Kommissar Thiel und Professor Boerne sind sicher eines der schillerndsten Ermittler-Duos im "Tatort". Hier der exaltierte Professor und dort der grummelige Kommissar. Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke erklärt, warum ein solches Pärchen in der Realität nicht zusammenarbeiten würde: Weil es das gar nicht müsste.
Professor Boerne und Kommissar Thiel arbeiten nicht nur zusammen, sie wohnen auch noch gegenüber. Das bietet im "Tatort" reichlich Raum für die endlosen Kabbeleien zwischen dem Rechtsmediziner und dem Kommissar. Wir haben den bekannten Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke gebeten, sich das skurrile "Tatort"-Pärchen in ihrem neuesten Fall einmal anzusehen.
Herr Dr. Benecke, Sie haben versucht, sich den "Tatort" anzusehen, haben aber nicht durchgehalten. Woran ist es denn gescheitert?
Dr. Mark Benecke: Ach, ich habe ausgeschaltet, weil das alles nichts mit dem zu tun hat, was in unserer Welt von Belang ist. Für uns ist eine Spurensituation etwas Ernstes und Unemotionales, bei dem zwischenmenschliche Beziehungen stören. Es würde bei uns niemand auf die Idee kommen, laufend Witze oder Anmerkungen über den anderen zu machen. Diese ganze Geschichte handelt aber vorwiegend von zwischenmenschlichem Kram.
Also alles zu unrealistisch und emotional?
Ja, in der Spurenwelt zählt alles außer Emotionen. Selbst zeitlich-räumliche Aspekte sind uns egal, das macht die Polizei. Nur mal ein Beispiel aus der Praxis: Wenn wir im Magen eines Verstorbenen Schwarzbrot finden und den Käse im Schlund, dann ist klar, dass er zuerst das Schwarzbrot gegessen hat. Damit endet dann aber auch schon das Zeitlich-Räumliche für uns. Wir können nur sagen, dass die Spuren da sind – bewerten tun es die anderen.
Diese ständige und enge Zusammenarbeit zwischen einem Gerichtsmediziner und einem Kommissar gäbe es so in der Realität also gar nicht?
Früher war es so, dass erfahrene Kripoleute auch immer mit den gleichen Rechtsmedizinern zu tun hatten. Seit ungefähr zehn Jahren ist es aber so, dass Polizisten tendenziell möglichst breite Verwendung erfahren. Das heißt, es kann passieren, dass sie in andere Abteilungen gehen. Ein Bekannter zum Beispiel war lange bei den Todesermittlern, dann ging er zur Polizei-Aufbauarbeit in ein kriegszerstörtes Land und danach landete er bei der Abteilung für Fahrraddiebstähle. Das ist unvorstellbar, führt aber mitunter dazu, dass diese langen Berufs-Beziehungen nicht mehr so oft entstehen.
Dass man sich gegenseitig so lange kennt und damit auch die Marotten des anderen, spielt anders als im "Tatort" bei der Arbeit kaum eine Rolle. Die menschlichen Marotten sind auf einer persönlichen Ebene völlig egal, solange sie in der fachlichen Zusammenarbeit nicht stören.
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