Egal ob er wiedergewählt wird oder nicht: Donald Trump hat die USA grundlegend verändert. Mit Nominierungen von konservativen Richtern an den Gerichten sichert er den Republikanern Einfluss weit über seine Amtszeit hinaus. Im Interview erklärt der USA-Experte Dr. Josef Braml, welche Interessengruppen bei Trumps Richternominierungen und dessen mögliche Wiederwahl eine wichtige Rolle spielen.

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Herr Braml, ob Donald Trump 2020 wiedergewählt wird, ist fraglich. Fest steht aber: Er hat das Land verändert. Welche Entscheidungen des US-Präsidenten werden die Zukunft der USA am nachhaltigsten verändern?

Braml: Trump hat bereits durch seine Richternominierungen auf allen drei Ebenen - der District Courts, Appellate Courts bis hinauf zum Supreme Court - das Land weit über seine zwei möglichen Amtszeiten hinaus verändert.

Wie genau will er für die Republikaner langfristig Einfluss sichern?

Zum einen hat Trump im Justizsystem Richter nach dem Gusto der Christlich-Rechten installiert. Christlich-Rechte sind politisch aktiv, insbesondere, seit der Supreme Court im Jahre 1973 das Abtreibungsurteil Roe vs. Wade gesprochen hat. Darin wurde ein Schwangerschaftsabbruch als Grundrecht beschlossen. Der Einfluss der Christlich-Rechten ist seitdem stetig gewachsen.

Von ihrem Segen hängt es heute ab, ob ein republikanischer Kandidat Präsident wird oder nicht. Trump hat ebenfalls einen Deal mit den Christlich-Rechten gemacht: Er versprach, nur von ihnen gebilligte Richter zu nominieren, wenn er Präsident werden würde.

Trump erhielt eine Liste von möglichen Kandidaten und versicherte, er würde nur Richter von dieser Liste nominieren. Der Deal hat sich für ihn ausgezahlt: Ohne die Unterstützung der Christlich-Rechten wäre Trump nicht gewählt worden und ohne ihre Hilfe wird er auch nicht wiedergewählt werden. Das ist die Hälfte der Miete für eine zweite Amtszeit im Weißen Haus.

Und die andere?

Die andere Hälfte sind Vermögende, die nicht wollen, dass der Staat ihre Geschäfte reguliert oder besteuert. Es geht beispielsweise um Staatskritische aus der Öl- und Gasindustrie, zu ihnen hat Trump einen guten Draht.

Dabei spielen auch Gerichte eine wichtige Rolle, denn Fragen zum Verhältnis Staat versus Markt werden häufig von der letzten Instanz - dem Supreme Court - entschieden. Diese zwei Faktoren - das Geld der Libertären und das Netzwerk der Christlich-Rechten - muss man im Auge behalten.

Neben den üppigen Wahlkampfspenden ist auch das Organisationsgeflecht der Christlich-Rechten hilfreich. Denn in Amerika gibt es keine gut organisierten Parteien nach unserem Verständnis. Doch es gibt Alternativstrukturen, und das sind genau diese Netzwerke, welche Trump bereits 2016 geholfen haben und es auch 2020 tun werden.

Warum konnte Trump überhaupt so viele vakante Plätze füllen?

Richter werden auf Lebenszeit ernannt. Wenn jemand aus gesundheitlichen Gründen zurücktritt oder stirbt, wird ein Platz frei, und der amtierende Präsident kann einen neuen Richter nominieren.

Doch die Republikaner haben Obamas Kandidaten fast ein Jahr lang blockiert; das war schon damals Wahlkampf. Die Republikaner wussten: Indem sie Obamas Kandidaten blockierten, blieb das Thema heiß und den Christlich-Rechten wurde klar, dass der künftige Präsident mindestens einen neuen Richter nominieren können würde. Trump hat ja nach Neil Gorsuch mit Brett Kavanaugh bereits einen zweiten nominiert. Beide sind ganz nach dem Gusto der Christlich-Rechten.

Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum Trumps christlich-rechte Wählerinnen seine frauenfeindlichen Äußerungen hingenommen haben - weil ihnen das Thema Abtreibung doch wichtiger war.

Als Trump ins Weiße Haus einzog, war die Verteilung im Ninth Circut des Court of Appeals so, dass die meisten Richter von demokratischen Präsidenten ernannt wurden. Diese überstimmten einige von seinen provokativsten Präsidentenverfügungen, etwa das Reiseverbot und die Finanzierung des Mauerbaus. Spielen Nominierungen auf den unteren Ebenen auch eine Rolle?

Ja, neben dem Supreme Court wurden auch bei den beiden unteren Ebenen viele Richter ausgetauscht. Auch hier haben Interessengruppen Einfluss genommen, an die Trump sozusagen den Auswahlprozess outgesourced hat.

Hat der Präsident durch die Nominierungen einen Machtzuwachs - gerade im Vergleich zum Parlament - zu verzeichnen?

Ja. Trump hat Richter wie Kavanaugh nominiert, die die Exekutivgewalt sehr weit auslegen. Zum Beispiel wäre Kavanaugh für Trump auch sehr hilfreich gewesen, wenn der Supreme Court darüber entscheiden hätte müssen, ob Sonderermittler Mueller oder der Kongress den Präsidenten zu einer eidesstattlichen Aussage bewegen können.

