Verbraucher, Unternehmen und verschiedene EU-Parlamentarier haben im Vorfeld die Diskussion um die Bezeichnung pflanzlicher Lebensmittel kritisiert. Abgestimmt wurde am Freitag trotzdem – und alles bleibt beim alten: pflanzliche Lebensmittel dürfen weiterhin tierisch anmutende Bezeichnungen tragen.
Viel Diskussion um die Wurst, am Freitag fiel die Entscheidung: Das EU-Parlament hat sich gegen ein Verbot der Vermarktung von Fleischersatzprodukten unter Begriffen wie "Veggie-Burger" oder pflanzliche Schnitzel ausgesprochen. Die Abgeordneten lehnten einen entsprechenden Antrag ab.
Dem abgelehnten Antrag zufolge sollten "sich auf Fleisch beziehende Begriffe und Bezeichnungen (...) ausschließlich den zum Verzehr geeigneten Teilen der Tiere vorbehalten" sein.
Als Beispiele werden die Bezeichnungen Steak, Wurst, Schnitzel, Burger oder Hamburger genannt. Pflanzliche Ersatzprodukte hätten dem Gesetzesvorschlag zufolge diese Begriffe nicht mehr in ihrer Produktbezeichnung führen dürfen.
Nicht weniger, sondern eher mehr Verwirrung
Die vom Landwirtschaftsausschuss des Parlaments vorgeschlagenen Gesetzesänderungen waren in erster Linie auf den Druck von Agrarverbänden zurückgegangen. Der Generalsekretär der europäischen Agrarlobby Copa-Cogeca, Pekka Pesonen, beklagte etwa, Anbieter von Ersatzprodukten würden "Fleischbezeichnungen kapern".
Rügenwalder Mühle hält diese Behauptung wie viele andere Lebensmittelunternehmen für nicht haltbar. Beschränkungen beim Namen seien "unverhältnismäßig", teilte eine Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion mit. Sie betonte: "Als Hersteller von klassischen Wurstprodukten und Alternativen kennen wir beide Seiten und haben festgestellt, dass im Alltag keine Verwechslungsgefahr besteht". Aus ihrer Sicht hätte ein Verbot "für mehr Verwirrung" gesorgt.
Ähnlich reagierte auch Wiesenhof, Marktführer bei Geflügelfleisch in Deutschland. Das Unternehmen vertreibt ebenso vegane und vegetarische Produkte und habe "bislang noch keine Beschwerden oder kritische Rückmeldungen von Verbrauchern erhalten".
Völlig überflüssige Debatte
Schon vor der Abstimmung kam Kritik aus dem EU-Parlament. "Wir halten die ganze Debatte für völlig überflüssig", sagte der FDP-EU-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen der Deutschen Presse-Agentur. Er ergänzte: "Wir sind überzeugt, dass sich der Bürger selbst ein Bild machen kann", so Oetjen. Schließlich wisse der Verbraucher auch, dass man Scheuermilch nicht trinken könne.
Auch Grünen-Europapolitiker Martin Häusling stellte die Debatte um die Bezeichnungen infrage. Er glaube nicht, dass es bei Veggie-Burgern und Burgern aus Fleisch zu Verwechslungen kommen könnte, so Häusling.
Greenpeace nannte die ganze Debatte über Veggie-Burger "sinnlos". Es sei "erbärmlich", dass das Parlament sich hier nicht gegen die Agrarlobby gewehrt habe. Die europäische Verbraucherschutzorganisation BEUC lobte den finalen Beschluss als "gute Neuigkeit".
Die Verbraucher seien nämlich keineswegs verwirrt von Soja-Steaks oder Kichererbsen-Würstchen im Regal, wenn solche Produkte klar als vegetarisch oder vegan gekennzeichnet seien. Vielmehr machten es Bezeichnungen wie Burger oder Steak für Verbraucher einfacher, solche Produkte in ihre Mahlzeiten zu integrieren.
Vermarktung von Ersatzprodukten für Milcherzeugnisse weiter eingeschränkt
Weiter eingeschränkt werden soll nun nur die Vermarktung von Ersatzprodukten für Milcherzeugnisse, entschieden die Europaparlamentarier. Schon nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2017 dürfen rein pflanzliche Produkte nicht mehr als Sojamilch oder Pflanzenkäse verkauft werden.
Dieses Verbot soll nun auf Bezeichnungen wie "-geschmack, -ersatz, Art oder dergleichen" ausgeweitet werden. Ausgenommen davon sind seit langem gängige Begriffe wie Erdnussbutter oder Kokosmilch. Die Einschränkung für Milchprodukte kritisierte die Verbraucherschutzorganisation als "unnötig". Das habe nichts mit Verbraucherschutz zu tun.
Der Markt für Fleisch- und Milchersatzprodukte auf der Basis von pflanzlichem Eiweiß boomt seit Jahren. Schätzungen zufolge hat sich der Absatz von Fleischersatzprodukten in Europa in den vergangenen fünf Jahren nahezu verdoppelt.
Der angenommene Gesetzestext für Milcherzeugnisse ist Teil des Reformpakets für die gemeinsame Agrarpolitik. Über das Gesetzespaket als Ganzes wird den ganzen Freitag abgestimmt. Nach Annahme können die Verhandlungen des Parlaments mit den Mitgliedstaaten beginnen. (afp/dpa/mf)
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