Kamala Harris hat sich im TV-Duell gegen Donald Trump gut geschlagen, heißt es in amerikanischen wie europäischen Medien quasi unisono. Selbst der rechtskonservative US-Sender "Fox News" sieht Harris als Siegerin, hat dafür jedoch seine ganz eigene Erklärung.

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Es war der vorläufige Höhepunkt des US-Präsidentschaftswahlkampfs: In der Nacht haben sich Kamala Harris von den Demokraten und ihr republikanischer Herausforderer, Ex-Präsident Donald Trump, in einer Live-Debatte des Senders "ABC News" gegenseitig mit scharfen Angriffen überzogen. Wie bewerten die Medien die Auftritte der beiden?

USA

"New York Times": "Uneingeschränkter Erfolg für Harris"

"Den ganzen Abend über schaffte Harris immer wieder etwas zu tun, was Biden nicht gelungen war, als er sich um eine Wiederwahl bewarb: Trump auf eine Art zu provozieren, die entblößte, dass er Lügen und wilde Fantasien verspritzt. Die Debatte war ein uneingeschränkter Erfolg für Harris, nicht nur, weil sie in der Lage war, sich selbst und ihre Pläne zu definieren, sondern auch, weil sie es schaffte, ein paar Knöpfe bei Trump zu drücken und ihn dazu zu bringen, sein wahres Ich zu zeigen."

"Fox News": "Harris von Moderatoren begünstigt"

"Für mich steht außer Frage, dass Dienstagnacht Kamala Harris die vielleicht einzige Debatte zwischen ihr und Ex-Präsident Donald Trump gewonnen hat. Allerdings hatte die Vizepräsidentin auch Hilfe. Sie wurde unterstützt und begünstigt von zwei ABC-News-Moderatoren, die es offenbar für nötig hielten, quasi alles, was der ehemalige Präsident sagte, auf seine Richtigkeit zu überprüfen."

"Washington Post": "Er wütend, sie entspannt"

"Trumps Geniestreich bestand in früheren Debatten darin, seine Gegner in die Defensive zu treiben. Harris drehte den Spieß um und brachte ihn über nahezu die gesamte Nacht in die Defensive. Sie blieb ruhig. Er wurde immer wieder wütend. Sie sah entspannt aus. Er wirkte unglücklich und, gelegentlich knurrend, verärgert. Fazit: Harris musste sich akzeptabel machen für unentschiedene Wähler. Das hat sie getan."

"Politico": "Trump in der Defensive"

"Kamala Harris warf den Haken aus. Und Donald Trump biss an – immer und immer wieder. Im ersten direkten Aufeinandertreffen der beiden Präsidentschaftskandidaten verspottete sie ihn wegen seiner Zuschauermenge, seiner früheren Konkurse, seines geerbten Reichtums und vielem mehr. (...) Im Ergebnis geriet Trump in die Defensive – und kämpfte damit, Treffer zu erzielen, selbst als die Diskussion mit Themen wie Einwanderung und Wirtschaft auf ein für ihn freundlicheres Territorium überging."

Deutschland

"Süddeutsche Zeitung": "Das Rennen bleibt knapp"

"Nach dieser Debatte ist Kamala Harris eindeutig im Vorteil. Allerdings schien Hillary Clinton vor acht Jahren noch viel deutlicher gegen Donald Trump zu führen. Obwohl Harris am Dienstagabend vieles richtig gemacht hat, bleibt das Rennen knapp. Um im amerikanischen Wahlsystem zu gewinnen, braucht Harris nicht die Mehrheit der Stimmberechtigten, sondern die Mehrheit der Wahlleute. Den Sieg am 5. November hat sie noch keineswegs sicher."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Harris kann zufrieden sein"

"Harris kann zufrieden sein. Sie machte ihre Punkte – wie eine Staatsanwältin im Schlussplädoyer. Sie hielt dem Druck stand. Dass sie krasse Schwächen zeigen würde wie Amtsinhaber Biden seinerzeit, war ohnehin unwahrscheinlich. (...) Und ihr gelang es, dass Trump sich so präsentierte, wie man ihn kennt: selbstverliebt und grobklotzig. Auf übelste Beschimpfungen verzichtete er jedoch."

Großbritannien

"The Telegraph": "Harris hat zu wenig über ihr Programm gesagt"

"Kamala Harris war keine besonders klare Kommunikatorin und verwendete in der Debatte wenig Zeit darauf, über ihre wichtigsten politischen Vorhaben zu sprechen. Aber sie hat etwas erreicht, was Donald Trumps Gegner seit seiner ersten Kandidatur im Jahr 2016 zu erreichen versuchten: Sie hat ihn lächerlich gemacht. (...)

Es fällt schwer, Harris zur Gewinnerin einer politischen Debatte zu küren, in der sie so wenig über ihr eigenes Programm gesagt hat. Aber ihre Angriffstaktik hat ihr an diesem Abend den Sieg beschert. Trump ist voll darauf hereingefallen."

Schweiz

"Neue Zürcher Zeitung": "Harris hat klar nach Punkten gesiegt"

"Eine amerikanische Fernsehdebatte ist nicht ein politisches Seminar, sondern eine ruppige Kampfsportart. Es gewinnt, wer den Gegner in die Defensive drängt, ob mit Argumenten, physischen Machtdemonstrationen oder Schlagfertigkeit. In dieser Runde – das räumen sogar republikanische Kommentatoren ein – hat Kamala Harris klar nach Punkten gesiegt."

Polen

"Rzeczpospolita": "Schmerzhaft zugebissen"

"Am Dienstagabend entdeckte Amerika eine Politikerin, die zubeißen kann. Schmerzhaft. An mehreren Stellen der 90-minütigen Debatte gelang es Harris sogar, Trump aus dem Gleichgewicht zu bringen. Zum Beispiel, als sie sagte, dass die Leute seine Kundgebungen aus Langeweile verlassen, oder als sie behauptete, dass die führenden Politiker der Welt über ihn lachen. Für den Milliardär mit dem gigantischen Ego (...) muss das schmerzhaft gewesen sein."

Niederlande

"De Volkskrant": "Debatte wird keinen großen Unterschied machen"

"Trump dürfte am Dienstagabend nur wenige Kritiker für sich eingenommen haben. Dennoch ist es fraglich, ob diese Debatte einen großen Unterschied für ihn machen wird. Seine treuen Anhänger haben nichts gesehen, was sie nicht schon lange von ihm gewohnt sind."

Italien

"Corriere della Sera": "Positiver Abend für Harris – mit Sahnehäubchen von Swift"

"Sie begann etwas hölzern und erweckte fast den Eindruck, dass sie ihre Antworten auswendig gelernt hatte, aber dann zog Harris das Tempo an und brachte den Republikaner Trump nicht nur in der Frage der Abtreibungen in die Klemme: Auch bei den Themen China, Rückzug aus Afghanistan und dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine konterte sie. Es war ein positiver Abend für Harris – mit dem Sahnehäubchen der Unterstützung durch Taylor Swift via Instagram."

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