Am 5. November wählen die USA eine neue Präsidentin oder Präsidenten. Ein riesiges Land entscheidet über sein nächstes Staatsoberhaupt – und dennoch werden nur ein paar Bundesstaaten das Zünglein an der Waage sein. So wie Pennsylvania, einer der "Battleground States" (zu Deutsch in etwa "Umkämpfte Staaten"). Doch was bewegt die Wählerinnen und Wähler in Pennsylvania?

Eine Reportage
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Eindrücke und Einschätzungen von Lukas Hermsmeier. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"Am Anfang hatte ich Trump in Erwähnung gezogen", sagt Marty und kneift dabei seine Lippen zusammen. "Ich dachte, er würde die Politik aufmischen, als Außenseiter."

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Marty (67) hat sich schon bei der Wahl 2016 gegen Donald Trump ausgesprochen und ist sich sicher, er wird im November nicht für Trump stimmen.

Marty spricht über das Jahr 2016, als Trump zum ersten Mal als Präsidentschaftskandidat antrat, damals gegen Hillary Clinton. Im Laufe des Wahlkampfes sei ihm dann aber klar geworden, was für ein Typ Trump sei: "Egoistisch und unredlich", wie Marty sagt. "Trump will ein Diktator sein."

Über Pittsburgh, der zweitgrößten Stadt im Bundesstaat Pennsylvania, scheint die Sonne an diesem Nachmittag im Oktober. Traumhaftes Herbstwetter. Marty, 67 Jahre alt, ein Mann mit rot-kariertem Hemd und langem weißem Rauschebart, sitzt auf einem Plastikstuhl vor seinem Haus. Vor ihm sind Tische aufgebaut, auf denen gebrauchte Werkzeuge und Krimskrams liegen, die er versucht zu verkaufen.

Nach Jahrzehnten als "Stage Hand", wie Aufbauhelfer für Veranstaltungen genannt werden, reiche seine Rente alleine nicht aus. Marty sieht die strukturellen Probleme. "Die Wirtschaft funktioniert in diesem Land einfach nicht", sagt er und nimmt einen Schluck aus seiner Wasserflasche. "Unser Reichtum ist nicht gerecht verteilt."

Frust über Wahlkampf: "Kann‘s nicht erwarten, dass er bald vorbei ist"

Der Bundesstaat Pennsylvania, in dem Marty lebt, zählt zu den sogenannten "Battleground States" bei der US-Präsidentschaftswahl am 5. November. Das sind diejenigen Bundesstaaten, die offen im Ausgang sind und zugleich entsprechend ihrer Bevölkerungsgröße großes Gewicht haben. Neben Pennsylvania sind es in diesem Jahr Nevada, Arizona, Georgia, North Carolina, Michigan und Wisconsin. Mit 19 Wahlleuten ist Pennsylvania der größte der "Battleground States".

2016 gewann Trump den Bundesstaat mit weniger als einem Prozent Vorsprung. Sein Erfolg beruhte vor allem darauf, dass er der von Deindustrialisierung geplagten Arbeiterklasse Sündenböcke präsentierte, nämlich Immigranten und die Washington-Elite. Die demokratische Kandidatin Clinton wiederum verkörperte mit ihrem Programm und Habitus für viele eben genau jene Elite. 2020 konnte Joe Biden Pennsylvania für die Demokraten zurückgewinnen. Sein Vorsprung lag ebenfalls unter einem Prozent.

In aktuellen Umfragen liegt die diesjährige Kandidatin der Demokraten, Kamala Harris, knapp vor Trump. Marty zählt zu denen, die Harris wählen werden. "Sie ist die beste Alternative seit Obama", sagt er, allerdings in zurückhaltendem Ton. Man merkt, dass Marty grundsätzlich von der Politik enttäuscht ist. Zu elitär, zu viel Theater, wie er es beschreibt. "Ich kann‘s nicht erwarten, dass der Wahlkampf bald vorbei ist."

Pro Choice und pro Trump

Elaine Foust wirkt aufgekratzt. Die 71-Jährige spricht schnell und viel, reißt die Augen auf, wenn ihr etwas wichtig ist, etwa als es um die Grenze zu Mexiko geht, "ein gigantisches Problem", wie sie sagt. Auf ihrem türkisen T-Shirt steht "Women for Trump". Ihre rosa Cap hat die gleiche Aufschrift.