Eine erst kürzlich getroffene Entscheidung beantwortete die Frage, ob der Präsident Mittel, die der Kongress für das Verteidigungsministerium bewilligt hat, für den Mauerbau verwenden kann. Der Supreme Court hat dies nun gewährt und damit ein anderes Gericht überstimmt, welches das Vorhaben zunächst gestoppt hatte. Dies geschah mit den Stimmen der beiden von Trump zuvor nominierten Richter. Dadurch erhielt der Präsident Machtbefugnisse, die eigentlich dem Kongress vorbehalten sein sollten.

Hat der Umbau des Justizsystems auch Auswirkungen auf die Parteien?

Parteien wurden von den Gründervätern so angelegt, dass sie sehr schwach sind. Sie haben eigentlich nur eine Wahlfunktion. Selbst diese Minimalfunktion haben sie aber durch Urteile des Supreme Courts an vermögende Einzelpersonen und Interessensgruppen verloren.

Der Supreme Court hat wiederholt geurteilt, Wahlkampfspenden einzuschränken wäre ein Eingriff in die Meinungsfreiheit. Es ist ein großes Problem der amerikanischen Demokratie, dass so viel Geld - auch solches mit unklarer Herkunft - in die Wahlkämpfe fließt.

Die Parteien werden damit an den Rand gedrängt. Sie haben es nicht mehr in der Hand zu entscheiden, wer in ihrem Namen antritt. Trump ist das beste Beispiel dafür. Die Partei der Republikaner hätte ihn liebend gerne verhindert, aber sie hatte zum Schluss nur noch die Wahl zwischen Trump und dem ebenso von Milliardären finanzierten Ted Cruz. Seit seiner Wahl hat Trump die Partei nur gedemütigt und sie auf seine eigene Linie gebracht.

Die Richter, die Trump ernannt hat, sind in vielen Fragen sehr konservativ. Könnte das hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Landes zum Problem werden?

Nicht für diejenigen, die das Abtreibungsurteil kippen und einen regulierenden und besteuernden Staat verhindern wollen. Für alle anderen ist es natürlich ein Problem.

Der Supreme Court zählt neun Richter, fünf wurden von republikanischen Präsidenten ernannt, zwei davon von Donald Trump. Diese sind unter 60 Jahre alt, und Richter dienen auf Lebenszeit. Sind weitere Nominierungen in Sicht?

Ich weiß nicht, wie lange Ruth Bader Ginsburg ihr Richter-Amt noch ausführen wird. Sie wurde einst von Bill Clinton nominiert und ist gesundheitlich angeschlagen. Es könnte sein, dass noch vor den nächsten Präsidentschaftswahlen eine weitere Nominierung ansteht.

Haben die Demokraten irgendeine Möglichkeit zu reagieren?

Die Demokraten haben einen historischen Fehler gemacht, indem sie einen parlamentarischen Kontrollmechanismus geschliffen haben. Bei Personalnominierungen hat der Senat ein Mitspracherecht. Wenn ein Kandidat oft aus guten Gründen im Senat blockiert wird, sind 60 der 100 Stimmen nötig, um das Blockademanöver (Filibuster) abzuwenden.

Als seinerzeit Obama Schwierigkeiten hatte, Minister und weiteres Personal für die Exekutive zu nominieren, haben die Demokraten mit einfacher Mehrheit von 51 Stimmen diese Blockade- und damit Kontrollmöglichkeit aufgehoben, um ihre Personalnominierungen durchzudrücken.

Dabei haben sie jedoch nicht bedacht, dass sie auch einmal wieder in der Minderheit sein könnten und dann diese Kontrollmöglichkeit gebrauchen könnten. Die Republikaner haben es den Demokraten gleichgetan und nunmehr auch die Blockademöglichkeit für Supreme-Court-Nominierungen aufgehoben. Trumps umstrittener Richterkandidat Kavanaugh hätte verhindert werden können, wenn die Demokraten damals nicht so kurzsichtig gewesen wären.

Welche internationalen Auswirkungen könnte Trumps Vermächtnis im Justizsystem haben?

Zunächst: Der Kongress ist seit Längerem im Schlafmodus, wenn es darum geht, den Präsidenten zu kontrollieren. Das ist umso bedenklicher, weil nun auch die Gerichte den Präsidenten immer mehr gewähren lassen. Wenn Gefahr in Verzug ist, hat der US-Präsident ohnehin freie Hand. Wenn die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze, wusste schon Cicero.

Bei einer Unsicherheitslage tun sich auch US-Abgeordnete und Senatoren schwer damit, dem Präsidenten und Oberbefehlshaber in die Hand zu greifen. Und auch die Gerichte halten sich zurück. Der weiterhin geltende "global war on terror" (zu Deutsch "Weltweiter Krieg gegen den Terrorismus"), die angespannte Lage zwischen den USA und China und dem Iran verheißen auch nichts Gutes für die Gewaltenkontrolle, die sogenannten checks and balances in den USA.

Der Politikwissenschaftler Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches "Trumps Amerika - Auf Kosten der Freiheit". Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog "usaexperte.com".
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