Das Online-Tool "Wahlkabine.at" vergleicht vor der Nationalratswahl die politischen Positionen seiner Nutzer mit jenen von zur Wahl stehenden Parteien. Reine Orientierungshilfe oder handfeste Wahlempfehlung? Was die "Wahlkabine" leisten kann - und was nicht.

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Nicht nur in Zeiten von Wahlskandalen fällt die Entscheidung schwer, wem man als einer von fast 6,4 Millionen Wahlberechtigten in Österreich seine Stimme geben soll.

Wo liegen die Unterschiede zwischen den Parteien und wer vertritt meine Positionen am ehesten? Antworten auf diese Fragen kann das Tool "Wahlkabine.at" geben.

"Wahlkabine.at" will politische Debatten versachlichen

Seit 15 Jahren gibt die Website Orientierung über Parteien und deren Positionen. "Wahlkabine.at" ist ein Projekt des Instituts für Neue Kulturtechnologien in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft, der Gesellschaft für politische Aufklärung sowie dem Institut für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck.

Die Entwickler begleiten regionale, nationale und auch EU-weite Wahlen. Ziel ist es, "die politische Debatte zu versachlichen".

So funktioniert "Wahlkabine.at"

Dazu werden einem Nutzer im Fall der Nationalratswahl 26 politische Fragen präsentiert. Dieser stimmt dann entweder mit "Ja", "Nein" oder "Keine Angabe" (nur fünfmal möglich) ab. Anschließend muss man die jeweilige Position noch gewichten: Auf einer Skala von 1 (unwichtig) bis 9 (wichtig).

Wurden alle Fragen beantwortet und gewichtet, erscheint ein Diagramm, das zeigt, inwieweit sich die eigenen Positionen mit denen der zur Wahl stehenden Parteien überschneiden.

Tool soll keine Wahlempfehlung sein

Aber was sind die Ergebnisse von "Wahlkabine": Entscheidungshilfe, Orientierung oder gar Wahlempfehlung?

Auf der Website heißt es, "Wahlkabine.at" gebe keine Empfehlung ab. Zwar decke man mit den Fragen ein breites Spektrum ab, "bei einer Wahlentscheidung gibt es allerdings auch andere Faktoren zu bedenken".

Dr. Karin Liebhart, Senior Lecturer am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und Redaktionsmitglied von "Wahkabine.at", sieht viele Vorteile: "Wahlkabine fördert die kritische Auseinandersetzung mit politischen Inhalten und macht Wählen als zentrale Form politischer Beteiligung selbst zum Thema."

Das gelinge unter anderem, indem "Wahlkabine.at" seriöse Hintergrundinformationen zu sachpolitischen Themen und parteipolitischen Standpunkten sowie Feedback-Möglichkeiten für alle Nutzer biete.

Nutzerzahlen steigen

Gefühlt sind die Wahlkabine und ähnliche Tools – etwa der deutsche Wahl-O-Mat – kaum wegzudenken. Liebhart zufolge werden sie außerdem "zu einem immer bedeutenderen Bestandteil politischer Bildung".

Die Zahlen sprechen für sich: Wahlkabine geht jeweils etwa sechs Wochen vor der Wahl online und wurde allein im Vorfeld der Nationalratswahl 2013 über eine Million Mal genutzt.

Für die Wahlkabine zur Nationalratswahl 2017 vermeldeten die Verantwortlichen schon Mitte September über 250.000 abgeschlossene Nutzungsvorgänge, also solche, in denen alle 26 Fragen beantwortet wurden.

Nette Spielerei oder echte Entscheidungshilfe?

Ist Wahlkabine nun eine nette Spielerei, eine Wahlmotivation oder eine echte Entscheidungshilfe? "Alles zusammen", sagt Dr. Karin Liebhart.

Vor allem aber soll es ein Werkzeug sein, "das dazu motiviert, sich in Zeiten zunehmender Personalisierung politischer Kommunikation mit politischen Inhalten und Positionen auseinanderzusetzen." So könne "Wahlkabine.at" auch das Interesse an Wahlen fördern, und die Bereitschaft, daran teilzunehmen.

Dass die Wahlkabine keine Wahlempfehlung abgebe, betont aber auch Liebhart. Vielmehr wolle man "das Spektrum politischer Informationsquellen auf unkomplizierte Weise bereichern", zum Nachdenken über eigene politische Positionen anregen und politische Inhalte stärker in den Blick rücken. Auch die "Kritikfähigkeit potentieller Wählerinnen und Wähler" soll gestärkt werden.

Auszeichnung als Best-Practice für politische Bildung

Neben Liebhart sind an "Wahlkabine.at" weitere Experten aus Methodik, Journalismus und Politikwissenschaft beteiligt.

Bei der Formulierung des Fragenkatalogs und den Antworten der Parteien setzen die Verantwortlichen auf größtmögliche Transparenz. Die verwendete Software ist quelloffen und soll ein hohes Maß an Datenschutz gewährleisten: Nutzerdaten werden nicht gespeichert, sondern nur Ergebnisse.

2008 wurde das Projekt auf der Konferenz "Networking European Citizenship Education" (NECE) im EU-Parlament in Straßburg als europäisches Best-Practice-Beispiel für politische Bildung ausgezeichnet.

Warum Wahlkabine bei den Nutzer aber so gut ankommt, dürfte ein anderer sein: Wahlkabine macht Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Parteien in Bezug auf Sachthemen sichtbar. Anders als viele TV-Duelle oder Botschaften auf Wahlplakaten.

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