Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Russland wegen seiner Weigerung verurteilt, der Menschenrechtsorganisation Memorial und anderen Organisationen Zugang zu Archiven über Repressionen in der Sowjetzeit zu gewähren.

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"Die Suche nach der historischen Wahrheit ist ein integraler Bestandteil des Rechts auf freie Meinungsäußerung", erklärte der Straßburger Gerichtshof am Dienstag. Die Weigerung stelle einen Eingriff in das Recht auf Information dar und verstoße somit gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Die Beschwerden waren zwischen 2012 und 2022 von fünf russischen Staatsbürgern sowie der von Moskau aufgelösten und 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Organisation Memorial eingereicht worden. Sie hatten nach Gerichtsangaben versucht, Zugang zu Archiven zu bekommen, in denen unter anderem Informationen über "ethnische Hinrichtungen und Deportationen, die in den 1930er und 1940er Jahren von außergerichtlichen Stellen angeordnet wurden", lagerten.

Zur selben Zeit hatte auch die Schweizerin Marie Dupuy, die Großnichte des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg, um Einsicht in die Archive über die sowjetische Repression gebeten. Wallenberg rettete in der NS-Zeit tausende ungarische Juden, indem er ihnen schwedische Papiere ausstellte. Zudem kaufte er zahlreiche Häuser, in denen er so viele Juden wie möglich unterbrachte und sie unter den Schutz Schwedens stellte.

Dupuy suchte nach Informationen über das Schicksal Wallenbergs, der 1947 in Moskau in einer Zelle der Zentrale des sowjetischen Geheimdienstes starb.

"In allen Fällen wurde den Klägern entweder der Zugang zu den Informationen vollständig verweigert, sie erhielten unvollständige Informationen oder es wurde ihnen verboten, Kopien der Originaldokumente anzufertigen", gab das Gericht an. Einer von ihnen sei sogar für schuldig befunden worden, im Rahmen von Arbeiten "über die Zwangsumsiedlung von deutschstämmigen Russen" unrechtmäßig "familiäre und persönliche Geheimnisse" von Opfern ethnischer Repressionen gesammelt zu haben.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist ein Organ des Europarats, aus dem Russland wegen des Kriegs gegen die Ukraine ausgeschlossen wurde. Seit September 2022 ist Russland auch nicht mehr Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention. Urteile zu vorher eingereichten Klagen muss Russland aber weiterhin umsetzen.   © AFP

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