Sie schmeißen den Haushalt und kümmern sich um die Kinder, stets perfekt gestylt, versteht sich. Sie umsorgen ihren Ehemann und schätzen sich glücklich, dass er das Geld nach Hause bringt. Sogenannte Tradwives, Frauen, die nach traditionellen Rollenmustern leben, sind in sozialen Medien angesagt. Rechte Ideologien und Parteien wie die AfD nutzen den Trend – ob die Frauen wollen, oder nicht.
Ihr Haar ist engelsgleich gelockt, das Make-up makellos. Der Lipgloss auf ihren Lippen schimmert in einem intensiven Rosa. Sie trägt ein orangefarbenes Kleid im Stil der 50er-Jahre. Ein letzter Spritzer Parfüm, dann legt sie einen Perlenhaarreif an. Jetzt ist sie bereit für die Ankunft ihres Mannes.
"POV: Your Husband is on the way home." (dt.: "Dein Ehemann ist auf dem Weg nach Hause") – mit diesen Worten beginnt das Instagram-Video, in dem sich die junge Frau in Szene setzt.
Wer durch die Beiträge der Influencerin Estee Williams scrollt, bekommt schnell einen Eindruck ihres Lebensstils: Sie putzt sich heraus, kocht, backt und widmet sich scheinbar mühelos weiteren häuslichen Tätigkeiten. Dabei scheint sie nur eine Mission zu verfolgen: Die perfekte Ehefrau für ihren Mann zu sein.
Und mit dem Gedanken ist sie nicht allein. Was für einige befremdlich klingen mag, ist auf Instagram, Tiktok und Co. ein längst etabliertes Phänomen. Die Rede ist von den so genannten "Tradwives"– eine Wortneuschöpfung, die sich aus "traditional" (traditionell) und "wife" (Ehefrau) zusammensetzt. Es beschreibt Frauen, die sich bewusst für ein Leben in traditionellen Geschlechterrollen entscheiden.
Heißt: Sie sind für Haushalt, Kinderbetreuung und Pflege der Familie zuständig, während der Mann als Hauptverdiener für den Lebensunterhalt sorgt.
Mit inszenierter Nostalgie im Stil der 1950er Jahre präsentieren sie sich in den sozialen Medien - oft mit großem Zuspruch. So folgen Estee Williams mittlerweile 116.000 Menschen.
Und auch in Deutschland stößt der Lebensstil auf Resonanz: Laut der Shell Jugendstudie 2024 wünscht sich knapp die Hälfte der Jugendlichen (49 Prozent) zwischen 12 und 25 Jahren eine eher traditionelle Arbeitsteilung mit dem Mann als Allein- oder Hauptverdiener.
Warum eine traditionelle Lebensweise fasziniert
Die Kulturwissenschaftlerin und Genderforscherin Gabriele Dietze vom Institut für Ethnologie der Humboldt-Universität sagt: "Die Idee, den ganzen Tag zu Hause zu verbringen, Plätzchen zu backen, viel Zeit in das eigene Erscheinungsbild zu investieren, sich mit anderen Müttern auf dem Spielplatz auszutauschen und dabei finanziell gut abgesichert zu sein, erscheint vielen als äußerst entlastend."
Doch nicht nur Frauen finden diese Vorstellung ansprechend, wie Dietze sagt: "Es gibt Klagen von Männern, dass sie nicht mehr ernst genommen werden, und Ängste, von besser ausgebildeten Frauen überholt zu werden."
Die traditionelle Rollenverteilung stelle dagegen ihre Männlichkeit in den Vordergrund.
Ein Lebensstil wie gemacht für die AfD
Und findet sich - ganz nebenbei - in den politischen Forderungen rechtspopulistischer Parteien wie der AfD in Deutschland wieder. "Die Alternative für Deutschland bekennt sich zur traditionellen Familie als Leitbild", heißt es im Wahlprogramm der Partei. Das schließt nicht nur gleichgeschlechtliche Ehen kategorisch aus, sondern sieht auch eine gezielte Förderung höherer Geburtenraten vor.
So wirkt das Leben der Tradwife wie das fehlende Puzzleteil, das perfekt in das Gesellschaftsbild der AfD passt – und die Partei hat das natürlich längst erkannt. Schon vor Jahren sprang sie auf diesen Trend auf und veröffentlichte auf ihrem Instagram-Account "afd.sachsen" ein polarisierend gestaltetes Meme, das sie kurz darauf wieder löschte.
In diesem wurde die "traditionelle Frau" mit vermeintlich positiven Eigenschaften wie "gesundem Selbstbewusstsein" und "schlanker Figur durch Sport und gesunde Ernährung" der "modernen Feministin" gegenübergestellt. Letzterer wurden Klischees wie "kaputtes Haar durch zu viel Färben" und "häufig wechselnde Beziehungen" zugeschrieben.
