• Stellt sich die Mutter quer, haben Väter Schwierigkeiten beim Sorge- und Umgangsrecht für ihre Kinder.
  • Das ist vor allem bei unverheirateten Paaren problematisch.
  • Kritiker kämpfen seit Jahren für eine Verbesserung, die in anderen europäischen Ländern bereits gegeben ist.

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Michael Friedrich (Name von der Redaktion geändert) weiß mittlerweile nicht mehr, ob er noch um seinen Sohn kämpfen kann. Der 28-Jährige hat Angst vor einem langen, zermürbenden Streit vor Gericht. Dass sein Kind darunter leiden wird und er selbst am Ende daran kaputtgeht.

Gesehen hat er seinen jetzt dreijährigen Sohn das letzte Mal vor einem Jahr, zur Weihnachtszeit 2020. Damals machte er sich mit einer Tasche mit Spielzeug auf dem Weg zu dessen Mutter und konnte dort kurz mit seinem Kind spielen. Seitdem blockiere die Mutter jeden Kontakt, sagt Michael Friedrich.

Die Trennung von seiner damaligen Partnerin kam während der Schwangerschaft, vorher lief es über Jahre gut. Vor der Geburt wurde dann alles anders, das Paar trennte sich. Von der Geburt seines Sohnes erfuhr der 28-Jährige erst eine Woche später. Nach vielen Diskussionen bekam er einmal die Woche Kontakt zu seinem Kind - für drei Stunden im Garten der Eltern der Mutter. Mehr erlaubte sie nicht. Nun habe sie den Kontakt total abgebrochen, sagt der Vater.

Wie viele Männer betroffen sind

Ähnlich wie Michael Friedrich geht es vielen Männern in Deutschland. Im Umgangsrecht gibt es etwa 56.000 Gerichtsverfahren pro Jahr. Das bedeutet, in 56.000 Fällen können sich die Eltern nach einer Trennung nicht einigen, wer die gemeinsamen Kinder wie lange betreuen darf. Da oft mehrere Kinder betroffen sind, dürften es fast 100.000 Kinder pro Jahr sein, um die vor Gericht gestritten wird.

Aber es gibt noch die Stufe davor: Wenn Väter darum kämpfen müssen, genau wie die leibliche Mutter das Sorgerecht zu erhalten, um beispielsweise darüber mitentscheiden zu dürfen, welche Impfungen das Kind bekommt, welche Kita oder Schule es besucht und was es in der Freizeit macht.

Das gemeinsame Sorgerecht ab Anerkennung der Vaterschaft ist in vielen europäischen Ländern Gesetz, in Deutschland nicht. Gekämpft wird dafür seit langer Zeit. "Wir plädieren dafür, dass mit der Vaterschaftsanerkennung das gemeinsame Sorgerecht besteht. Automatisch ab Geburt, auch wenn die Eltern nicht verheiratet sind", fordert Markus Witt, Vorstandsmitglied und Sprecher des Vereins Väteraufbruch für Kinder, im Gespräch mit unserer Redaktion.

In Deutschland ist mit der Anerkennung der Vaterschaft bislang nur die Unterhaltspflicht verbunden. "Bezahlen müssen die Väter, aber ob sie bei der Erziehung mitbestimmen dürfen oder wie oft sie ihre Kinder sehen, ist damit nicht geklärt. Dafür müssen sie vor Gericht gehen, wenn die Mutter nicht will", kritisiert Witt.

Fachleute fordern Änderung beim Sorgerecht

Vor drei Jahren gab es bereits einen Vorstoß, die Gesetzeslage in Deutschland im Sinne der Väter zu ändern. Damals berieten Familienrechtler und Psychologen das Bundesjustizministerium in der Frage, wie man das Sorge- und Umgangsrecht an die geänderten Lebenswirklichkeiten anpasst. Die Experten kamen ebenfalls zu dem Schluss, dass unverheiratete Väter, deren Vaterschaft rechtlich anerkannt ist, mit Geburt des Kindes genau wie die Mutter automatisch sorgeberechtigt sein sollen.

Ein Jahr später wurde der Gesetzesentwurf von der damaligen Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) präsentiert - doch ein automatisches Sorgerecht für unverheiratete Väter sollte es weiter nicht geben. "Die gemeinsame elterliche Sorge soll eintreten, wenn eine Person die Vaterschaft oder Mutterschaft anerkennt und die Geburtsmutter zustimmt", bestätigte damals ein Sprecher des Justizministeriums auf Anfrage der Fachzeitschrift "Legal Tribune Online". Will die Mutter also dem Vater das Sorgerecht nicht zugestehen, muss der Vater weiter juristische Hilfe in Anspruch nehmen.

