Im Netz heißt es, die Teilnahme mit steuerbefreitem Traktor an den aktuellen Demos sei ein Steuervergehen. Angeblich würden die Fahrzeuge zweckentfremdet. Das stimmt nicht.
Landwirtinnen und Landwirte demonstrieren im Januar mit Traktorkolonnen gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung. Die Protestaktionen richten sich gegen den neuen Haushaltsplan der Regierung, der unter anderem vorsieht, die Steuervergünstigung für Agrardiesel schrittweise abzuschaffen.
Im Netz wird nun behauptet, dass einige der Protestierenden sich der Steuerhinterziehung schuldig machen würden. Traktoren und Anhänger, die ein grünes Kennzeichen hätten und demnach wegen ihrer landwirtschaftlichen Nutzung von der Kfz-Steuer befreit seien, dürften gar nicht für die Demonstrationen verwendet werden.
"Wer damit zu 'ner Demo fährt, begeht faktisch Steuerhinterziehung durch Zweckentfremdung eines steuerlich speziell gestellten Fahrzeugs", heißt es beispielsweise in einem Beitrag auf X, der hunderte Male geteilt und kommentiert wurde.
Auch auf Facebook verbreitet sich die Behauptung. Dort heißt es, man solle die Kennzeichen von Demo-Traktoren mit grünen Nummernschildern an das Hauptzollamt melden. Als vermeintlichen Beleg enthält das Posting den Screenshot eines "Agrarheute"-Artikels aus 2021, der Einschränkungen für steuerbefreite Fahrzeuge auflistet. Doch der Beitrag interpretiert den Artikel falsch. Und auch sonst stimmt die Behauptung nicht.
Zoll: Teilnahme an Demos zu Agrarthemen ist zulässig
Von der Kfz-Steuer befreite Fahrzeuge erhalten in Deutschland abgesehen von einigen Ausnahmen kein Kennzeichen mit schwarzer Schrift, sondern eines mit grüner. Diese Befreiung kommt zum Beispiel für Traktoren, Sonderfahrzeuge und manche Anhänger infrage, solange diese ausschließlich für begünstigte Zwecke – etwa die landwirtschaftliche Nutzung – verwendet werden. Diese Steuerbegünstigung kann das zuständige Hauptzollamt genehmigen.
Florian Richter von der Pressestelle des Zolls schrieb CORRECTIV.Faktencheck auf Anfrage per E-Mail: "Eine Teilnahme an Protestaktionen bzw. Demonstrationen zu land- oder forstwirtschaftlichen Themen oder der Energiepolitik ist mit steuerbefreiten Fahrzeugen im Rahmen der steuerunschädlichen Verwendung des Paragraf 3 Nummer 7 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) zulässig." Dieser Paragraf regelt die Voraussetzungen zur Befreiung von der Kfz-Steuer. Darunter fällt etwa ein Traktor, der für land- oder forstwirtschaftliche Arbeiten im Einsatz ist. Ähnlich äußerte sich der Zoll am 8. Januar auf X.
Weitere News gibt's in unserem WhatsApp-Kanal. Klicken Sie auf "Abonnieren", um keine Updates zu verpassen.
Die Bäuerinnen und Bauern dürfen also auch mit den steuerbefreiten Fahrzeugen an Demonstrationen teilnehmen – solange es dabei um die Themen Land- oder Forstwirtschaft oder Energiepolitik geht. Andernfalls würde es sich tatsächlich um eine meldepflichtige "zweckfremde Verwendung" der Fahrzeuge handeln, wie sie Paragraf 5 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes beschreibt, so Richter. Zu so einem Fall kam es im Februar 2022: Ein Landwirt nahm mit seinem Traktor an einer Corona-Demo teil und wurde angezeigt, denn die Demonstration hatte laut Polizei keinen landwirtschaftlichen Zweck.
Verwendete Quellen
- Tagesschau: Bauernproteste sorgen bundesweit für Störungen
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Özdemir zur Einigung über Änderungen zur Aufstellung des Haushaltes 2024
- Agrarheute: Steuerfrei zum Traktor-Treff: Reicht hier das grüne Nummernschild?
- Zoll.online: Steuervergünstigungen in der Land- und Forstwirtschaft
- Bundesjustizministerium: KraftStG 2002, § 3 Ausnahmen von der Besteuerung
- Nordkurier: Traktorfahrer nach Corona-Demo zu Geldstrafe verurteilt
Über CORRECTIV
- CORRECTIV ist ein gemeinnütziges, unabhängiges und vielfach ausgezeichnetes Recherchezentrum. Die investigativen Journalisten recherchieren langfristig zu Missständen in der Gesellschaft, wie dem Cum-Ex-Steuerraub oder illegaler Parteifinanzierung.
- Eine eigene Faktencheck-Redaktion - CORRECTIV.Faktencheck - überprüft irreführende Behauptungen und Gerüchte in den sozialen Medien. Die Faktenchecker erklären, wie Falschmeldungen unsere Wahrnehmung beeinflussen und wie Sie sich vor gezielten Falschmeldungen schützen können.
- Immer freitags erhalten Sie die neuesten Faktenchecks zu Gerüchten im Netz direkt in Ihr Postfach: Abonnieren Sie hier den CORRECTIV Newsletter.
- Wenn Sie auf mögliche Falschmeldungen oder Gerüchte stoßen, können Sie diese CORRECTIV.Faktencheck zur Überprüfung schicken — entweder über den CrowdNewsroom oder über WhatsApp an die +49-151-17535184.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.