er wolle sie anschließend in der Bucht der Hauptstadt Manila versenken, "damit die Fische dick und fett werden".

Schon der Vater war Politiker

Duterte selbst stammt aus einer populären Familie des Landes. Sein Vater Vicente Duterte war in den 1950er und 1960er Jahren Provinz-Gouverneur. Er wuchs in der Hauptstadt der Provinz, in Davao City, auf.

Seine Mutter Nanay Soleng war Lehrerin, wird in vielen Quellen als klug und gebildet beschrieben. Beide Elternteile mussten ihrem Sohn wohl auch stets einen hohen Grad an Verständnis entgegenbringen. Er flog wegen schlechten Verhaltens von der Schule, sein Vater schickte ihn zur Strafe in eine Lehranstalt, die mehr als 50 Kilometer entfernt lag.

Die Maßnahme fruchtete nicht: Er schaffte es, an ein kleines Flugzeug zu kommen und warf von der Luft aus einen Stein auf den Hof seiner Schule.

Die Bindung zu seiner Mutter – obwohl sie ihn nach eigenen Angaben regelmäßig körperlich züchtigte – ist dennoch bis zum heutigen Tage innig. So trägt Duterte auch auf Reisen stets eine Decke bei sich, die er in seinem ersten Lebensjahr von ihr bekommen hat.

Er selbst hat gesagt, dass er ohne das Wäschestück, dass inzwischen wohl mehr aus Flicken denn aus dem ursprünglichen Material besteht, nicht schlafen könne.

Über Trump sind Decken-Marotten nicht bekannt. Dennoch hat Duterte dem US-Milliardär einen entscheidenden Vorteil voraus und kann auf eine jahrzehntelange Karriere als Politiker zurückblicken. Beide sind übrigens etwa gleich alt: Trump ist Jahrgang 1946, Duterte wurde 1945 geboren.

Erst Anwalt, dann Bürgermeister

Doch während der deutschstämmige US-Amerikaner den Fokus aufs Verwalten und Mehren seines Milliarden-Erbes legte, war Duterte von 1988 an mit wenigen Unterbrechungen Oberbürgermeister der philippinischen Millionenstadt Davao City. Zuvor war er als Rechtsanwalt tätig.

Und während im Ausland meist polternde Äußerungen und anstößiges Verhalten von Duterte thematisiert werden, so scheinen die Philippinos, die ihm am 9. Mai bei der Präsidentschaftswahl ihre Stimme gaben, eher seine Taten im Bürgermeisteramt goutiert zu haben.

So errichtete er in seiner Heimatstadt ein Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige und lockt Suchtkranke mit einer monatlichen Unterstützung aus öffentlichen Kassen, wenn sie ihre Rauschgiftkarriere endgültig hinter sich lassen.

Und während auf den mehrheitlich streng katholischen Philippinen Homosexuelle und Transsexuelle einen schweren Stand haben, setzt sich Duterte in seiner Stadt für deren Gleichberechtigung ein: "In Davao wird kein Homosexueller respektlos behandelt, denn ich hasse Unterdrückung," sagte er in einer TV-Show.

In ähnlicher Weise setzt er sich auch für die indigenen und muslimischen Minderheiten des Landes ein. Durch all das konnte er sich im Präsidentschafts-Wahlkampf als Macher profilieren, der aus der philippinischen Drogen- und Gewaltmetropole Davao zweifelsohne eine der sichersten und lebenswertesten Städte des Inselstaates machte.

Das gilt als gewichtiges Argument in einem Land, in dem Korruption, Behördenwillkür, Armut und Kriminalität alltäglich sind.

Setzte er Killerschwadronen ein?

Allerdings soll Duterte bei seinem Kreuzzug gegen die Anarchie nicht immer rechtskonform gehandelt haben. Seit Jahren kann er Vorwürfe von Menschenrechtsaktivisten nicht entkräftigen, die ihm den Einsatz von Killerkommandos unterstellen.

Diese Todesschwadronen sollen tausende Menschen ohne Verfahren aus dem Weg geräumt haben und so maßgeblich zum Rückgang der Kriminalität beigetragen haben. Duterte hingegen kontert offensiv und sagte bei einer Wahlkampfveranstaltung am vergangenen Samstag: "Vergesst die Gesetze zu Menschenrechten!"

Stattdessen werde er mit seinen Methoden binnen eines halben Jahres das Verbrechen im Land eliminieren – unter anderem mit der Wiedereinführung der Todesstrafe, die seit 2006 verboten ist.

Politisch will er seine Pläne mit drastischen Veränderungen durchsetzen: Duterte will eine Föderalisierung der Philippinen vorantreiben. Der zentralistisch auf die Hauptstadt Manila ausgerichtete Staat soll Kompetenzen an die Regionen delegieren.

Sein Versprechen: Innerhalb von zwei Jahren als Präsident will er den Kongress auflösen und kündigte die Ernennung einer Revolutionsregierung an. Besonders kritisch sieht er den Verwaltungsapparat. So sollen alle Beamten und Offiziere von sich aus zurücktreten.

Kein Alkohol mehr in der Nacht

Erste Maßnahmen sollen schnelle Verbesserungen der Situation auf den Philippinen bringen: Dutertes Sprecher Peter Lavina kündigte landesweit eine Ausgangssperre für unbegleitete Kinder ab 22 Uhr an. Der Verkauf von Alkohol solle zudem zwischen Mitternacht und 8 Uhr morgens verboten werden. In Davao gibt es ein solches Verbot bereits.

Lavina machte klar, dass Duterte das politische System umkrempeln wolle - Verfassungsreform inklusive. Menschenrechtsaktivisten und der scheidende Präsident Benigno Aquino warnen nun, dass Dutertes Sieg eine Rückkehr zur Diktatur sei, unter der das Land bis zum Volksaufstand 1986 litt.

Ob der Wahlgewinner seine scharfe Law-and-Order-Rhetorik auch praktisch umsetzen wird, bleibt offen – und auch, ob das Volk derlei drastische Einschnitte überhaupt tolerieren würde. Egal, ob er die Maßnahmen in dieser Schärfe wird umsetzen können: In jedem Fall hat er seine radikalen Ansichten im Vorfeld der Wahl klar artikuliert.

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