Nach Einschätzung des britischen Verteidigungsministeriums hat die Flugabwehr Russlands weiterhin Schwachstellen. Bei Drohnenangriffen in Westrussland gab es unterdessen Tote und Verletzte. Russland sieht sich im Krieg in der Ukraine dennoch zurück in der Initiative.

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Das britische Verteidigungsministerium sieht weiterhin Schwachstellen bei der russischen Flugabwehr. Die Ukraine hatte vergangene Woche russische Ziele auf der annektierten Halbinsel Krim angegriffen und nach eigenen Angaben einen Kommandopunkt am Flughafen Saky zerstört. Moskau hatte dagegen angegeben, mehrere Marschflugkörper abgeschossen zu haben.

Diese Angriffe hätten höchstwahrscheinlich die russische Flugabwehr in der Region beeinträchtigt, wie die Briten am Dienstag mitteilten. Als Reaktion darauf habe Russland am Montag eine Reihe von Raketenangriffen auf die Ukraine verübt.

"Das zeigt einmal mehr, wie ineffektiv die russische Flugabwehr beim Schutz wichtiger Orte trotz besserer Vorbereitung ist", schrieb das Ministerium bei X. Das Ausmaß der russischen Reaktion sei wahrscheinlich ein Hinweis darauf, wie erfolgreich die Aktionen der ukrainischen Streitkräfte gewesen seien.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Kriegsbeginn regelmäßig Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London Desinformation vor.

Tote und Verletzte nach Drohnenangriffen in Westrussland

Bei Drohnenangriffen auf verschiedene strategische Ziele in Westrussland sind unterdessen nach Behördenangaben eine Frau getötet und drei weitere Menschen verletzt worden. In der Ortschaft Gornal sei eine Einwohnerin durch Splitterverletzungen nach einem Drohneneinschlag ums Leben gekommen, teilte der Gouverneur der Region Kursk, Roman Starowoit, am Dienstag auf seinem Telegram-Kanal mit. Ziel der Attacke war laut Medienberichten der militärisch genutzte Flughafen der Region. Im benachbarten Gebiet Orjol wurde eine Ölanlage getroffen. Moskau macht Kiew für die Angriffe verantwortlich.

Das russische Verteidigungsministerium meldete lediglich den angeblichen Abschuss von vier ukrainischen Drohnen über dem Gebiet Kursk und von zwei Drohnen über dem Gebiet Orjol. Kiews Versuch eines "Terroranschlags" auf russische Objekte sei vereitelt worden, heißt es da.

In der Darstellung anderer russischer Behörden liest sich das anders. So schrieb der Gouverneur von Orjol, Andrej Klytschkow, dass zwei Drohnen in einem Treibstofflager eingeschlagen seien. Dabei sei ein Feuer ausgebrochen. Dies habe zwar inzwischen lokalisiert werden können, drei Menschen seien jedoch verletzt worden. Eine weitere Drohne habe ein nicht für Wohnzwecke genutztes Gebäude getroffen.

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Kreml: Russische Armee tut alles für Ende der Angriffe auf Belgorod

Russland hat sich bemüht, im eigenen Land den Anschein von Normalität zu wahren, aber die kürzlichen Angriffe auf die ebenfalls in Westrussland gelegene Stadt Belgorod rücken den Ukraine-Konflikt näher an die russische Bevölkerung heran. Die russische Armee tut nach Kreml-Angaben alles, um den ukrainischen Beschuss der grenznahen Stadt zu stoppen. "Natürlich wird unser Militär weiterhin alles tun, um die Gefahr zunächst zu verringern und sie dann ganz zu beseitigen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag zu Reportern. Er warf der ukrainischen Armee vor, mit Waffen aus Lieferungen der europäischen Verbündeten zivile Ziele in der Stadt mit etwa 340.000 Bewohnern anzugreifen.

Im vergangenen Monat wurden bei Luftangriffen der ukrainischen Streitkräfte auf Belgorod 25 Menschen getötet. Etwa 300 Menschen wurden nach Angaben der regionalen Behörden zuletzt aus der Stadt evakuiert, auch wurde der Schulbeginn um zehn Tage auf den 19. Januar verschoben. Die Stadtverwaltung forderte die Bewohner Belgorods auf, ihre Fenster mit Klebeband zu sichern, damit diese nicht bei Angriffen zersplittern.

Mehrere ukrainische Angriffe in Belgorod abgewehrt

Der Gouverneur der Region Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, meldete am Dienstag, dass die russische Luftabwehr in der Stadt in der Nacht zehn Angriffe abgewehrt habe, mehrere Häuser seien beschädigt worden. Drei Menschen seien durch herabfallende Trümmer von abgeschossenen ukrainischen Waffen verletzt worden.

Obwohl die Frontlinie in der Ukraine seit Herbst 2022 weitgehend an derselben Stelle verharrt, versicherte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Dienstag, dass die Armee den ukrainischen Truppen schwere Verluste beibringe und sich in einer besseren Position als der Gegner befinde. Westliche Unterstützung für die Ukraine werde das Endergebnis nicht ändern, sondern lediglich die Kämpfe verlängern. Russland werde die Drohnenproduktion in diesem Jahr ankurbeln, sagte Schoigu überdies.

Russland sieht sich auf dem Schlachtfeld zurück in der Initiative

Seit dem Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive in diesem Jahr ist der Ton in Moskau deutlich optimistischer – trotz eigener schwerer Verluste in den Kämpfen.

Das russische Militär will im Jahr 2023 nach eigenen Angaben die Initiative auf dem Schlachtfeld in der Ukraine zurückerobert haben. "Im vergangenen Jahr haben die Verluste des Gegners 215.000 Soldaten und 28.000 Einheiten überschritten", sagte Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Entlang der gesamten Front habe sich Russland die strategische Initiative gesichert, fügte er hinzu. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Zahlen und Aussagen allerdings nicht.

Die ukrainische Führung wiederum beziffert die Gesamtverluste der russischen Armee nach fast zwei Jahren Krieg auf inzwischen mehr als 365.000. Offiziell macht keine der beiden Kriegsparteien Angaben zu den eigenen Verlusten. Die Zahlen zu den angeblichen Ausfällen der Gegenseite gelten beiderseits als überhöht.

Internationale Militärexperten: Hohe Verluste auf beiden Seiten

Der ukrainische Oppositionspolitiker Jurij Luzenko sprach zuletzt davon, dass Kiew monatlich sogar 30.000 Soldaten verloren haben könnte. Das wären 360.000 im Jahr. Die Schätzung basiert freilich nur auf einer Forderung des Militärs an Präsident Wolodymyr Selenskyj, eine weitere halbe Million Soldaten einzuberufen.

Von hohen Verlusten auf beiden Seiten sprechen internationale Militärexperten aber auch. Nach Einschätzung der USA vom vergangenen August hatte die Ukraine seit Kriegsbeginn rund 70.000 Tote und 100.000 bis 120.000 Verletzte zu beklagen. Die russischen Verluste wurden derweil auf 120.000 Tote und 170.000 bis 180.000 Verletzte taxiert. (dpa/AFP/tas)

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