Die Expansion der Billigflieger geht ungebremst weiter. Zunächst verschwinden die letzten weißen Flecken, an denen es bislang kaum Angebote gab. Noch relativ neu sind Fernziele.
Die Billigflieger geben auf dem deutschen Markt richtig Schub. Mit der Lufthansa-Tochter Eurowings und der irischen Fluggesellschaft Ryanair erweitern die beiden größten Anbieter ihre Angebote im Vergleich zum Vorjahr stark. Auch die ungarische Wizz baut nach vorläufigen Erhebungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ihr Angebot um mehr als ein Viertel aus.
Und weil in Europa und dem angrenzenden Mittelmeerraum schon sehr viele Destinationen ausgereizt sind, nehmen immer mehr Gesellschaften auch Langstrecken in ihr Programm, die sie künftig nach dem Prinzip "no frills - keine Mätzchen" bedienen wollen.
Ryanair geht ab März auch in Frankfurt an den Start
An den deutschen Flughäfen fallen in diesem Sommer die letzten Bastionen der Linienflieger. In Frankfurt - dem deutschen Flughafen mit dem niedrigsten Billiganteil von knapp vier Prozent - geht im März Ryanair mit zwei Maschinen an den Start und versetzt allein damit den Platzhirsch Lufthansa in helle Aufregung.
Deren Manager wettern zwar über die Billiggebühren, mit denen die Flughafengesellschaft Fraport den Neuankömmling pudert, planen aber auf der anderen Seite, im Sommer 2018 die eigene Eurowings zu gleichen Bedingungen an den Start zu bringen.
Am zweiten Lufthansa-Drehkreuz München tritt Eurowings schon in diesem Sommer gleich mit vier neuen Flugzeugen an, um mit 30 neuen Verbindungen die Billig-Konkurrenz der französischen Transavia, einer Tochter von Air France-KLM, in Schach zu halten.
Aus der Air-Berlin-Erbmasse werden zudem weitere Jets in Wien und Palma de Mallorca stationiert. Zum Jahresende will die Lufthansa-Tochter nach neuesten Angaben 114 Jets am Start haben, bevor die belgische Tochter Brussels Airlines im kommenden Jahr ebenfalls integriert wird. Eurowings soll dann auf mehr als 160 Maschinen anwachsen.
Folgen für Kunden:
Günstige Preise | Der Wettbewerb über den Wolken erhöht die Chancen auf günstige Preise. Die Zahl der Strecken mit preisgünstigen Angeboten nimmt durch die Konkurrenz zu. Auch die großen Premium-Fluggesellschaften müssen ihre Preise anpassen. |
Weniger Unterschiede | Billigflieger oder etablierte Airline? Diese Aufteilung ist oft kaum noch sichtbar. Und das Thema Sicherheit nehmen die Billigflieger ohnehin genauso ernst wie alle anderen Airlines - wegen der internationalen Vorgaben dazu. |
Weniger Übersicht | Der Passagier muss so genau hinsehen wie noch nie: Die Billigflieger lassen sich jeden Service bezahlen, auch die Premium-Airlines bieten zunehmend verschiedene Tarife an. |
Zusätzliche Flüge ab Berlin, Hamburg und Nürnberg
Ryanair hält mit neuen Flugzeugen dagegen und steigert die Zahl ihrer Strecken aus Deutschland auf 245 nach 190 vor einem Jahr. Das entspricht rund 2.000 Flügen in der Woche von und nach Deutschland, wie die Iren auf Anfrage mitteilen. Zusätzliche Flüge gibt es bei ihnen vor allem ab Berlin, Nürnberg und Hamburg. In Berlin-Schönefeld will auch der sonst zurückhaltende europäische Branchenzweite Easyjet wachsen.
Auf der Langstrecke fehlen den Billigfliegern viele klassische Kostenvorteile oder sie fallen zumindest deutlich geringer aus, wie der Luftfahrtexperte Stephan Nagel von der Hamburger Beratungsgesellschaft Prologis-Strategy sagt. "Das Fluggerät kann nicht intensiver genutzt werden, die Crews müssen am Zielort übernachten, und das Kerosin als Hauptkostenpunkt auf der Langstrecke ist für alle Anbieter gleich teuer."
Dennoch versuchen immer mehr Gesellschaften, die klassenlosen Billigprinzipien auf lange Flüge zu übertragen. Als vorläufig letzte hat gerade die Iberia-Mutter IAG bekannt gegeben, künftig ab Barcelona billig in die USA fliegen zu wollen. Bereits aktiv sind unter anderem die Eurowings und die aufstrebende Norwegian.
Noch keine Lösungen für das Langstrecken-Problem
"Punkt-zu-Punkt funktioniert über den Atlantik bislang nur auf wenigen Strecken zwischen sehr großen Quellmärkten", warnt Nagel. In Europa könnten das sicher London und Paris sein, möglicherweise auch Norditalien und Barcelona. Das dezentrale Deutschland sei schon schwieriger. Daraus folgt, dass sich auch Billigflieger überlegen müssen, wie sie mit Zubringern große Langstreckenmaschinen mit mindestens 300 Sitzen voll bekommen.
Ein weiteres Langstrecken-Problem sind "weiße Elefanten", also einzelne Flugzeuge, für die es in der Flotte keinen schnellen Ersatz gibt. Bei Pannen kann es dann zu erheblichen operativen Problemen kommen, wie die Eurowings ganz zu Beginn ihrer Langstreckenflüge mit einem auf Kuba gestrandeten Airbus erfahren musste.
Die Airlines schauen daher sehr genau auf neue Flugzeugtypen, die sowohl im Kontinentalverkehr als auch über den Atlantik eingesetzt werden können. "Aufgebohrte" Mittelstreckenjets wie die A321 Neo LR oder die Boeing 737 Max 8 werden dort den Wettbewerb erheblich verschärfen.
Als erster Billigflieger will Norwegian die kleineren und damit auch leichter zu füllenden Jets über den Atlantik schicken, ohne Zwischenlandung auf Island wie Wow Air. Bereits im Mai soll Boeing die erste von mehr als 100 bestellten 737 Max 8 ausliefern.
Von Westeuropa bietet Norwegian dann Flüge zu den Provinzflughäfen Providence und Newburgh an der US-Ostküste an - zu Kampfpreisen ab 69 Dollar. Und für 2018 stehen Fernflüge ab Düsseldorf auf der Expansionsliste der Norweger. © dpa
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