Foust lebt in der Stadt York, südöstliches Pennsylvania. 45.000 Einwohner, ein großer Teil davon Hispanics. An diesem Tag ist der demokratische Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz zu Gast, er hält im Expo Center eine Rede. Weil Pennsylvania so wichtig für die ganze Wahl ist, sind die Spitzenkandidaten beider Parteien derzeit fast wöchentlich vor Ort. Hunderte Wahlkampfhelfer ziehen von Haustür zu Haustür, um zu mobilisieren.

Foust gehört zu einer kleinen Gruppe von Trump-Wählerinnen und -Wählern, die sich in der Nähe des Einganges versammelt haben. Sie wollen "Gesicht zeigen", wie sie erklärt. Wobei Foust die Einzige ist, die mit der Presse redet. Die anderen winken ab.

Fox-News-Verschwörungen

Lange Zeit sei sie eine Nicht-Wählerin gewesen, erzählt Foust. Trump aber habe sie sofort überzeugt, als ein "Geschäftsmann", der für die "amerikanischen Werte" stehe. Auf die Frage, welche Werte ihr besonders wichtig seien, antwortet sie "Freiheit" und sagt dann, dass sie "pro choice" sei, also für das Recht auf Abtreibungen. Dass Trump und die Republikaner dieses Recht massiv bekämpfen, sieht sie nicht als Widerspruch. "Sie wollen doch nur, dass die Bundesstaaten darüber alleine entscheiden können."

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Für Elaine Foust (71) aus Pennsylvania steht fest, bei den Präsidentschaftswahlen am 5. November dieses Jahres wird sie Donald Trump wählen. © Lukas Hermsmeier

An der Demokratischen Partei hingegen störe sie viel. Sie spricht von Dragqueens, "die in Schulen die Kinder indoktrinieren", und das angeblich auf Anweisung der Demokraten. Sie sagt, dass Kamala Harris "kriminelle Demonstranten" aus dem Gefängnis gekauft habe. Es sind genau die rechten Verschwörungen, die Fox News jeden Abend sendet, ihr Lieblingssender.

An keiner Stelle des Gespräches ist die dreifache Mutter so emotional wie beim Thema Inflation. "Mein Leben unter Trump war besser", sagt sie. "Ich musste unter Biden zum ersten Mal Essensmarken beantragen." Das habe was mit ihrem Stolz gemacht. Inflation gehört zu den absoluten Hauptsorgen der amerikanischen Bevölkerung. Und viele geben der demokratischen Regierung die Schuld dafür.

Unentschlossen wegen Gaza

Während die allermeisten Amerikaner so wie Elaine Foust ihre Entscheidung längst getroffen haben, sind sechs Prozent der registrierten Wähler laut aktueller Umfragen immer noch unentschlossen. Für Republikaner und Demokraten wird es entscheidend sein, in dieser Bevölkerungsgruppe zu punkten.

Kirsten R. ist eine von ihnen. Die 42-Jährige lebt in Pittsburgh, arbeitet als Buchhalterin. Ihre Unentschlossenheit begründet sie damit, dass sie gegen den israelischen Krieg in Gaza ist, der von der demokratisch geführten US-Regierung ermöglicht wird. "Ich möchte die Demokraten nicht für ihre tödliche Politik belohnen." Sie wirkt nicht glücklich, als sie erzählt, dass sie deshalb zwischen Harris und einer linken Kleinpartei schwanke.

Mit dem Frust über das Verhalten der Regierung ist sie alles andere als alleine. Laut verschiedener Studien ist die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung längst für einen Waffenstopp an Israel.

Auf die Frage, was ihrer Beobachtung nach die größten Sorgen der Menschen in Pittsburgh seien, nennt sie gestiegene Mieten und Lebenskosten, das Gesundheitssystem und den Klimawandel. Keine der beiden großen Parteien biete wirkliche Lösungen für diese Probleme an, so R. In ihrem direkten Umfeld sei jedoch kein anderes Thema so dominant wie der Krieg in Gaza.

Radikal und unversöhnlich: Trump will zurück an die Macht

Wer gedacht hatte, dass sich Donald Trump bei seiner dritten Präsidentschaftskandidatur gemäßigt geben würde, hat sich getäuscht. Der Republikaner beleidigt weiter seine Konkurrenten, zieht über Migranten her und preist Autokraten in aller Welt. Dennoch hat er gute Chancen, erneut zum US-Präsidenten gewählt zu werden.
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