Max Ballauf ist verliebt, und Max Ballauf ist nackt. Ja, dieser "Tatort" ist tatsächlich etwas anders.
So haben wir den Kölner Kommissar noch nicht gesehen: im Bett mit einer Frau, in der Küche mit dieser Frau, beim Tanzen mit dieser Frau. "Diesmal ist es anders", sagt er. Nicola (Jenny Schily) sei die Frau fürs Leben. Die Kollegen machen sich lustig, Kollege Freddy Schenk (
Aber dieses Mal scheint es wirklich anders: Max Ballauf (
Während man im Kommissariat damit beschäftigt ist, den Mord an einem ehemaligen Journalisten aufzuklären, hängt Ballauf ständig am Handy oder in Gedanken. Ein seliges Lächeln im Gesicht schwelgt er in angenehmen Erinnerungen und tauscht Textnachrichten mit der Geliebten aus. Nur auf die Arbeit konzentriert er sich nicht.
Ausgerechnet er, der Vollblutpolizist, dem die Arbeit immer einer festen Beziehung vorging. Das Schöne: Nicola scheint es genau so zu gehen. Auch sie eine Einzelgängerin, die als Herausgeberin eines Stadtmagazins einen Beruf hat, der sie erfüllt und fordert. Endlich eine Frau, die versteht, wenn Ballauf kurzfristig zu einem Fall gerufen wird.
Max Ballauf im Zwiespalt
Der tote Journalist ist Peer Schwarz, der seine berufliche Erfahrung offenbar dazu genutzt hat, nach schmutzigen Geheimnissen in der Vergangenheit von Prominenten zu suchen und sie damit zu erpressen. Dem Geld nach, das die Spurensicherung in seiner Wohnung findet, ziemlich erfolgreich. Es sieht ganz danach aus, dass der Journalist von einem wütenden Erpressungsopfer umgebracht wurde.
Das Material, das Schwarz gesammelt hat, führt die Ermittler zu einem ehemaligen Schlagerstar. Doch Mariella Rosanellis Berufung ist inzwischen das von ihr gegründete Jugendzentrum Kids4Care. Längst nutzt Rosanelli (Leslie Malton) ihre Berühmtheit ausschließlich zugunsten von Kids4Care. Wäre ihr Ruf zerstört, würde das auch das Ende ihres Lebenswerkes bedeuten. Freddy Schenk kümmert sich um diese Spur – notgedrungen allein.
Max Ballauf stößt derweil zu seinem Entsetzen auf eine Verbindung zwischen Mariella Rosanelli und seiner Freundin. Nicola zeigt zudem ein auffälliges Interesse an seinem aktuellen Fall. Mit fast panischer Sorge ermittelt Max Ballauf auf eigene Faust. In erster Linie ist er immer noch Polizist. Ist Wahrheitsfinder, Rächer der Schwachen und der Toten. Da kämpfen nicht zwei Seelen in seiner Brust, es ist eher so, als ob der liebende Max entsetzt dem ermittelnden Max zusehen muss.
Als Polizist oder als Mensch handeln?
Die Frage, die der "Tatort" sich in Gestalt von Ballauf stellt, ist die, ob man sich entscheiden muss zwischen Liebe und Gerechtigkeit, ob man sich schuldig macht, wenn man als Polizist und nicht als Mensch agiert – und ob es sich dabei tatsächlich um einen Gegensatz handelt. Wen muss er schützen? Ein Opfer oder die Liebe seines Lebens, als diese in Verdacht gerät?
Max Ballauf zerreißt es fast. "Diesmal ist es anders" zeigt seine Zweifel mithilfe von inneren Monologen. Aus denen innere Dialoge werden, weil Nicola ihm gewissermaßen antwortet, stumm. Weil diese Liebenden sich eben ohne Worte verstehen. Es ist ein ungewohntes Stilmittel für einen "Tatort" und wirkt anfangs eher peinlich. Zu offensichtlich ist die Krücke, mit deren Hilfe ausgesprochen wird, was Schauspieler eigentlich zeigen können müssten. Aber man gewöhnt sich daran. In dem Maße, in dem Max Ballaufs Verzweiflung zunimmt, gewinnt das Stilmittel an Kraft.
"Diesmal ist es anders" ist als Krimi nicht gerade herausragend, und als Liebesfilm führt er durchaus zum gelegentlichen Fremdschämen, schon, weil sein Hauptdarsteller mit dieser ganzen Gefühligkeit etwas überfordert scheint.
Von der Liebe im fortgeschrittenen Alter
Aber der Mut, mit dem hier große Liebe im fortgeschrittenen Alter gezeigt und erzählt wird, verdient Respekt. Und ohne zu viel verraten zu wollen: Großes, herzerschütterndes Leid wird auch erzählt und wird auch gezeigt, und zwar nicht mit fotogener Vorsicht, sondern in seiner ganzen distanzlosen Hässlichkeit. Als heulendem, wütendem, am Boden zerstörtem Max Ballauf gelingen Klaus J. Behrendt seine stärksten Szenen.
Drehbuchautor Wolfgang Stauch und Regisseur Torsten C. Fischer haben bereits bei "Der Tod der Anderen" zusammengearbeitet. Auch da trieb eine Frau einen Keil zwischen die beiden Kommissare, und auch dieses Mal kommt es nach dem Ärger über die Abwege des Partners zu rührenden Szenen zwischen Schenk und Ballauf, die das Zentrum des Kölner "Tatort" wieder austarieren: Die Freundschaft der beiden übersteht einfach alles.
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