Durch ihre Affäre mit Ex-Präsident Bill Clinton wurde sie über Nacht zur zentralen Figur einer Staatskrise. Die Medien stürzten sich auf ihre Geschichte. Dabei ging verloren, dass Lewinsky letztlich Opfer des öffentlichen Interesses wurde – und zur ersten Zielscheibe von Cybermobbing.

Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"Ich möchte Geschichte schreiben, so wie Britney, wie Lindsay, dabei umwerfend sein wie Monica Lewinsky", textet die US-amerikanische Sängerin Upsahl in ihrem 2022 erschienen Song "Monica Lewinsky". Als der Skandal um die namensgebende ehemalige Praktikantin im Weißen Haus publik wurde, war die Sängerin noch nicht einmal geboren.

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Trotzdem ist Lewinsky in der US-amerikanischen Popkultur präsent wie eh und je: Allein in den Veröffentlichungen US-amerikanischer Rapper der vergangenen 25 Jahre kommt ihr Name 125-mal vor. Selbst US-Superstar Beyoncé hat ihr in ihrem Song "Partition" von 2013 eine Zeile gewidmet. Sie hat es sich nicht ausgesucht, aber ja: Monica Lewinsky hat Geschichte geschrieben.

Der Skandal, der die USA erschütterte

25 Jahre ist es nun her, da geriet die Welt der US-Amerikaner aus den Angeln. Präsident Bill Clinton, der den Ruf hatte, ein ziemlicher Weiberheld zu sein, wurde beschuldigt, mit der Praktikantin Monica Lewinsky eine Affäre zu haben. Clinton, wohlwissend um die öffentliche Meinung im prüden Amerika, stritt alle Vorwürfe ab und erklärte im TV: "Ich habe keine sexuelle Beziehung zu dieser Frau gehabt."

Eine Behauptung, die schlichtweg falsch war, wie er später einräumen musste. Lewinsky hatte ihrer Kollegin Linda Tripp von ihrer Beziehung zum US-Präsidenten erzählt, die wiederum hatte die Aussagen illegal mitgeschnitten und dem Sonderermittler Kenneth Starr weitergeleitet, der bereits wegen anderer Vorwürfe gegen Clinton ermittelte. In die Ecke gedrängt und durch das FBI der Falschaussage bezichtigt, legte Lewinsky den Ermittlern ein blaues Kleid mit Sperma-Flecken vor. Der DNA-Test zeigte: Die Flecken stammten von Clinton.

Kollateralschaden Lewinsky

Clintons Falschaussage führte zum zweiten Amtsenthebungsverfahren der US-Geschichte – das letzte Mal war ein US-Präsident 130 Jahre zuvor angeklagt worden. Dass ein US-Präsident mal wegen Falschaussagen zu seinem Sexualleben vor ein Tribunal musste, ist heute, nach zwei Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump (unter anderem wegen Aufruf zur Stürmung des Kapitols in Washington), schwer nachzuvollziehen. Aber es waren andere Zeiten und andere Maßstäbe, die an das höchste Amt im Staat angelegt wurden.

In Vergessenheit geriet neben der ganzen Aufregung um den US-Präsidenten, dass die Berichterstattung auch noch eine andere Person betraf: Monica Lewinsky. Die damals 24-Jährige hatte sich nie ausgesucht, auf diese Art und Weise in die Öffentlichkeit gezogen zu werden; sie wurde plötzlich zur Zielscheibe für Hohn und Spott.

Zielscheibe der Latenight-Shows

Weltweit machte man sich über das scheinbar naive Blödchen lustig, das sich offenbar in den US-Präsidenten verliebt hatte und am Ende nicht viel mehr als Oralsex bekommen hatte. Der mächtigste Mann der Welt wurde in seiner übermächtigen Männlichkeit bestärkt, über Lewinsky wunderten sich hingegen manche Kommentatorinnen: Es sei merkwürdig, dass der US-Präsident ausgerechnet so eine vergleichsweise unscheinbare und wenig attraktive Frau ausgewählt hatte.

Moderatoren der zahlreichen US-amerikanischen Latenight-Talkshows zogen Lewinsky reihenweise durch den Kakao. Am schlimmsten: Latenight-Talker Jay Leno. Eine Auswertung des Center for Media and Public Affairs der George Mason University ergab, dass Lewinsky in den 22 Jahren, in denen Lenos Latenight-Show gesendet wurde, unter den Top-10-Zielen seiner Witze rangierte – noch vor Arnold Schwarzenegger oder Britney Spears. Als einzige Nicht-Prominente auf dieser Liste.

