Das traditionelle Camp der vereinslosen Profis ist gestartet. Wir haben mit VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky über den typischen Camp-Profi, die heutige Spieler-Generation und die fehlende Eigenverantwortung vieler Profis gesprochen.
In dieser Woche ist in Duisburg das Trainingscamp der Spielergewerkschaft VDV gestartet. Kult-Coach Peter Neururer bereitet mit Co-Trainer Karsten Hutwelker und Torwarttrainer Thorsten Albustin vereinslose Profis vier Wochen lang darauf vor, wieder einen Job zu finden.
Zum Kader gehören viele junge Spieler, aber auch einige Routiniers, darunter unter anderem Yannik Möker, Franz Langhoff, Nestor Djengoue oder auch José Matuwila.
VDV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky hat im Interview mit unserer Redaktion über die Veränderungen seit der ersten Auflage 2003, das Profil des typischen Camp-Profis, die heutige Spieler-Generation und die fehlende Eigenverantwortung vieler Profis gesprochen.
Herr Baranowsky, das Trainingscamp ist wieder gestartet. Wie ist die Stimmung zum Auftakt eines Camps für vertragslose Profis?
Ulf Baranowsky: Sehr gut! Die Spieler sind hochmotiviert und haben bereits bei der Leistungsdiagnostik eindrucksvoll gezeigt, was sie draufhaben. Wir dürfen zuversichtlich sein, dass auch in diesem Jahr wieder viele Teilnehmer neue Jobs finden werden.
Es ist bereits die 21. Auflage des Camps. Was wird den Profis konkret geboten?
Die Spieler haben bei uns die Chance, sich vier Wochen lang im Mannschaftstraining fit zu halten und sich in Testspielen für neue Aufgaben zu empfehlen. Die Bedingungen sind hochprofessionell.
Peter Neururer ist zum sechsten Mal der Cheftrainer. Warum hat er Lust darauf, was zeichnet ihn in dieser Rolle aus und was kann er den Spielern mitgeben?
Peter ist einer der besten und erfahrensten Trainer in Deutschland. Wir sind sehr froh, dass er mit seinem Trainerteam die Spieler zielgenau auf die neue Saison vorbereitet. Genauso wie Peter haben auch die früheren Camptrainer – darunter Wolfgang Rolff, "Katze" Zumdick, Steffen Baumgart oder auch Christian Wück – immer sehr großes Engagement gezeigt, um die Spieler zurück auf die Profibühne zu bringen.
Seit 2003 wird das Camp ausgetragen. Was hat sich in all den Jahren verändert?
Die Grundidee des VDV-Proficamps ist über alle Jahre gleich geblieben: Mannschaftstraining und Testspiele als Jobsprungbrett. Verändert haben sich allerdings die Rahmenbedingungen. Während es am Anfang nur einen einzelnen Trainer gab, kümmert sich jetzt ein ganzes Trainerteam um die Spieler. Zudem führen wir heute eine sportmedizinische Leistungsdiagnostik auf Spitzenniveau durch und setzen innovative Trainingsgeräte wie "Speedlap" und "Soccerbot360" ein. Ebenso haben wir die Betreuung abseits des Platzes weiter professionalisiert. Dort helfen unsere Experten beispielsweise bei arbeitsrechtlichen und sportpsychologischen Fragen sowie bei der Vorbereitung auf die nachfußballerische Berufslaufbahn.
Baranowsky: "Wir sehen in den letzten Jahren einen Trend zur Verjüngung"
Was ist mit den Spielern? Wie ist die heutige Generation im Vergleich zur früheren?
Früher hatten viele Spieler vor ihrer Karriere bereits einen Beruf gelernt. Heute ist es eher die Regel, dass die Spieler bereits im Schüleralter ihre ersten Förderverträge unterschreiben. Wir warnen allerdings davor, in jungen Jahren alles auf die Fußball-Karte zu setzen und die Schule zu vernachlässigen, denn nur ganz wenigen Talenten gelingt tatsächlich der Sprung in den lukrativen Profibereich.
Wie sieht denn heute der "typische" Camp-Profi aus?
Während früher eher ältere Profis teilgenommen haben, sehen wir in den letzten Jahren einen Trend zur Verjüngung. Dies hängt auch mit der sogenannten U23-Regel zur Nachwuchsförderung zusammen. Diese Altersregelung soll jungen Spielern den Sprung in den Profibereich erleichtern. Sie hat aber auch zur Folge, dass viele Spieler, die diese Altersgrenze überschreiten, bei den Profiklubs aussortiert werden.
Früher gab es auch echte "Promi"-Spieler. Warum hat sich das Profil der Camp-Spieler in den vergangenen Jahren verschoben?
