• Für deutsche Schlachthöfe sollen künftig strengere Regeln gelten.
  • Darauf hat sich die Koalition geeinigt.
  • Allerdings soll es Ausnahmen geben.

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Ausbeutung und riskante Arbeitsbedingungen in deutschen Schlachthöfen sollen Anfang des neuen Jahres gesetzlich unterbunden werden. Der Einsatz von Subunternehmen mit osteuropäischen Arbeitnehmern zu Billiglöhnen wird verboten.

Weitreichende Ausnahmen von den neuen strengen Regeln soll es für mittelständische Wurst- und Fleischwarenhersteller geben. Darauf einigten sich Union und SPD nach langem Streit am Freitag in Berlin.

"Ausbeutung und kriminelle Machenschaften haben in Deutschland keinen Platz", sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). "Wir machen Schluss mit Arbeitszeitbetrug und Gammelunterkünften", betonte Heils Ministerium.

Neues Gesetz verbietet Werkverträge und Leiharbeit

Nach massenhaften Corona-Infektionen in der Fleischindustrie im Frühjahr hatte das Bundeskabinett das Arbeitsschutzkontrollgesetz von Heil gegen die Missstände beschlossen.

Die Union im Bundestag hatte dann Ausnahmen von den geplanten Verschärfungen verlangt. Ihr ging es nach eigenen Angaben vor allem um Leiharbeit für die erhöhte Wurstproduktion in der Grillsaison.

Das Gesetz verordnet der Branche ein Verbot von Werkverträgen ab 1. Januar und von Leiharbeit ab 1. April 2021. Der Einsatz von Fremdpersonal beim Schlachten und Zerlegen soll damit beendet werden.

Bisher waren die Arbeiter in Schlachthöfen laut Regierung bei bis zu 30 unterschiedlichen Werkvertragsunternehmen angestellt. Nach der Einigung soll das Gesetz im Dezember in Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden und Anfang 2021 in Kraft treten.

Ausnahmen werden auf drei Jahre befristet

Neu zwischen Union und SPD vereinbart wurde nun eine auf drei Jahre befristete Ausnahmeregelung: Auf Grundlage eines Tarifvertrags soll es möglich sein, Auftragsspitzen durch Leiharbeitnehmer aufzufangen - unter strengen Auflagen und nur in der Fleisch-Verarbeitung, nicht beim Schlachten und Zerlegen.

Als Bedingungen sind vorgesehen: Das Unternehmen ist tarifgebunden, für Leiharbeiter gelten die gleichen Arbeitsbedingungen und die Höchstüberlassungsdauer ist auf vier Monate begrenzt.

Eingeführt werden sollen einheitliche Kontrollstandards und höhere Bußgelder bei einer Verletzung des Arbeitsschutzes. Elektronische Aufzeichnung der Arbeitszeit soll in der Fleischindustrie zur Pflicht werden.

Bei Verstößen etwa gegen die Höchstarbeitszeiten drohen Bußgelder von bis zu 30.000 Euro. Die Unterbringung von Personal in Gemeinschaftsunterkünften soll verbessert werden. Die staatliche Arbeitsschutzaufsicht der Länder soll die Einhaltung des Arbeitsschutzes durch Betriebsbesichtigungen sicherstellen.

SPD-Fraktionsvize Katja Mast ist zufrieden: "Greifen entschlossen durch"

Einzelne Ausnahmen waren bereits in den ursprünglichen Plänen vorgesehen. Ausgenommen werden sollten etwa Fleischerhandwerksbetriebe mit bis zu 49 Mitarbeitern. Nun sollen Verkäuferinnen und Verkäufer dazukommen können und zusätzliche Filialen ermöglicht werden.

Die SPD-Fraktionsvize Katja Mast sagte: "Wir greifen entschlossen in den Fleischfabriken durch." NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte: "Der Kampf um das Ende der organisierten Verantwortungslosigkeit in der industriellen Schlachtung zeigt, wie wichtig es ist, dass es Menschen gibt, die ihren Finger in die Wunde legen und uns immer wieder zwingen, hinzuschauen."

Der CSU-Arbeitsmarktpolitiker Stephan Stracke forderte die Tarifvertragsparteien der Fleischwirtschaft auf, nun Tarifverträge zu vereinbaren.

Der Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten NGG, Guido Zeitler, zeigte sich bereit für entsprechende Tarifverhandlungen. Zugleich begrüßten NGG und der Deutsche Gewerkschaftsbund das Gesetzesvorhaben.

Die Linke-Politikerin Jutta Krellmann kritisierte: "Jetzt wird der Gewerkschaft NGG der Ball zugeworfen, Ausnahmen in der Fleischverarbeitung per Tarifvertrag zu regeln - das, was die Politik dank CDU/CSU nicht hinbekommen hat."

Die Grünen im Bundestag betonten: "Der jetzige Kompromiss ist gerade noch akzeptabel." Nun seien lückenlose Kontrollen wichtig. (dpa/ank)

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