Monatelang gab es um das "Fusion"-Festival Ärger. Die Polizei hatte plötzlich das bestehende Sicherheitskonzept bemängelt und wollte mit mobilen Wachen und Streifen mehr Präsenz zeigen; sogar Räumpanzer und Wasserwerfer sollten bereitstehen. Veranstalter und Anwohner sahen das als No-Go und betonten die besonders friedliche Stimmung auf dem Festival. Nun ist der Streit beigelegt - Zehntausende werden auf dem Festival an der Mecklenburgischen Seenplatte erwartet.

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Nach monatelangen Diskussionen um das Sicherheitskonzept startet am Mittwoch (26.6.) in Lärz in Mecklenburg-Vorpommern das Festival "Fusion" (sprich: fjuschn). 70.000 Besucher werden bis 30. Juni in der Gemeinde im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte erwartet. Behörden und Organisatoren seien gut vorbereitet, sagte eine Sprecherin der Polizei Neubrandenburg.

Es werde eine Polizeiwache am Eingang eingerichtet und Beamte könnten anlassbezogen das Gelände betreten. "Wir haben einen freundlichen und konstruktiven Austausch", sagte Linus Neumann vom Veranstalter Kulturkosmos Müritz.

Vergessen ist ein vor rund einem Monat beigelegter Streit aber nicht. Polizei, Überwachung und Kontrolle werden zum "künstlerischen und inhaltlichen Motto der diesjährigen Fusion", schrieben die Veranstalter Ende Mai in einem Newsletter.

Sicherheit seit Loveparade-Katastrophe und Anschlag an der Berliner Gedächtniskirche neu bewertet

Auf dem Programm stehen Vorträge mit den Titeln "Schöne neue Polizeigesetze" und "Drogen und Verkehrssicherheit". Auch der Konflikt um das Einsatzkonzept wird in einem Talk "#fusionbleibt" aufgearbeitet.

Anfang Mai war der bereits seit November lodernde Streit zwischen Polizei und Kulturkosmos öffentlich geworden. Nach 22 Jahren "Fusion" hatte Neubrandenburgs Polizeipräsident Nils Hoffmann-Ritterbusch erstmals eine Wache und anlasslose Streifen auf dem 100 Hektar großen privaten Festivalgelände gefordert.

Die Polizei verwies auf eine neue Versammlungsstättenverordnung, die seit 2018 in Mecklenburg-Vorpommern gelte. Nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg 2010 und dem Terroranschlag an der Berliner Gedächtniskirche 2016 werde Sicherheit bei Großveranstaltungen anders gesehen.

Beim Hurricane gehören Polizeistreifen dazu

Bei anderen Festivals wie dem "Hurricane" in Niedersachsen mit vergleichbaren Besucherzahlen gehören mobile Polizeiwachen und Streifen auf dem Gelände seit vielen Jahren dazu. Zur "Fusion" passe die ständige Polizeipräsenz jedoch nicht, argumentierten die Veranstalter: "Unsere Gäste haben den ganz klaren Wunsch nach Privatsphäre", sagte Neumann.

Das alternative, nicht-kommerzielle Festival verspreche "vier Tage Ferienkommunismus" mit Musik, Theater, Kino, Performance, Installationen sowie vegetarischer Kost. Es gibt keine Sponsoren und keine Werbung.

Die "Fusion" wolle eine Parallelgesellschaft schaffen; eine Flucht aus dem Alltag sein und zeigen, wie eine bessere Welt aussehen könnte, schreibt der Kulturkosmos auf seiner Website. Und zu diesem Konzept gehöre auch die Eigenverantwortung: Das Festival sei so sicher wie ein Kirchentag, weil man aufeinander Acht gebe.

"Fusion"-Festival: Polizei wollte Räumpanzer und Wasserwerfer bereitstellen

Für Spannungen hatte ein vorläufiger Einsatzplan vom März gesorgt, in dem laut einem Bericht von "Zeit Online" etwa 100 Beamte rund um die Uhr im Schichtdienst auf dem Gelände unterwegs sein sollten. Zudem sei vorgesehen gewesen, Räumpanzer und Wasserwerfer bereitzustellen.

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) verteidigte die Suche nach neuen Einsatzkonzepten zunächst: "Was man 20 Mal falsch gemacht hätte - möglicherweise - muss man nicht ein 21. Mal falsch machen", sagte Caffier. Einige Wochen darauf versprach er jedoch, dass die Fusion nicht an der Polizei scheitern werde.

Der Clinch ums Sicherheitskonzept schlug hohe Wellen: Rund 138.000 Menschen unterzeichneten eine Petition, die sich gegen anlasslose Polizeipräsenz auf friedlichen Kulturveranstaltungen aussprach.

Anwohner unterstützen Veranstalter der "Fusion"

In Lärz demonstrierten Einwohner für "ihre" Fusion. Die Polizei habe ein fiktives Bedrohungsszenario aufgebaut, sagte der Bürgermeister des Ortes, Hartmut Lehmann (CDU). Auch die Schauspielerin Meret Becker ("Tatort") setzte sich für die Veranstaltung ein: "Ich habe selten so viele friedfertige Menschen erlebt wie bei der Fusion."

Die Polizei beginnt schon vor Festivalbeginn mit Verkehrskontrollen an den Zufahrtswegen. Neben der Fahrtüchtigkeit der Fahrer wird besonders auf möglichen Drogenhandel hin kontrolliert.

Wie viele Beamten in diesem Jahr im Einsatz sind, wollte die zuständige Polizeibehörde nicht sagen. Es seien aber weniger als die in dem alten Sicherheitskonzept diskutierten 1.000 Polizisten.  © dpa

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