In der Tat haben in der Vergangenheit auch deutsche A-Nationalspieler wie Christian Rahn oder Lukas Sinkiewicz erfolgreich an unserem VDV-Proficamp teilgenommen. Infolge der enormen Kommerzialisierung des Profifußballs in den letzten Jahren haben sich die Rahmenbedingungen und die Denkweisen allerdings erheblich verändert. Gestandene Top-Spieler mit gut gefüllten Konten beenden heute eher ihre Karriere, als noch einmal um einen neuen Vertrag zu kämpfen.
Wie sieht es denn mit der Stimmung aus, wenn während des Camps keine Angebote eintrudeln. Besteht die Gefahr eines Lagerkollers?
Diese Gefahr besteht eher, wenn ein Trainingscamp über mehrere Monate läuft. Darum fokussieren wir uns auf vier intensive und abwechslungsreiche Wochen. Wir setzen ganz bewusst einen zeitlichen Schlusspunkt, damit jeder eine Ziellinie klar vor Augen hat, auf die er hinarbeiten kann. Einige Spieler werden mit hoher Wahrscheinlichkeit schon vor dem Ende unseres diesjährigen Camps einen neuen Klub finden.
Rund 80 Prozent, so heißt es, können in der Regel vermittelt werden. Was passiert mit den anderen 20 Prozent?
Da eine Fußballerkarriere immer zeitlich begrenzt ist, gilt es, sich möglichst schon am Karrierebeginn auf die nachfußballerische Berufslaufbahn vorzubereiten, um den Übergang möglichst harmonisch gestalten zu können. Unsere VDV-Bildungspartner bieten dazu flexible Fernstudiengänge an. Wer am Karriereende noch nicht über abrufbare berufliche Qualifikationen verfügt, kann unsere Hilfe in Anspruch nehmen. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht sogar die Möglichkeit, Fördermittel für eine berufliche Qualifizierung zu erhalten.
Viele Fans sehen oft nur die ersten beiden Ligen, die Profis, die Top-Gehälter. Wie sieht es denn in den unteren Ligen aus, wo ja auch Profis beziehungsweise Halb-Profis unterwegs sind?
Von Spitzengehältern können Profis aus der 3. Liga und den Regionalligen leider nur träumen. Umso wichtiger ist es, gerade für diese Spieler umfassende Serviceleistungen wie das VDV-Proficamp bereitzuhalten. Es ist ein schönes Zeichen der Solidarität, dass Top-Spieler als VDV-Mitglieder unser Camp ebenso unterstützen wie die DFL als Dachorganisation der Profiklubs.
Der Kopf spielt ja eine immer wichtigere Rolle im Fußball, eine vertragslose Situation kann belasten. Wie sehr nehmen die Fußballer das Angebot der sportpsychologischen Hilfe in Anspruch und wie hat sich der Zugriff darauf verändert?
Glücklicherweise hat sich die gesellschaftliche Sichtweise in den letzten Jahren verändert. Früher war es für Sportler schwerer, offen über psychische Probleme zu sprechen. Auch aufgrund des Drucks der VDV sind die Nachwuchsleistungszentren der Klubs heute verpflichtet, eine sportpsychologische Betreuung anzubieten. Darüber hinaus gibt es mit "Mental gestärkt" an der Deutschen Sporthochschule Köln eine sportpsychologische Anlaufstelle für Sportler, die insbesondere von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, der Robert-Enke-Stiftung und der VDV als Spielergewerkschaft finanziert wird.
Sie bekommen das ja hautnah mit: Wie gut sind Fußballer auf die Zeit nach der Karriere vorbereitet?
Aus unserer VDV-Bildungstendenzstudie wissen wir, dass ungefähr die Hälfte der Profis weder über abrufbare berufliche Qualifikationen verfügt noch dabei ist, diese zu erwerben. Um ein böses Erwachen im Fall eines plötzlichen Karriereendes zu vermeiden, empfehlen wir daher, möglichst frühzeitig mit einer parallelen beruflichen Qualifizierung zu beginnen und sich möglichst ein Finanzpolster für den beruflichen Übergang anzusparen. Darüber hinaus gilt es, sich gegen berufliche Risiken abzusichern – beispielsweise mit einer Sportunfähigkeitsversicherung. Denn schon das nächste Foul kann das Karriereende bedeuten.
Wie ist es bei Profis mit der Eigenverantwortung bestellt?
Der Ansatz sollte sein, bei Talenten möglichst die Selbstständigkeit zu fördern. In der Praxis ist es aber so, dass Vermittler und Arbeitgeber eher davon profitieren, wenn ein Spieler relativ unkritisch ist und den vorgegebenen Empfehlungen folgt. Gerade darum ist eine Spielergewerkschaft wie die VDV wichtig. Denn wir zeigen den Spielern, welche Rechte sie haben und helfen ihnen dabei, diese auch durchzusetzen. Dies gilt beispielsweise für Beschäftigungsansprüche oder auch – insbesondere in unteren Spielklassen – für den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.
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