Die Slowakei steht vor einer Richtungsentscheidung: Je nachdem, welche Partei mit Robert Fico zusammenarbeiten wird, bedeutet das eine größere oder weniger große Annäherung an Russland. Für den Wahlsieger dürfte es nicht ganz einfach werden.

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Die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova hat den bisherigen Oppositionsführer Robert Fico mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Als Staatsoberhaupt sei es ihre Aufgabe, das Ergebnis von Wahlen zu respektieren und das Funktionieren der verfassungsmäßigen Institutionen zu gewährleisten, erklärte die liberale Politikerin.

Die Wahl sei "demokratisch und gesetzeskonform abgelaufen" und sie sei froh, dass dies trotz mancher vor der Wahl geäußerter Befürchtungen jetzt niemand mehr bezweifle, sagte das slowakische Staatsoberhaupt am Montag.

Fico hatte mit seiner Partei "Richtung - Slowakische Sozialdemokratie" (Smer-SSD) die Parlamentswahl am Samstag gewonnen. Smer-SSD kam auf 22,9 Prozent der Stimmen. Den zweiten Platz belegte die bisher nicht im Parlament vertretene liberale Partei "Progressive Slowakei" (PS) unter Führung des EU-Abgeordneten Michal Simecka mit 18 Prozent.

Drittplatzierte "Stimme - Sozialdemokratie" könnte zur Königsmacherin werden

Für Ficos Smer-Partei dürfte es aber nicht leicht werden, eine Koalition mit ausreichender Mehrheit zu bilden. Fico hatte angekündigt, er wolle die bei der Bevölkerung unbeliebte Waffenhilfe für die Ukraine beenden und das Nachbarland nur mehr mit zivilen Gütern unterstützen. Fast alle anderen ins Parlament gewählten Parteien wollen daran aber festhalten.

Eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung kommt nun der drittplatzierten Partei "Stimme - Sozialdemokratie" (Hlas-SD) unter Führung des ehemaligen Fico-Stellvertreters Peter Pellegrini zu. Sie wurde erst 2020 gegründet - als Abspaltung von Ficos Smer-SSD. Während sich die beiden bei der Wahl erfolgreichsten Parteien feindselig gegenüberstehen, kann sich Pellegrini mit beiden von ihnen eine Koalition vorstellen.

Mit Fico verbindet Pellegrini das Ziel, in der Slowakei wieder einen starken Sozialstaat aufzubauen. Anders als Fico befürwortet er aber weitere Militärhilfen an die Ukraine. Pellegrini hat sich auch deshalb in Gesprächen mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Parteichef Lars Klingbeil ein gutes Verhältnis zur deutschen SPD aufgebaut.

Beobachter rechnen mit Annäherung an Ungarn

Beobachter gehen davon aus, dass das EU-und Nato-Mitglied Slowakei, bisher einer der großen Unterstützer der Ukraine im Krieg gegen Russland, unter der Führung Ficos eine Kehrtwende in der Außenpolitik vollführen und sich der Position Ungarns annähern wird. Wenn er an der Regierung sei, werde die Slowakei "nicht einen Schuss Munition" mehr in die Ukraine liefern, erklärte Fico kürzlich.

Fico war bereits von 2006 bis 2010 und von 2012 bis 2018 slowakischer Regierungschef und hatte dabei zweimal eine Regierung mit der Slowakischen Nationalpartei (SNS) gebildet, die ebenfalls eine weitere Militärhilfe für die Ukraine ablehnt.

2018 musste Fico nach der Ermordung des Journalisten Jan Kuciak und dessen Verlobter zurücktreten. Kuciak hatte zu Verbindungen zwischen der italienischen Mafia und Ficos Regierungspartei recherchiert.

Fico ist bekannt für seine pro-russischen Positionen

Fico ist bekannt für seine pro-russischen Positionen. Seine politische Karriere begann bei der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, kurz bevor die Samtene Revolution der damaligen Regierung ein Ende bereitete. 1999 verließ er die linke Partei SDL, die das Erbe der Kommunisten angetreten hatte, und gründete die sozialdemokratische Smer-SD (Smer bedeutet Richtung).

Nach Überzeugung des slowakischen Soziologen Michal Vasecka ist Fico ein Bewunderer des russischen Präsidenten Wladimir Putin. In seinem kürzlich erschienen Buch über Fico schreibt er, der slowakische Ex-Regierungschef schätze "definitiv Putins autoritäres Regierungssystem". Ficos Verhältnis zu Russland sei durch die sozialistische Devise - "Mit der Sowjetunion für immer fest verbunden" - entscheidend geprägt.

So übernahm der Linkspopulist vor kurzem ohne Umschweife die russische Position, wonach der Krieg in der Ukraine 2014 begonnen habe, "als faschistische Ukrainer russische Zivilisten getötet haben". Auch betont Fico, dass er eine Festnahme Putins auf dem Gebiet der Slowakei nicht zulassen werde - obwohl gegen den russischen Staatschef ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vorliegt.

Ministerium in Bratislava wirft Russland Einmischung in Parlamentswahl vor

Die Regierung in Bratislava warf unterdessen Russland "unzulässige Einmischung" in die Wahl vor. Das Ministerium veröffentlichte am Montag eine Protestnote, in der es die Äußerungen des Chefs des russischen Auslandsgeheimdienstes, Sergej Naryschkin, zurückwies. Zugleich wurde ein russischer Diplomat einbestellt.

Naryschkin hatte seinerseits erklärt, die USA mischten sich in innere Angelegenheiten der Slowakei ein. Das Außenministerium wies dies nun als "unzulässige Einmischung der Russischen Föderation in den Wahlprozess" zurück.

Während des Wahlkampfs wurde die Slowakei von einer Flut von Falschinformationen überschwemmt, die vielfach auf Ficos Rivalen Michal Simecka von der liberalen Partei Fortschittliche Slowakei abzielten. (dpa/AFP/ank)

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