Auch der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) lehnt es ab, das Sorgerecht bereits an die Anerkennung der Vaterschaft zu knüpfen. Die gemeinsame Sorge sei kindeswohldienlich, wenn Eltern gut miteinander kooperieren könnten. "Wir halten es für gut, wenn Eltern bewusst die Entscheidung treffen, dass sie miteinander für gemeinsame Kinder sorgen wollen", sagt die Bundesvorsitzende Daniela Jaspers. "Tun sie es nicht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass gute Gründe gegen gemeinsame Sorge im Spiel sind, beispielsweise Alkohol, Gewalt, eine hochstrittige Trennung oder weil Eltern sich kaum kennen."

Jaspers sagt auch, dass ein Vergleich mit anderen Ländern hinkt. Das Sorgerecht könne dort juristisch ganz anders ausgestaltet sein. In Deutschland regelt das Sorgerecht, welche Entscheidungen Eltern gemeinsam treffen und welche ein Elternteil allein treffen kann – aber nicht, wer sich um das oder die Kinder kümmert und Verantwortung übernimmt.

Was die Bundesregierung plant

Der Ausgang eines Gerichtsverfahrens um das gemeinsame Sorgerecht würde in Deutschland oft von der Neigung des Richters abhängen, sagt Markus Witt und ergänzt, dass es in den vergangenen Jahren besser geworden ist. "Es sind nur noch wenige Fälle, in denen der Vater das gemeinsame Sorgerecht nicht bekommt, weil der Richter noch in der Steinzeit lebt. Manchmal geht es bei einem Vater auch einfach nicht", sagt der Sprecher des Väter-Verbandes. Es gebe aber auch Fälle, bei denen das Sorgerecht bei der Mutter nicht gut aufgehoben sei. "Das wird aber nicht geprüft. Es ist bisher immer der Vater, der sich in Streitfällen vor Gericht bemühen muss."

Ob sich mit der neuen Bundesregierung etwas ändert, bleibt abzuwarten. Die Pressestellen der Ampel-Parteien verweisen zu geplanten Änderungen im Familienrecht auf den Koalitionsvertrag. Zum Sorgerecht steht darin: "Wir ermöglichen es unverheirateten Vätern in den Fällen, in denen die Eltern einen gemeinsamen Wohnsitz haben, durch einseitige Erklärung das gemeinsame Sorgerecht zu erlangen. Widerspricht die Mutter, so muss das Familiengericht über die gemeinsame Sorge entscheiden. Das Kindeswohl ist dabei besonders zu berücksichtigen."

Heißt übersetzt: Bei Eltern mit einer gemeinsamen Wohnung wird vermutlich zukünftig die Mutter zum Gericht gehen müssen, wenn sie das Sorgerecht ablehnt, nicht der Vater. Bei Eltern, die getrennt leben, ändert sich dagegen wenig zur jetzigen Regelung.

Vom Sorgerecht zum Umgangsrecht

Das Sorgerecht ist das eine, das Umgangsrecht das andere. Denn die Frage, wie oft der Vater (oder die Mutter, wenn das Kind beim Vater lebt) das Kind sehen darf, kann ebenfalls im Streit enden. In Deutschland wird eher das sogenannte Residenzmodell gelebt. Das bedeutet: Das Kind lebt bei einem Elternteil fest - meist bei der Mutter - und der andere Elternteil muss klären, wie oft er das Kind sehen darf.

Im neuen Koalitionsvertrag steht dazu: "Wir wollen gemeinsam mit den Ländern die Erziehungs-, sowie Trennungs- und Konfliktberatung verbessern und dabei insbesondere das Wechselmodell in den Mittelpunkt stellen." Das Wechselmodell nach einer Trennung würde bedeuten, beide Eltern haben die gleichen Rechte und Pflichten. Wenn einer der beiden weniger Zeit mit dem Kind haben sollte, dann muss es Gründe dafür geben, die im Wohlergehen des Kindes liegen.

Allerdings heißt das nicht, dass das Wechselmodell das Leitbild werden soll. Auf Nachfrage erklärt Philipp Geiger, stellvertretender Pressesprecher des Parteivorstands der SPD: "Ein gesetzliches Leitbild für ein bestimmtes Betreuungsmodell, ob in zusammen oder getrennt lebenden Familien, soll es auch zukünftig nicht geben. In den Fällen, wo sich Eltern nach Trennung oder Scheidung über die Betreuung gemeinsamer Kinder nicht einigen können, entscheidet das Familiengericht im Einzelfall und am Maßstab des Kindeswohls."

Demnach will die neue Bundesregierung das Wechselmodell nur in der Beratung, nicht aber im Gesetz stärken. Und auch hier ist der Verband alleinerziehender Mütter und Väter skeptisch. "Die Erziehungs-, Trennungs- und Konfliktberatung zu verbessern, ist grundsätzlich positiv. Kritisch sehen wir allerdings, dass das Wechselmodell bei der Beratung in den Mittelpunkt gestellt werden soll", sagt Daniela Jaspers.

