Was ist eigentlich eine "Fishbowl"? Welches Lied schwirrt dem Kommissar im Kopf herum, und warum wurde dieser Tatort Hannelore Elsner gewidmet? Einige Fragen haben uns nach dem Tatort "Die Guten und die Bösen" beschäftigt.
Der Polizist Ansgar Matzerath (Peter Lohmeyer) gesteht, den Vergewaltiger seiner Frau ermordet zu haben. Die Frankfurter Kommissare
Warum ist Selbstjustiz, die von einem Polizisten ausgeübt wird, "das Schlimmste"?
Der Duden definiert Selbstjustiz als die "gesetzlich nicht zulässige Vergeltung für erlittenes Unrecht, die ein Betroffener beziehungsweise eine Betroffene selbst übt". Nicht zulässig ist sie, weil entsprechend Artikel 20 des Grundgesetzes in Deutschland der Staat das Gewaltmonopol hat: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtssprechung ausgeübt."
Nur der Staat hat damit das Recht, Gewalt auszuüben, um das Recht des Einzelnen zu schützen. Die Tatsache, dass man die Bestrafung eines Übeltäters selbst in die Hand genommen hat, wird wie von Matzerath im "Tatort" oft mit dem Versagen eben dieses Systems begründet. Der Polizist stellt also genau jenen Gesetzeszweig, dem er selbst angehört und der Selbstjustiz ja gerade unnötig machen soll, infrage.
Im Strafgesetzbuch kommt der Begriff nicht einmal vor, entsprechende Taten werden ganz regulär geahndet. Eine Ausnahme bildet nur das Recht zur Selbsthilfe, also etwa die Selbstverteidigung, wenn es in einer Situation keine andere Möglichkeit gibt.
Selbstjustiz könnte hingegen als erschwerendes Motiv gewertet werden, etwa beim Anschein einer eiskalt geplanten Rache – weshalb Matzeraths Kollegen so bemüht darum sind, mildernde Umstände zu finden.
Wie heißt das Lied, das Matzerath den ganzen Film hindurch begleitet?
Auf der Fahrt der Kommissare Janneke und Brix zum Schauplatz des Mordes, den Matzerath begangen haben will, läuft im Auto "I Walk the Line", der erfolgreichste Song des amerikanischen Countrysängers
In seiner Autobiografie erzählt Johnny Cash, er habe den Hit 1956 während einer Tour in Texas geschrieben, "als es mir schwerfiel, der Versuchung zu widerstehen, meiner Frau zu Hause in Memphis untreu zu sein".
Die Liedzeilen sind eine Art Selbstbeschwörung: Er bekräftigt, Tag und Nacht an die Geliebte (seine erste Frau Vivian) zu denken und verrückt nach ihr zu sein; weil sie ihm gehöre, benehme er sich: "Because you’re mine/ I walk the line". Der Song steht ironischerweise inzwischen vor allem für die große Liebe zwischen Cash und seiner zweiten Frau June Carter. Sie war nicht die Einzige, mit der er Vivian betrog.
"To walk the line" bedeutet übersetzt, den Regeln zu folgen, sich zu benehmen, und zwar in dem Sinne, dass man sich auf dem schmalen Grat bewegt, der Recht von Unrecht trennt – es erfordert also eine gewisse Anstrengung. Darauf spielt im "Tatort" auch die pensionierte Kommissarin Elsa Bronski (
Sie habe von ihrem Ausbilder, Matzeraths Vater, gelernt, "dass jeder Mensch eine rote Linie erkennen muss, die er niemals überschreiten darf. Egal was passiert".
Der Ursprung der Redewendung soll aus dem Gefängnisalltag des 18. Jahrhunderts stammen, als die Insassen während ihres Hofgangs auf einer vorgezeichneten Linie im Kreis gehen mussten. Wichen sie zu weit von ihr ab, wurden sie bestraft.
Was ist die "Fishbowl", von der die Leiterin des Coaching-Seminars Olivia Dor (Dennenesch Zoudé) spricht?