Das erste Opfer von Cyber-Mobbing

Zusätzlich zur Berichterstattung im Fernsehen und der Presse kam aber noch eine Erfindung, die das Leben in den kommenden Jahren grundlegend verändern sollte: das Internet. So war es die konservative Nachrichten-Webseite "Drudge Report", die den Skandal öffentlich machte. Traditionelle Printmedien hatten sich zuvor dagegen entschieden, über die Affäre zu berichten. Ohne das Internet wäre der Vorgang womöglich nie publik geworden und Lewinsky eine Praktikantin unter vielen geblieben.

"Dank des 'Drudge Report' war ich wahrscheinlich die erste Person, deren globale Erniedrigung durch das Internet befeuert wurde", schreibt Lewinsky in einem Beitrag für das US-Magazin "Vanity Fair" 2014. In den nachfolgenden Jahren habe sie versucht, eine Karriere im Modebereich zu starten, und verschiedene Medienprojekte verfolgt, aber der Schatten des Skandals habe sie weiterhin verfolgt.

Auch ein Studium der Psychologie an der angesehenen London School of Economics half ihr nicht bei der Jobsuche. Immer wieder wurde sie wegen angeblicher Gründe abgelehnt oder es war zu offensichtlich, dass sie ausschließlich wegen ihrem prominenten Namen als Aushängeschild der Firma arbeiten sollte, wie sie in "Vanity Fair" erklärt: "Mir wurde irgendwann klar: Eine traditionelle Anstellung würde keine Option für mich sein."

Aus dem Schatten des Skandals herausgetreten

Lewinsky entschloss sich also für einen anderen Weg, um mit ihrer Vergangenheit umzugehen. Anstatt das Opfer zu sein, über das sich die ganze Welt lustig macht, wollte sie mitbestimmen, wie die Geschichte – ihre Geschichte – erzählt wird: "Ich entschied mich schließlich, mich aus der Deckung zu wagen, um mir mein Narrativ zurückzuholen und meiner Vergangenheit einen Sinn zu geben", schreibt sie in "Vanity Fair".

Nach zehn Jahren, in denen sie zahlreiche hochdotierte Interviews abgelehnt hatte, geht Lewinsky seit 2014 mit ihrer Version der Geschichte an die Öffentlichkeit und engagiert sich als Aktivistin gegen Cyber-Mobbing.

Dabei will sie Opfern Mut machen, indem sie ihre eigene Geschichte erzählt. In einem weltweit beachteten Ted-Talk berichtete sie 2015 davon, wie sie selbst Suizid-Gedanken hatte, nachdem die Affäre publik geworden war und die Medien sich auf sie stürzten. Ihre Nachricht an alle Betroffenen: "Ihr könnt es überleben. Ich weiß, es ist schwer, aber ihr könnt darauf bestehen, eurer Geschichte ein anderes Ende zu geben."

Monica Lewinsky wird 50 Jahre alt

Gleichzeitig sorgt Lewinsky nun dafür, dass der Skandal, der sie vor 25 Jahren berühmt gemacht hat, in einer Weise erzählt wird, wie sie es für richtig hält. 2021 erschien die dritte Staffel der US-Serie "American Crime Story", an der sie als Co-Produzentin mitgewirkt hat. Darin wird der Skandal unter anderem aus Lewinskys Perspektive erzählt.

Trotz ihres neuen Umgangs mit der Öffentlichkeit: Die Medien sind Lewinsky nach wie vor nicht geheuer. Mit öffentlichen Auftritten geht sie eher sparsam um. 2019 wagte sie sich in John Olivers "Last Week Tonight"-Show, um über Mobbing zu sprechen – einer ihrer wenigen TV-Auftritte. Auch unserer Redaktion sagte das Management auf Anfrage ab: "Monica gibt zurzeit keine Interviews". So gesehen hat sich wenig geändert, nur das Alter: Am 23. Juli wird Monica Lewinsky 50 Jahre alt.

Verwendete Quellen:

  • Anfrage an das Management von Monica Lewinsky
  • vanityfair.com: Shame and Survival
  • vanityfair.com: Monica Lewinsky: Emerging from "the House of Gaslight" in the Age of #MeToo
  • vanityfair.com: Monica Lewinsky: 25 "Randoms" on the 25th Anniversary of the Bill Clinton Calamity
  • ted.com: Der Preis der Scham
  • today.com: Leno by the numbers: 22 years, 44,000 jokes, 4,607 aimed at Clinton
  • youtube.com: Last Week Tonight with John Oliver
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