Eine gute Beratung sollte Eltern befähigen, das für ihr Kind individuell beste Modell zu finden, so die Bundesvorsitzende des VAMV: "Also ergebnisoffen über unterschiedliche Umgangsmodelle informieren, über deren Vor- und Nachteile, damit Eltern einordnen können, was zu ihrem Kind und zur Lebenssituation passt. Das Wechselmodell ist für manche Kinder und Eltern ein gutes Arrangement, aber bestimmt nicht für alle."

Betreuungsmodell hängt mit Höhe des Unterhalts zusammen

Beim Wechselmodell geht es nicht nur um Rechte und Pflichten oder um die Zeit, die die Elternteile mit ihren Kindern verbringen. Es geht auch ums Geld. Denn solange kein Wechselmodell vorliegt, zahlen Väter (oder Mütter), bei denen die Kinder weniger Zeit verbringen, den vollen Unterhalt. Man zahlt also auch das volle Geld bei 49 Prozent Betreuungszeit. Erst bei 50 Prozent, also beim Wechselmodell, wird das Einkommen von beiden Eltern zusammengenommen und ins Verhältnis gesetzt.

"Die günstigste Variante wäre also, ich kümmere mich überhaupt nicht um mein Kind und zahle nur Unterhalt. Die teuerste Variante wäre, ich kümmere mich zu 49 Prozent um mein Kind, habe ein Kinderzimmer, kaufe Kleidung und Verpflegung, muss aber trotzdem den vollen Unterhalt zahlen", erklärt Markus Witt vom Verband Väteraufbruch für Kinder. "Das ist ein völlig schräges System, da muss sich etwas ändern. Auch ein Unterhaltsrecht sollte Anreize zur gemeinsamen Elternverantwortung setzen und diese nicht behindern."

Beirat schlägt neues Unterhaltsmodell vor

Zu diesem Punkt steht nichts Konkretes im Koalitionsvertrag. Allerdings schlägt ein Beirat des Bundesfamilienministeriums ein Stufenmodell beim Unterhalt vor. In einem Gutachten heißt es, dass bis zu einem Drittel der Betreuungszeit der volle Unterhalt bezahlt werden könnte, von einem Drittel bis weniger als die Hälfte Betreuungszeit soll es eine Abstufung geben und ab der Hälfte gelten die Regelungen des Wechselmodells.

Allerdings sind diese abgestuften Betreuungsmodelle nicht frei von Konflikten. Selbst der Beirat warnt vor der Gefahr einer "Mathematisierung" gerade bei konfliktbehafteten Trennungen.

Markus Witt warnt ebenfalls vor einer solchen Stufenregelung. "So, wie es der Beirat vorschlägt, würde sich der Streit um den Unterhalt auf die ersten Stufen verlagern. Es würde zu mehr Verfahren im Umgangsrecht führen und Kinder und Eltern noch mehr belasten", sagt er. Man brauche ein System, das zur Betreuung motiviere, nicht dazu, nur mehr Geld zu bekommen.

Vaterrolle hat sich geändert

In einem Punkt hat der Beirat des Familienministeriums eine klare Meinung: "Es besteht weitreichender Reformbedarf, um eine geteilte Betreuung von Kindern durch ihre getrennten Eltern in unserem Rechtssystem zu verankern." Ein Grund dafür sei, dass sich das Vaterbild geändert hat. "Vielen Vätern ist es ein zunehmendes Anliegen, sich aktiv in das Leben ihrer Kinder einzubringen."

Auch Michael Friedrich würde sich gern stärker in die Erziehung seines Sohnes einbringen. Er sei überzeugt, dass er als Vater viele Fähigkeiten seines Sohnes besser fördern kann, sagt er. Und dafür hat die Wissenschaft Ergebnisse, die das bestätigen. Sind Väter für die Erziehung nicht anwesend, geht das oft nicht spurlos an den Kindern vorüber. So zeigen Studien insbesondere für Jungen, dass bei Kindern mit Sprachschwierigkeiten, mit höherem Aggressionspotenzial und mit ADHS die Anzahl von vaterlos aufgewachsenen Jungen höher ist.

Verwendete Quellen:

  • Telefonat mit Vater Michael Friedrich (Name geändert)
  • Telefonat mit Markus Witt, Vorstandsmitglied im Verein "Väteraufbruch für Kinder":
  • E-Mail-Austausch mit dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter
  • E-Mail-Austausch mit den Pressestellen von SPD, Grüne und FDP
  • Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: "Gemeinsam getrennt erziehen"
  • Legal Tribune Online.com: Jus­tiz­mi­nis­terin lehnt auto­ma­ti­sches Sor­ge­recht für unver­hei­ra­tete Väter ab
  • Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Grüne und FDP: Mehr Fortschritt wagen
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