Ein schrecklicher Fall nach dem anderen wird bekannt, seit NRW im Kampf gegen sexualisierte Gewalt an Kindern Tempo macht. Die Dimensionen sind erschreckend. Nun will auch Bundesjustizministerin Lambrecht Täter härter bestrafen.
Die Verbreitung von Kinderpornografie soll ein Verbrechen werden - mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr. Auch für sexualisierte Gewalt an Kindern plant Bundesjustizministerin
Die Debatte um härtere Strafen war durch den Missbrauchsfall in Münster mit mittlerweile 21 Verdächtigen neu angefacht worden. Lambrecht hatte solche Forderungen aus der Union zunächst zurückgewiesen und stattdessen eine bessere Ausstattung für Ermittler gefordert, ihren Kurs aber nach anhaltender Kritik geändert.
Die Vorschläge im Detail:
"Gewalt" statt "Missbrauch": Im Strafgesetzbuch soll künftig die Rede sein von "sexualisierter Gewalt gegen Kinder" statt von "sexuellem Missbrauch von Kindern". Zur Begründung heißt es im Konzept: "Die Wortwahl "Missbrauch" ist unangebracht, da sie suggeriert, es gebe auch einen legalen "Gebrauch" von Kindern. Wir wollen künftig klare Begriffe verwenden: Es geht um sexualisierte Gewalt, die sich gegen Kinder richtet."
Verbreitung und Besitz von Kinderpornografie sollen Straftaten werden, statt wie bislang nur Vergehen, was höhere Mindeststrafen mit sich bringt. Wer solche Bilder und Videos verbreitet, soll künftig ein bis zehn Jahre ins Gefängnis müssen, statt bislang drei Monate bis fünf Jahre. Wer solches Material besitzt, dem sollen künftig ein bis fünf Jahre Haft drohen, statt bisher eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Haft. Auf gewerbs- oder bandenmäßige Verbreitung sollen mindestens zwei Jahre im Gefängnis stehen. Bandenmäßig bedeutet, dass die Tat fortgesetzt und als Teil einer Gruppe geschieht.
Sexueller Missbrauch von Kindern soll zum Verbrechen hochgestuft werden, zudem soll der Strafrahmen von bisher sechs Monaten bis zehn Jahren Gefängnis auf ein bis fünfzehn Jahre steigen. Eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit oder gegen Auflagen wäre ausgeschlossen. Bei schwerer sexualisierter Gewalt sollen Beschuldigte auch dann in Untersuchungshaft genommen werden können, wenn keine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr vorliegt.
Sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt
Für einvernehmlichen Sex unter jungen Menschen im annähernd gleichen Alter plant Lambrecht eine Sonderregelung, die im Einzelfall einen Verzicht auf Strafverfolgung möglich machen soll. "Auf gleichrangige Interaktionen zwischen jungen Menschen, die Teil der sexuellen Entwicklung sind, soll nicht unverhältnismäßig reagiert werden", heißt es dazu im Konzept.
Wer Kinder anbietet für sexuelle Gewalttaten oder sich dazu verabredet, soll eine Freiheitsstrafe von nicht weniger als einem Jahr bekommen (bisher drei Monate bis fünf Jahre).
Auch für sexuellen Missbrauch ohne Körperkontakt - etwa sexuelle Handlungen vor einem Kind - sollen härtere Strafen drohen (statt Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren künftig sechs Monate bis zehn Jahren).
Auch wer nur vermeintlich einem Kind pornografische Bilder oder Filme zeigt, soll sich strafbar machen. Das soll Fälle abdecken, in denen der Empfänger am Handy oder Computer ein Erwachsener ist, der sich als Kind ausgibt, zum Beispiel ein Elternteil oder ein Ermittler.
Richter sollen besonders qualifiziert werden
Familienrichter sollen nach dem Willen Lambrechts künftig psychologische und pädagogische Grundkenntnisse haben oder sich entsprechend fortbilden. Richter und Staatsanwälte an Jugendgerichten sollen besonders qualifiziert werden für den Umgang mit Kindern, die als Zeugen befragt werden.
Lambrecht will sich zudem in den Ländern und innerhalb der Bundesregierung dafür einsetzen, dass Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden mehr Geld und Personal bekommen. Die Ministerin will auch dafür werben, dass unabhängige Beauftragte zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder ernannt werden.
Wie geht es weiter? Auf Grundlage des vorgestellten Konzepts wird Lambrechts Ministerium nun einen Gesetzentwurf ausarbeiten. Dieser muss vom Kabinett und dem Bundestag angenommen werden. Im Bundesrat steht das Thema an diesem Freitag ebenfalls auf der Tagesordnung: Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern bringen dort Vorschläge für härtere Strafen ein, Baden-Württemberg will die unbegrenzte Aufnahme von Sexualdelikten im Führungszeugnis erreichen.
NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) sprach mit Blick auf Gewalt gegen Kinder und deren Darstellung von einem "widerwärtigen Sumpf", der trockengelegt werden müsse. "Mit der Bundesratsinitiative möchten wir klarstellen, dass Straftaten, die den sexuellen Missbrauch von Kindern betreffen, dementsprechend immer als Verbrechen geahndet werden müssen. Es darf auch grundsätzlich keine Bewährungsstrafe geben, wenn sich jemand an der Vergewaltigung von Kindern beteiligt."
© dpa
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