Deutschland feiert den 70. Jahrestag des Grundgesetzes. Und die Bürger feiern mit. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Spitzen des Staates diskutieren im Schloss Bellevue mit ihnen bei Kaffee und Kuchen über den Zustand des Landes. Es wird eine Art Grundgesetz-Speeddating.
Zum 70. Jahrestag des Grundgesetzes hat Bundespräsident
"Im Grundgesetz steht nicht "Alles Gute kommt von oben", sondern da steht "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus"", sagte er am Donnerstag in Berlin. Zugleich forderte Steinmeier eine Versachlichung der öffentlichen politischen Debatte in Deutschland. "Bei aller Freiheit und selbst im Eifer des Streits muss etwas gewahrt bleiben, das sich vielleicht in zwei Begriffen zusammenfassen lässt – Anstand und Vernunft. Ohne Anstand und Vernunft gelingt keine demokratische Debatte."
Steinmeier lädt 200 Bürger zur Diskussion ein
Steinmeier hatte aus Anlass des Verfassungsgeburtstages 200 Bürger aus ganz Deutschland zur Kaffeetafel in den Park von Schloss Bellevue eingeladen. "Einen entspannten Nachmittag kann ich Ihnen nicht versprechen", sagte der Gastgeber zwar und spielte darauf an, dass ja ernsthaft über den Zustand der Republik diskutiert werden sollte. Aber die Szenerie wirkte dann doch wie eine entspannte Gartenparty.
Außer Steinmeier und seiner Frau Elke Büdenbender saßen die Spitzen des Staates mit an den Tischen: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesratspräsident Daniel Günther (alle CDU) und Verfassungsgerichts-Präsident Andreas Voßkuhle, dazu die zweite Reihe wie die Bundestags-Vizepräsidenten Thomas Oppermann (SPD), Wolfgang Kubicki (FDP) und Claudia Roth (Grüne).
Speeddating zum Grundgesetz
Moderiert wurden die Runden von Prominenten wie dem Regisseur Sönke Wortmann, dem Sänger Roland Kaiser, dem Blogger Sascha Lobo oder der Journalistin Sandra Maischberger. Damit möglichst viele Gäste in Kontakt mit den Spitzen der Verfassungsorgane kommen konnten, wechselten diese alle 20 Minuten die Tische - eine Art Speeddating zum Grundgesetz. Diskutiert wurde über ernste Themen wie die soziale Spaltung der Gesellschaft, das Gefälle zwischen Stadt und Land, die noch immer bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West oder Bildungsfragen.
Einen Akzent setzte Steinmeier mit seinem Plädoyer für "Anstand und Vernunft" in der politischen Debatte selbst: "Auch deshalb sind wir heute hier: Weil wir nicht wollen, dass Hass und Feindseligkeit wie Gift in unsere Debatten sickern", sagte er. "Weil wir nicht wollen, dass die Unterscheidung von Fakten und Lügen verloren geht. Weil wir nicht wollen, dass die Lautstärke von Diskussionen mit ihrer Dringlichkeit verwechselt wird." Das gelte im Internet ebenso wie auf Straßen und Plätzen. "Überlassen wir unsere Debatten doch nicht den Lautsprechern und politischen Randalinskis", forderte Steinmeier und bekam dafür Beifall von seinen Gästen.
"Ohnmacht ist Gift für die Demokratie"
Er appellierte an die Verantwortlichen in Politik und Medien, die Sorgen und Nöte der Menschen ernst zu nehmen und aufzugreifen, um diesen nicht ein Gefühl der Ohnmacht zu geben. "Ohnmacht ist Gift für die Demokratie", warnte Steinmeier. "Populisten machen sich solche Gefühle auf perfide Weise zunutze. Sie missbrauchen solche Gefühle und münzen berechtigte Sorgen um in blinde Wut."
Das Grundgesetz war am 23. Mai 1949 verkündet worden und anschließend für die Bundesrepublik in Kraft getreten. Im selben Jahr gab sich die DDR eine eigene Verfassung. Mit der Wiedervereinigung 1990 wurde das Grundgesetz die gesamtdeutsche Verfassung. © dpa
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