- Nach drei Tagen und neun Wahldurchgängen steht immer noch kein Vorsitzender des US-Repräsentantenhauses fest.
- Dem Republikaner Kevin McCarthy wurde erneut die Gefolgschaft verwehrt.
- Seit 1859/60 gab es so etwas nicht mehr.
Neuer Rekord im Machtkampf im US-Kongress: Seit dem 19. Jahrhundert haben die Abgeordneten im Repräsentantenhaus nicht mehr so viele Anläufe gebraucht, um einen neuen Vorsitzenden zu wählen. Der Republikaner Kevin McCarthy bekam am Donnerstag auch im neunten Wahlgang nicht die notwendige Mehrheit, um sich den Spitzenjob der Parlamentskammer zu sichern. Damit ist mindestens ein weiterer Anlauf notwendig. So viele Wahlgänge gab es seit 1859/1860 nicht mehr. Der Republikaner William Pennington wurde damals erst im 44. Wahlgang zum Vorsitzenden gewählt. Das Prozedere dauerte mehrere Wochen.
Der aktuelle Machtkampf hatte bereits zuvor eine historische Dimension. Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass es überhaupt mehrere Anläufe braucht, um den Chefposten zu besetzen. 1923 waren neun Wahlgänge nötig, um einen Vorsitzenden zu bestimmen. Auch damals dauerte das Ganze mehrere Tage. Am längsten dauerte es 1855/56 - damals brauchte die Parlamentskammer zwei Monate für die Wahl und 133 Wahlgänge.
McCarthy konnte am Donnerstag trotz weiterer Zugeständnisse seine Gegnerinnen und Gegner in der Partei nicht hinter sich vereinen. Er schaffte es nicht, weitere Republikaner auf seine Seite zu ziehen - 20 Abgeordnete stimmten für andere Kandidaten, eine Parlamentarierin enthielt sich.
Zuvor hatte es hinter den Kulissen intensive Verhandlungen gegeben - ganz offenbar ohne Erfolg. McCarthy schnitt nicht besser ab als in den vorherigen Durchläufen. Gegen ihn stellen sich vor allem glühende Anhänger des ehemaligen Präsidenten
Kevin McCarthy war Gegnern entgegengekommen - ohne Erfolg
Berichten zufolge war McCarthy seinen Parteigegnern vor der Abstimmung einen großen Schritt entgegenkommen, um sich deren Stimmen zu sichern und die Blockade zu durchbrechen. Der 57-Jährige soll sogar eingewilligt haben, die Hürden für die Abberufung eines Vorsitzenden im Repräsentantenhaus noch weiter zu senken. Damit bietet er seinen Gegnern ein Druckmittel, ihn nach Belieben wieder aus dem Amt zu jagen. Dies könnte schwerwiegende Folgen haben und zu noch mehr Instabilität führen, wenn im Kongress wichtige Entscheidungen anstehen. Die Rechtsaußen-Abgeordneten könnten die Kammer in Geiselhaft nehmen. McCarthy war den Abtrünnigen in diesem Punkt bereits zuvor weit entgegengekommen - allerdings ohne Erfolg.
19 Stimmen gegen McCarthy - ein Abgeordneter stimmte für Trump
Er zeige nun ein neues Niveau an "Verzweiflung", urteilte der Sender CNN. McCarthy war am Dienstag und Mittwoch in sechs Wahlgängen durchgefallen und wurde blamiert. Die Demütigung setzte sich jetzt am Donnerstag fort. Einer seiner Widersacher stimmte sogar für Ex-Präsident Trump während der mündlichen Abstimmung. Bei der Abstimmung können die Abgeordneten auch für Personen stimmen, die gar nicht Mitglieder des US-Kongresses sind. Trump werden keine realistischen Chancen eingeräumt, zum Vorsitzenden der Parlamentskammer gewählt zu werden.
Da die Republikaner in der Parlamentskammer nur eine knappe Mehrheit haben, ist McCarthy fast auf jede Stimme in seiner Partei angewiesen, um zum Vorsitzenden gewählt zu werden. Wenn McCarthy sich nicht mit den Gegnern in seiner Partei einigen kann, könnte er womöglich versuchen, mit den Demokraten Verhandlungen aufzunehmen. Diese könnten ihm etwa durch Enthaltungen in ihren Reihen zu einem Wahlsieg verhelfen, weil das die Zahl der nötigen Stimmen senken würde.
Möglich wäre auch, dass ein neuer Kandidat aufgestellt wird, auf den sich die Republikaner verständigen könnten. Denkbar wären aber auch Gespräche mit den Demokraten über einen Konsenskandidaten, den auch sie mittragen würden.
Demokraten legen McCarthy ebenso Steine in den Weg
Dass die Demokraten aktuell aber große Freude daran zu haben scheinen, McCarthy scheitern zu sehen, zeigte sich am Mittwochabend (Ortszeit). Die Abgeordneten waren nach einer Pause zu einer erneuten Sitzung zusammengekommen. McCarthy hatte zuvor gesagt, dass eine weitere Abstimmung am Abend keinen Erfolg bringen würde - einer seiner Vertrauten beantragte folglich eine Vertagung der Sitzung. Allerdings stemmten sich die Demokraten gegen das Vorhaben. Erst im letzten Moment wurde der Antrag mit einer hauchdünnen Mehrheit der Republikaner angenommen.
Trotz Rückendeckung von Trump: Kein Stimmenfang
Ein Appell von Ex-Präsident Trump hatte an der verfahrenen Situation ebenso wenig etwas geändert. Dieser hatte McCarthy bereits zuvor unterstützt - und ihm aber nach dem Abstimmungsdebakel noch einmal Rückendeckung gegeben. Doch die glühenden Trump-Fans blockierten McCarthy weiter. Für McCarthy sind die Niederlagen in Serie eine historische Schlappe und eine öffentliche Bloßstellung. Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass bei der Wahl mehr als ein Anlauf nötig ist und eine Fraktion ihren Kandidaten nicht im ersten Durchgang ins Amt wählt.
Der Machtkampf zeigt auch die Zerrissenheit der Republikaner. Sie hatten bei den Zwischenwahlen im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückerobert und wollten eigentlich
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