Ein Mord bei viel Kaffee und Kuchen: "In seinen Augen" ist der passende "Tatort" zur Sommerpause. Heike Makatsch als misstrauische Kommissarin mischt die Beziehung zwischen einer älteren Millionenerbin und einem jungen Ex-Sträfling auf. "In seinen Augen" ist ein ziemlich betulicher "Tatort", aber wenigstens ungewöhnlich erzählt.
Kommissarin Ellen Berlinger (
Man braucht aber gar keinen kriminalistischen Spürsinn, um den Fall schon nach dem ersten Eindruck klären zu wollen – nur eine ordentliche Portion Vorurteile: Der gutaussehende, junge Hannes Petzold saß sechs Jahre wegen Betrugs älterer Damen im Gefängnis. Seit Kurzem ist er der Freund der frisch verliebten Charlotte Mühlen (
"In seinen Augen": Wenn Vorurteile die Ermittlungen übernehmen
Charlotte Mühlen ist furchtbar nett – im langweiligsten Sinne des Wortes. So eine hätte ein Typ wie Petzold vielleicht gerne zur Mutter, aber doch nicht als Liebhaberin! Allerdings ist sie auch beste Freundin und Alleinerbin der stinkreichen Industriellenwitwe Bibiana Dubinski. "
Kommissarin Berlinger ist dermaßen fest von der Richtigkeit ihres Verdachts überzeugt, dass sie alle Beteiligten wie Verdächtige behandelt, und Unterhaltungen führt, die verdächtig nach Vernehmungen aussehen. Kommissar Martin Rascher (Sebastian Blomberg) unterstützt sie, weil er Vertrauen in die Instinkte der Kollegin hat. Die Beweislage sieht allerdings anders aus, weshalb die beiden von Staatsanwältin Jasmin Winterstein (Abak Safaei-Rad) eine Standpauke in Form eines Schnellkurses im Strafprozessrecht bekommen.
Von der Zerbrechlichkeit des Vertrauens
Viel spannender als die von Winterstein beanstandeten Ermittlungsfehler ist aber das Prinzip, nach dem das Strafrecht angelegt ist: Gerechtigkeit. Es geht nicht nur um angemessene Strafen. Es geht darum, unbedingt von der Unschuld eines Verdächtigen auszugehen, solange die Schuld nicht eindeutig bewiesen ist. Es geht um das Recht auf zweite Chancen, auf Resozialisierung. Mit anderen Worten: Es geht um Vertrauen.
Darum dreht sich auch dieser "Tatort": Um Vertrauen nicht als Gesetzesgrundlage, sondern als Gefühl. Und um den Widerspruch dieser beiden Modelle. Es geht darum, wie leicht sich Vertrauen erschüttern lässt. Wie schwer und wie einfach es zu gewinnen ist: Charlotte Mühlen ist verliebt, und nichts an Hannes Petzolds Benehmen gibt ihr Anlass zur Kritik – also vertraut sie ihm. Auch Ellen Berlinger hat objektiv nichts gegen Petzold in der Hand, aber als erfahrene Kommissarin misstraut sie ihm instinktiv. Die Haltung beider Frauen wird erschüttert, und beide haben daran zu tragen.
Drehbuchautor Thomas Kirchner ("Spreewaldkrimi") und Regisseur Tim Trageser erzählen ihre Geschichte mit Rückblenden auf verschiedenen Zeitebenen. "In seinen Augen" beginnt mit der Verhaftung von Hannes Petzold. Dann erst erfahren die Zuschauerinnen und Zuschauer in Episoden, die fast wie Momentaufnahmen wirken, wie es zu der Verhaftung kam. Auch, wieso die Staatsanwältin sich dermaßen aufregt. Dann müssen Berlinger & Rascher weiterermitteln – jetzt mit Informationen, die ihnen (und den Zuschauerinnen und Zuschauern) vor der Verhaftung fehlten.
"Tatort" bringt Heimeligkeit pünktlich zur Sommerpause
Das bringt Leben in die Geschichte – eine Lebendigkeit, die "In seinen Augen" allerdings auch nötig hat. Denn die Dynamik der Erzählform fehlt den Figuren. Sie bleiben blass und psychologisch simpel – es sei denn, man findet die Beziehung zwischen älterer Dame und jungem Mann bahnbrechend, oder die Vorverurteilung eines Vorbestraften mitreißend genug.
Viele Szenen dieses "Tatort" spielen im schönen Garten von Charlotte Mühlen oder bei Kaffee und Kuchen, manchmal auch bei Kaffee und Kuchen im Garten. Eine betuliche Heimeligkeit prägt den ganzen Film, da können sich Ellen Berlinger und Staatsanwältin Winterstein noch so aufregen, kann Hannes Petzold noch so seine tätowierten Muskeln zucken lassen. Auch wenn "In seinen Augen" mit einer durchaus überraschenden Wendung aufwarten kann – es ist ein recht einfach gestrickter Sommerkrimi, mit dem der "Tatort" sich in die Sommerpause verabschiedet.
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