• Nach nur vier Monaten wird der Chef der russischen Armee in der Ukraine abgelöst.
  • Nachfolger soll der Generalstabschef Waleri Gerassimow werden.
  • Dieser gilt als rechte Hand von Verteidigungsminister Sergei Schoigu.
Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"General Armageddon" hatte wohl nicht ausgereicht. Den Spitznamen hatten russische Medien Sergej Surowikin gegeben. Der Luftwaffen-General hatte im vergangenen Herbst das Amt als Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine übernommen. Seither wurden ukrainische Städte mit Drohnen- und Raketenangriffen überzogen.

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Die Strategie, die die russische Armee bereits ihrem Verständnis nach erfolgreich in Syrien angewendet hatte und Surowikin seinen Spitznamen beschert hatte, sollte auch in der Ukraine zum Sieg führen. Dutzende Zivilisten wurden seither getötet, die Strom- und Energieversorgung ziviler Einrichtungen unterbrochen. Den Sieg hat es nicht gebracht.

Nun zieht Russlands Präsident Wladimir Putin Konsequenzen. "General Armageddon" wird abgelöst und zwar von seinem Vorgesetzten. Generalstabschef Waleri Gerassimow soll von nun an die russischen Truppen in der Ukraine anführen. Surowikin wird Stellvertreter, ebenso wie General Oleg Saljukow und Generaloberst Alexej Kim.

Angeblich handelt es sich um eine Umstrukturierung, um die Befehlsstruktur zu optimieren. Die Degradierung des obersten Befehlshabers Surowikin ist dabei allerdings kaum zu übersehen. Im November hatte dieser den Rückzug aus der strategisch wichtigen Stadt Cherson im Süden der Ukraine vorgeschlagen. Nun muss er dafür die Verantwortung tragen.

Karriereoffizier Gerassimow

Sein Nachfolger ist kein Unbekannter. Waleri Gerassimow ist der amtierende Generalstabschef der russischen Armee und Surowikins Vorgesetzter. Er war der Kopf des Einsatzes in Syrien, mitverantwortlich für die Besetzung der Krim 2014. Nun hat er einen zusätzlichen Nebenjob als Befehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine. Sicher keine leichte Aufgabe.

Der Verschleiß an Führungspersonal innerhalb der russischen Invasionsarmee ist so immens wie die Verluste an Truppen. Seit Beginn des Krieges im vergangenen Februar kam es daher zu zahlreichen Umstrukturierungen. Gerassimows Vorgänger Surowikin war gerade einmal vier Monate im Amt, bis er am Mittwoch abgesetzt wurde.

Dabei kennt der neue Befehlshaber die Strukturen innerhalb der Führungsebene des Militärs gut, wahrscheinlich besser als den Krieg selbst. Statt mit Fronterfahrung zu glänzen, arbeitete sich Gerassimow nach seinem Studium an der Militärakademie in der Sowjetunion innerhalb der Verwaltung verschiedener Militärdistrikte nach oben. Erst war er im Baltikum, dann im Kaukasus.

Der hochdekorierte Offizier war im Gegensatz zu den meisten seiner untergebenen Generäle nie Kommandeur einer Kampfeinheit im Kriegseinsatz. Anders als viele seiner Altersgenossen leistete der 67-Jährige auch im fast zehn Jahre andauernden Krieg in Afghanistan keinen Dienst ab. Während des zweiten Tschetschenienkrieges war Gerassimow zwar im Einsatz, aber als Stabschef der dort stationierten 58. Armee und damit eher mit organisatorischen Aufgaben betraut.

Rechte Hand von Sergei Schoigu

Mitte der 2000er Jahre, bekam der Karriere-Offizier erst den Leningrad-Militärdistrikt zugesprochen, dann den Moskauer. Schließlich wurde er stellvertretender Generalstabschef. Ab 2009 war er für die Austragung der jährlichen Feierlichkeiten zum Kriegsende des Zweiten Weltkriegs auf dem Roten Platz verantwortlich. Ein ehrenvolles Amt, aber auch ein verwaltendes. Als es 2012 zu Korruptionsvorwürfen gegen den damaligen Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow kam, wurde Sergei Schoigu Verteidigungsminister und Gerassimow rutschte zum Generalstabschef der Armee auf.

Seither dient er als Schoigus Stellvertreter und dessen rechte Hand, was die Planung von Militäroperationen angeht. So sollen Schoigu und Gerassimow für die Professionalisierung der russischen Armee verantwortlich sein, die seit dem Ende der 2000er-Jahre vonstattengeht. Statt auf Wehrdienstleistende setzten die beiden auf den Einsatz von Zeitsoldaten und Söldner wie die Wagner-Truppe.

Auch die international viel beachteten Erfolge im Syrien-Krieg sollen auf das Konto von Gerassimow gehen, wie die US-amerikanische Denkfabrik "Jamestown Foundation" berichtet. Für die Organisation des Einsatzes soll Gerassimow den Titel "Held der russischen Föderation" verliehen bekommen haben.

Ob er auch in der Ukraine glänzen kann und mehr Erfolg als seine Vorgänger vorweisen kann, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Im Frühjahr wird wetterbedingt eine neue Offensive der russischen Armee erwartet.

Verwendete Quellen:

  • eng.mil.ru: Biografie von Waleri Gerassimow auf der englischsprachigen Seite des russischen Verteidigungsministeriums
  • bbc.com: Profile: Russia's new military chief Valery Gerasimov
  • jamestown.org: Bericht der Jamestown Foundation zu russischen Offizieren und Militärdoktrin
Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels wurde Sergei Schoigu im Vorspann als Außenminister Russlands bezeichnet. Dies ist falsch, Schoigu ist Verteidigungsminister Russlands.
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