Mit dem Meme glorifiziert die AfD die "traditionelle Frau" und setzt sie in ihren rechtspopulistischen Kontext. Eine Strategie, die viele Anhänger der Partei aufgreifen: Die deutsche Influencerin Candy Jacobs bezeichnet sich selbst als Tradwife und inszeniert sich entsprechend in den sozialen Medien. Auf ihrem Account "candy.afd" postet sie Bilder ihrer Hausfrauenarbeit, erklärt, dass "echte Frauen" "echte Männer" bräuchten, und beschreibt sich als heimatverbunden.
Doch Jacobs ist nicht nur streng konservativ, sondern auch Mitglied der "Jungen Alternative Thüringen". Sie nutzt ihre Reichweite, um öffentlich Wahlkampf für die AfD zu machen, teilt Beiträge, in denen sie mit AfD-Bannern und Deutschlandfahnen posiert, und erklärt ihren 3.600 Instagram-Followern, wie man in die Partei eintritt.
Jacobs gehört zum Netzwerk Lukreta - einer rechtsextremen Frauengruppe, die hinter einer Fassade aus hübschen Flechtfrisuren, Koch- und Backtipps immer wieder rechte Forderungen einstreut. Die Gründerin, Reinhild Boßdorf, stammt wie Jacobs aus der "Jungen Alternative" und pflegt damit klare Verbindungen zur AfD. Auch viele der 5.000 Instagram-Follower bekennen sich in ihren Profilen unmissverständlich zu der Partei.
"Überschneidungen zwischen dem Tradwife-Phänomen und der rechten Szene hat es schon immer gegeben", sagt Gender-Wissenschaftlerin Dietze. Seit die Tradwife-Bewegung in den 2010er Jahren in den USA entstanden ist, werde sie mit der "Alt-Right" in Verbindung gebracht – einer rechtspopulistischen Männerbewegung.
"Tradwives sind oft auch die Ehefrauen von Alt-Right-Männern", erklärt Dietze. Diese Tradwives würden häufig rechtspopulistische Propaganda verbreiten. Ein bekanntes Beispiel sei die Amerikanerin Ayla Stewart. Sie verbreitete Botschaften wie: Weiße Frauen hätten die Pflicht, weiße Kinder zur Welt zu bringen, um dem angeblichen "Verlust der weißen Bevölkerung" entgegenzuwirken.
Unpolitisch gemeint, politisch genutzt
Für viele Influencerinnen ist die Inszenierung als Tradwife jedoch weder ein Bekenntnis zur rechten Szene noch ein bewusstes politisches Statement. Vielmehr geht es ihnen um eine persönliche Entscheidung für einen bestimmten Lebensstil – wie auch die Australierin Laura Spencer bestätigt, die mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Sydney lebt.
Für sie habe der Tradwife-Lifestyle nichts mit rechtsextremen Ansichten zu tun, erklärt Spencer in einem ABC News-Interview. Es sei einfach ein Lebensstil, der sie glücklich mache: "Als ich noch arbeitete, war ich jedes Mal verärgert, wenn ich meinen Sohn in die Obhut eines anderen geben musste, selbst wenn es meine Familie war", sagt sie. Eine traditionelle Ehefrau zu sein und zu Hause zu bleiben, sei für sie Ausdruck ihrer Liebe zur Familie.
Auch Gabriele Dietze sagt, dass Tradwives nicht per se rechts oder politisch seien. Viele der Social-Media-Tradwives verfolgten vor allem kommerzielle Ziele und verdienen Geld mit ihren Inhalten. "Dennoch greifen das Tradwife-Phänomen und der Rechtspopulismus ineinander, auch wenn es ursprünglich nicht so gedacht ist", so Dietze.
Über die Gesprächspartnerin:
- Gabriele Dietze, geboren 1951 in Wiesbaden, ist Kulturwissenschaftlerin und Gender-Theoretikerin. Sie war an verschiedenen Universitäten als wissenschaftliche Mitarbeiterin, Privatdozentin und Gastprofessorin tätig. 2003 habilitierte sie sich an der Humboldt-Universität zu Berlin im Fach Amerikanistik. Seit 2010 ist sie Mitglied der Forschergruppe "Kulturen des Wahnsinns" am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität. Ihre Schwerpunkte sind Genderforschung sowie deutsche und amerikanische Literatur und Kultur.
Verwendete Quellen:
- Interview mit Gabriele Dietze
- shell.de: Die Shell Jugendstudie 2024
- abc.net: For some, being a tradwife is about more time with family. For others, it's a dangerous far-right ideology
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