Der Mord im Berliner Tiergarten belastet das deutsch-russische Verhältnis. Nun gibt es neue Indizien, die eine Beteiligung Moskaus nahelegen: Demnach soll der russische Inlandsgeheimdienst FSB den Anschlag auf einen Georgier im vergangenen August geplant und organisiert haben.

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Beim spektakulären Mordanschlag auf den Georgier Selimchan Changoschwili im Berliner Tiergarten hat offenbar der russische Inlandsgeheimdienst FSB eine zentrale Rolle gespielt. Nach Recherchen des "Spiegel" sowie der Investigativ-Rechercheplattformen "Bellingcat" und "The Insider" habe der FSB die Tat im August vergangenen Jahres geplant und organisiert.

Demnach soll sich der mutmaßliche Attentäter Vadim K. für die Erschießung Changoschwilis mehrfach in FSB-Objekten, darunter in einem geheimen Trainingszentrum für Spezialkräfte, vorbereitet haben. An der Ausbildung von K. und die Ausstellung seiner falschen Ausweispapiere soll der FSB und eine Vereinigung ehemaliger FSB-Spezialkräfte beteiligt gewesen sein.

Die Indizien beruhen auf der Auswertung von Mobilfunkdaten. Laut "Spiegel" und seiner Kooperationspartner stand K. in den Monaten vor dem Mord regelmäßig in Kontakt mit mehreren Mitgliedern einer Organisation ehemaliger Spezialkräfte des FSB. Allein mit dem Vorsitzenden habe er mehr als 20 Mal gesprochen, in den Wochen vor der Tat besonders oft. Die möglichen Aufenthalte in den FSB-Liegenschaften ergeben sich demnach aus Funkzellendaten.

Experte: "Tat sehr unprofessionell, sehr grobschlächtig"

Bislang waren Experten und Beobachter eher davon ausgegangen, dass der russische Militärgeheimdienst GRU hinter der Tat steckt. "Wie beim Anschlag auf Sergei Skripal im Jahr 2018 war die Art und Weise der Tat sehr unprofessionell, sehr grobschlächtig", sagte Russland-Experte Stefan Meister im Dezember unserer Redaktion.

"GRU und der Inlandsgeheimdienst FSB funktionieren wie ein Staat im Staate, sie konkurrieren gleichzeitig um Aufmerksamkeit des Kremls miteinander", erklärte Meisner. In beiden Behörden würden kriminelle, informelle Strukturen existieren, die weder parlamentarisch noch öffentlich kontrolliert werden. "Und der Kreml toleriert das", betonte der Büroleiter Südkaukasus der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung.

Auch Generalbundesanwalt Peter Frank geht zumindest einem "Anfangsverdacht" von Staatsterrorismus nach. Die Bundesanwaltschaft hatte Anfang Dezember die Ermittlungen gegen K. an sich gezogen. Sie prüft seitdem den Verdacht, dass der 40-jährige Georgier im August in Berlin im Auftrag staatlicher Stellen Russlands oder Tschetscheniens erschossen wurde.

Ermittlungen belasten deutsch-russisches Verhältnis

Im Zuge ihrer Ermittlungen hatte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe erst am 11. Februar einen neuen Haftbefehl gegen den tatverdächtigen russischen Staatsangehörigen K. wegen dringenden Mordverdachts sowie Verstoßes gegen das Waffengesetz erwirkt. Der neue Haftbefehl gegen den in Untersuchungshaft sitzenden 54-Jährigen ersetzt den Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom August vergangenen Jahres. Laut "Spiegel" soll K. in den kommenden Wochen angeklagt werden.

Die Ermittlungen in dem Fall belasten das Verhältnis von Russland und Deutschland. Nach der Ausweisung zweier russischer Diplomaten aus Deutschland am 4. Dezember verwies Russland seinerseits zwei deutsche Diplomaten des Landes. (afp/mf)

Putin nennt in Berlin ermordeten Georgier einen "Banditen"

Der russische Präsident Wladimir Putin hat den in Berlin ermordeten Georgier als einen "Banditen" bezeichnet, der selbst viele Menschen auf dem Gewissen habe. Die Bundesanwaltschaft verdächtigt staatliche Stellen in Russland oder Tschetschenien, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. (Teaserbild: imago images/Russian Look) © ProSiebenSat.1
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