Unangenehme Entscheidungen und Arbeiten schieben wir gern einmal auf bis zum letzten Moment. Doch wie verändert sich unser Alltag, wenn jede Aufgabe wirklich sofort erledigt wird?
"Nicht gleich, sondern jetzt", pflegte meine Mutter zu sagen, wenn ich als Kind einen Arbeitsauftrag - Aufräumen, Hausaufgaben machen... - mit der vagen Zeitangabe "Glaaaaheich" quittierte. Der Erfolg dieser Erziehungsmaßnahme war leider nur mittelmäßig. Deshalb werde ich nun im Rahmen eines Selbstversuchs die Worte "gleich", "später" und "morgen" für sieben Tage komplett aus meinem Wortschatz streichen. Jede Aufgabe wird ohne Kompromisse erledigt! Und zwar sofort!
Gerade die kleinen, eigentlich gar nicht so unangenehmen Dinge schiebe ich seltsamerweise gerne mal auf, bis es gar nicht mehr geht – oder auch darüber hinaus. Schon mehr als einmal hatte ich eine Mahnung im Briefkasten, weil ich die längst fällige Überweisung aus unerklärlichen Gründen immer wieder auf "später" verschoben habe. Nach dem Motto "Das hat doch auch noch Zeit bis morgen" buche ich Bahntickets und Hotelzimmer oft erst, wenn alle Schnäppchen weg sind. Und ärgere mich dann über mich selbst, weil ich schließlich lang genug Zeit gehabt hätte.
Jetzt bewege ich mich aber
Damit soll jetzt Schluss sein! Das fängt schon beim Aufwachen am Montagmorgen an. Automatisch bewegt sich meine Hand beim ersten Weckerklingeln zur Schlummertaste, aber diese Woche wird nicht mal das Aufstehen um zehn Minuten verschoben. Weiter geht es mit dem Thema Sport. Meine - zugegebenermaßen optimistisch - anvisierten zwei Sporteinheiten pro Woche verlege ich im Normalfall täglich nach hinten – bis zum Wochenende, an dem das Wetter seltsamerweise immer zu gut oder zu schlecht ist. Jetzt bewege ich mich aber tatsächlich am Montagmorgen um 8:30 Uhr vom "Herabschauenden Hund" in die "Katze", auch wenn "Schlafendes Murmeltier" meinen Zustand wohl eher beschreiben würde. Das kommt beim Yoga nur leider nicht vor.
Trotzdem: Nachdem ich nun ausnahmsweise mal pünktlich aufgestanden bin und schon den ersten Programmpunkt für diese Woche abgehakt habe, fühle ich mich irgendwie freier und motivierter als sonst. Zeit, mit der Arbeit zu beginnen. Oder doch erst noch schnell die Spülmaschine ausräumen? Das sollte auch gemacht werden. An dieser Stelle beginnt das nächste Dilemma: Alles muss erledigt werden, aber in welcher Reihenfolge? "Die meiste Zeit verschwendet man, während man überlegt, was man zuerst macht", sagt mein Mann, der meine Vorliebe für strukturiertes Arbeiten so gar nicht teilt. Ganz Unrecht hat er damit wohl nicht. Und ist das Erstellen einer To-Do-Liste nicht selbst schon ein kleiner Akt der Prokrastination?
Ich entscheide mich, zunächst einmal alle über die vergangenen Wochen liegengeblieben Dinge zu erledigen, damit ich meine Woche ohne Aufschieben mit einem leeren Schreibtisch starten kann. Ablage, längst fällige Anrufe und E-Mails – da haben sich doch eine ganze Menge Sachen angesammelt, die ich immer wieder auf "später" verschoben hatte. Die Spülmaschine räumt in der Zwischenzeit mein Mann aus.
Aufgabe wird erledigt, wenn sie anfällt
Nach diesen Anfangsschwierigkeiten wird in den nächsten Tagen tatsächlich jede Aufgabe dann erledigt, wenn sie anfällt: Rechnungen bleiben nicht bis zum Fälligkeitstermin liegen, Anfragen beantworte ich umgehend, die Pfandflaschen bringe ich bei diesem und nicht beim nächsten (oder übernächsten oder überübernächsten) Einkauf zurück, und die Wäsche hänge ich auf, sobald sie fertig gewaschen ist - auch wenn die Waschmittelwerbung verspricht, dass ich die nassen Textilien problemlos noch stundenlang in der Maschine lassen könnte. Mitte der Woche kann ich sogar schon einen Haken hinter mein angestrebtes Sportpensum machen.
Trotz allem bleibt ein ständiger Konflikt bei der Priorisierung der Aufgaben. Immer wieder muss ich meine Arbeit unterbrechen, um sofort eine E-Mail zu beantworten, wie es die Spielregeln meines kleinen Experiments verlangen. Das bringt mich mitunter ziemlich aus dem Takt. Andererseits bin ich erstaunt, wie viel entspannter ich meine Freizeit plötzlich genießen kann, weil die sonst ständig nervende "Morgen musst du dann aber wirklich..."-Stimme in meinem Kopf verstummt ist.
Nach sieben Tagen Selbstversuch in Sachen Soforterledigung bleibt also die Erkenntnis, dass sich das ständige Aufschieben von Kleinigkeiten deutlich negativer auf die Lebensqualität auswirkt, als ich bisher vermutet habe. Da es aber im Alltag nicht dauerhaft praktikabel ist, wirklich jede Aufgabe unmittelbar zu erledigen, will ich in Zukunft zumindest darauf achten, dass aus "später" kein "morgen" mehr wird. Ich fange gleich morgen damit an!
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