Die große Kluft zwischen Ost und West haben die Deutschen laut einer Studie für Bevölkerungsentwicklung überwunden. Doch die Republik bleibt zerrissen. Was bedeutet das für die Zukunft?
Knapp 30 Jahre sind nach dem Fall der Mauer vergangen. Doch Deutschland bleibt nach einer neuen Studie ein Land der Gegensätze.
Anders als früher zeige sich eine Zerrissenheit bei Wirtschaftskraft und Demografie aber nicht mehr vorrangig in einem markanten Ost-West-Gefälle, sagte Mitautor Reiner Klingholz vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung am Freitag in der Hauptstadt. Vielmehr entwickele sich neben einer Nord-Süd-Drift bundesweit ein starker Gegensatz zwischen Stadt und Land.
Bevölkerung in Deutschland wächst
Die Studie mit dem Titel "Die demografische Lage der Nation" ist die vierte Fortschreibung des unabhängigen Berlin-Instituts zu diesem Thema - nach 2004, 2006 und 2011. Nach der neuen Untersuchung erlebt Deutschland dank eines kleinen Babybooms und Zuwanderung gerade ein demografisches Zwischenhoch.
83 Millionen Menschen seien ein Rekord, der bis 2035 auch nicht groß dahin schrumpfen werde, sagte Klingholz. "Allerdings verschärfen sich die regionalen Verwerfungen zwischen den prosperierenden Großstädten und entlegenen strukturschwachen Regionen."
Das neue "Armenhaus" Deutschlands sei inzwischen das Ruhrgebiet, während ostdeutsche Städte wie Berlin, Leipzig oder Dresden durchstarteten.
Menschenleere Landstriche in Ostdeutschland
Klarer Verlierer mit Blick auf die reinen Bevölkerungszahlen bleibt der Osten. So werden weite Regionen zwischen Rügen und dem Erzgebirge nach der Prognose in den kommenden zwei Jahrzehnten jeden fünften Einwohner verlieren.
Doch so schwarz-weiß wie früher ist das Bild nicht mehr. Die Abwanderung aus Ostdeutschland sei seit 2013 gestoppt, sagte Klingholz. Leipzig ist laut Studie heute die am schnellsten wachsende Stadt der Republik.
Dafür schwächelt der Westen. Einen Abstieg sehen die Autoren neben dem Ruhrgebiet auch im Saarland, dem zweiten großen ehemaligen Standort von Kohle- und Schwerindustrie. Dazu kämen ländliche Regionen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze, in der Südpfalz und an den Küsten.
Baden-Württemberg als Primus der Bundesländer
Im Bundesländer-Ranking der Studie, das neben der Demografie auch Wirtschaft, Bildung und Familienfreundlichkeit als Parameter heranzieht, zeigen sich solche Verschiebungen: So zählt das wachsende Berlin, das viele junge Leute anzieht, zu den großen Aufsteigern - neben Thüringen und Sachsen.
Auf dem Spitzenplatz behauptet sich Baden-Württemberg, doch auf Platz zwei hat Hamburg als Stadtstaat Bayern überholt. Schlusslicht bleibt Sachsen-Anhalt, den vorletzten Rang belegt das Saarland.
"Gleichwertigkeit lässt sich nicht schaffen"
Ihre Studie verstehen die Autoren als Denkanstoß an die Politik. "Die Förderung mit der Gießkanne ist Geldverschwendung", urteilt Klingholz. "Die Realität ist eine Vielfalt. Gleichwertigkeit lässt sich nicht schaffen."
Es gehe darum, das Schrumpfen von Landstrichen zu akzeptieren und es planvoll zu gestalten. Die Zukunft liege in den Städten.
Und zu weiterer Zuwanderung gebe es allein schon wegen des künftigen Arbeitskräftemangels keine Alternative. (hub/dpa)
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