Die Fishbowl-Methode ist eine Diskussionsform, die ihren Namen von der Anordnung der Gesprächsteilnehmer hat. Es wird ein innerer Kreis von Diskutanten gebildet, um die der Rest der Anwesenden wie um ein Goldfischglas herumsitzt. Nur der innere Kreis bespricht das vorher festgesetzte Thema, die Anderen hören zu.
Je nach der angewendeten Variante der Fishbowl-Methode wird der innere Kreis nach einiger Zeit ausgewechselt: Entweder, indem Zuhörer sich auf einen extra frei gelassenen Stuhl im Innenkreis setzen, oder, indem sie einem Diskutanten signalisieren, dass sie mit ihm tauschen möchten.
Die Methode gilt als eine Möglichkeit, kontroverse Themen von einer kleinen Gruppe diskutieren zu lassen und dabei gleichzeitig das aktive Zuhören und die Beteiligung eines größeren Publikums zu ermöglichen. Kritiker bemängeln, dass schüchterne Gruppenmitglieder benachteiligt werden.
Warum steht am Ende des Vorspanns "Für Hannelore Elsner"?
Der "Tatort" war der letzte Film, den die am 21. April 2019 im Alter von 76 Jahren verstorbene Hannelore Elsner beenden konnte. Die Dreharbeiten fanden vom 5. März bis 3. April 2019 in Frankfurt und Umgebung statt und bedeuteten für die schwer an Krebs erkrankte Schauspielerin einen großen Kraftakt.
Der Drehort war die ehemalige Zentrale des Versandhändlers Neckermann in Frankfurt-Fechenheim; in dem Fabrikgebäude wurde für Hannelore Elsner laut der "Bild"-Zeitung eine Art Schlafzimmer aufgebaut, damit sie sich regelmäßig ausruhen konnte.
Ihre Erkrankung – zuerst Brustkrebs, zu dem später Leukämie kam - hielt sie vor der Öffentlichkeit bis zuletzt geheim. Ihr Sohn Dominik, der aus Elsners Beziehung mit dem Regisseur Dieter Wedel stammt, erzählte dem "Stern" später, seine Mutter wollte nicht darüber sprechen. Sie habe gesagt: "Wenn ich so viel über den Tumor rede, dann stachele ich ihn noch an, und er frisst mich noch mehr auf."
Seit Beginn ihrer Karriere in den 60er Jahren war die vielfach preisgekrönte Darstellerin sowohl in Charakterrollen als auch Unterhaltungsfilmen zu sehen. Als "Die Kommissarin" ermittelte sie bereits 1994 bis 2006 in Frankfurt: Zusammen mit Til Schweiger als Assistent spielte sie in der Krimiserie die Titelrolle der Lea Sommer.
War der "Tatort" also ihr letzter Film?
Nein, das Erste zeigt zu Ehren Hannelore Elsners am Mittwoch, 29. April außerdem "Lang lebe die Königin" (online bereits ab dem 22. in der Mediathek zu sehen). In der Tragikomödie spielt Elsner die an Krebs erkrankte Mutter einer Fernsehmoderatorin, die sich weigert, ihr eine Niere zu spenden, weil sie unter den Bösartigkeiten der Mutter zu oft leiden muss.
Marlene Morreis, die im Film Elsners Tochter spielt, erzählte der ARD, sie habe Elsner vor Drehbeginn gefragt, ob ihr die Rolle nicht unangenehm sei: "Sie meinte nur lachend, sie sei schon so oft vor der Kamera gestorben, das sei für sie nichts Ungewöhnliches. Der Satz hat heute natürlich eine ganz andere Bedeutung."
Die Arbeit an diesem Film musste Elsner vier Tage vor Drehschluss abbrechen, unter Pseudonym wurde sie in ein Münchner Krankenhaus eingeliefert, wo sie am Ostersonntag 2019 starb. Die fünf fehlenden Szenen, in der Elsner hätte auftreten sollen, wurden mit Iris Berben, Hannelore Hoger, Eva Mattes, Gisela Schneeberger und Judy Winter als Hommage an die Kollegin fertig gedreht.
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