Der Weltreisende ist zurück: Für sein neues Album "Federn" war Hubert von Goisern in den Südstaaten der USA unterwegs. Seit Ende April läuft die Kino-Dokumentation "Brenna tuat's schon lang" über sein Leben. Wir haben mit dem Musiker über Frust, Kommerzpop und Ewiggestrige gesprochen.
Am 24. April ist der Dokumentarfilm "Brenna tuat's schon lang" gestartet. Der Film beginnt mit einer ruhigen Sequenz, wie du dem Boot auf einen See hinausfährst. Im Hintergrund läuft "Heast as ned". Stimmt der Eindruck, dass es dir vor allem darum gegangen ist, mit dem Film einen Abriss über dein Leben und deine Karriere zu zeigen?
Hubert von Goisern: Der Film ist eine Bestandsaufnahme, aber nicht von mir - hauptsächlich vom Regisseur. Die Idee dazu hatte Hage Hein, mein Manager. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich nicht darin vorkommen will. Ich bin befangen, wenn es um mich selber geht, und kann nichts beitragen. Hage hat dann zwei Stunden zusammenmontiert, und ich war entsetzt. Ich habe ihn gesagt: "Wenn du schon einen Film machen willst, hol' jemand, der Ahnung davon hat." Also hat er
Noch recht am Anfang des Films sagst du: "Wenn du mit dem Ist-Zustand haderst, bist du schlecht aufgestellt, weil es ist, wie es ist." Womit haderst du? Und wie gehst du mit Frustsituationen um?
Ich versuche, das genau so anzugehen: nicht hadern, weil es nichts bringt. Das heißt nicht, dass ich nicht manchmal gefrustet bin. Über meine Musik bringe ich zum Ausdruck, was mich bewegt. In Zeiten wie diesen regt mich auf, dass im stinkreichen Mitteleuropa viele Leute unter der Armutsgrenze leben und sich mit unterbezahlten Jobs über Wasser halten müssen. Und unsere Politiker sind unfähig, denen Herr zu werden, die dauernd den Rahm abschöpfen und kaum oder keine Steuern zahlen. Da bin ich fassungslos!
Du erzählst im Film von deiner ersten Begegnung mit der Ziehharmonika im Rausch. Wie kam's dazu?
Mein Großvater hatte mir die Harmonika geschenkt. Dann stand sie fünf Jahre in der Ecke. Ich mochte das Instrument nicht, mochte die Leute nicht, die es spielen. Das war für viele Leute - nicht nur für mich - der Inbegriff des Tümelnden und Ewiggestrigen. Im Schnapsrausch habe ich versucht, den Balg zu zerreißen, und gemerkt, dass die Harmonika unglaublich geil klingt. Mich hat es damals gewundert, dass vorher noch niemals jemand solche Musik auf diesem Instrument gespielt hat.
Wie war es für dich, die ganzen alten Filmausschnitte zu sehen?
Da gibt es schon ein paar Sachen, die mir taugen, die ganz gelungen sind. Es gibt auch Sachen, die ich nicht so gern noch einmal sehe. Grundsätzlich muss man aufpassen: Wenn man sich das zu häufig anschaut, bildet man sich bald viel auf sich ein. Und das ist lähmend für das, was man jetzt macht oder als nächstes machen will.
Trifft es dich heute noch, wenn dir jemand vehement sagt, das was du machst, ist kommerzieller Pop?
Das hat man mir früher vorgeworfen. Es gibt vielleicht noch ein paar Kleinkarierte, die das nach wie vor so sehen, aber das kratzt mich jetzt weniger. Damals hat es mich ziemlich aufgeregt. Aber das war auch eine spannende Diskussion. Es gibt für einen Künstler nichts Lässigeres, als wenn er ein Tabu entdeckt hat, an dem sich die Geister scheiden. Als Künstler fliegst du normalerweise entweder hoch oben oder du bist im Underground. Damals war ich sowohl im Underground als auch der Überflieger. Und es haben sich eine Menge Leute auf mich eingeschossen.
Nur weil sich etwas gut verkauft, muss es nicht schlecht sein. Ich mache die Musik in erster Linie für mich, spiele das, was mir gefällt - und zähle darauf, dass es einigen anderen auch gefällt. Ich könnte nicht für jemand anderen Musik machen, nur damit sie erfolgreich ist.
Du hast selber schon Dokumentationen gedreht und produziert. Wie war die Zusammenarbeit mit Marcus H. Rosenmüller?
Er hatte komplett freie Hand. Und ich hab mich auf ihn verlassen. Manche Regisseure müssen ein ganz großes Kapperl aufhaben, sonst kommen sie sich nackt vor. Der Rosi hat das Kapperl auf, muss es aber nicht dauernd durch die Luft schwenken. Er kann sein Konzept ändern, wenn er merkt, dass er sich in was verrannt hat, und auch über sich selbst lachen. Diese Flexibilität finde ich bei Künstlern ganz wichtig.
Rosenmüller hat bisher hauptsächlich Spielfilme gedreht. Habt ihr daraus Inspirationen ziehen können oder war das deiner Vorstellung eher hinderlich?
Von dem, was ich von Rosenmüller vorher gesehen hatte, war ich mir sicher: Das kann kein Trottel sein. Aber inhaltlich hatte das für mich keinen Einfluss auf den Film. Vielleicht war's ganz gut, dass er einen ähnlichen geografischen Hintergrund hat wie ich, weil er manche Dinge anders versteht als ein Regisseur, der mit den Bergen nichts am Hut hat.
Du warst für dein neues Album "Federn", das am 8. Mai erscheint, in den USA unterwegs. Was hat dich an den Südstaaten am meisten beeindruckt?
Diese Musik, gerade im Süden, Country-Musik und Cajun, ist vor etwa zweihundert Jahren von Auswanderern aus Europa mitgebracht worden. Da ist Volksmusik zur Countrymusik geworden. Wir haben gemeinsame Stammväter, und das wollte ich offenlegen.
Das war spannend, aber auch ganz, ganz schwer. Es wäre im Jazz- und Popbereich leichter - diese Welt ist offener. Aber wenn es um Country- und Volksmusik geht: Da sind die Eingnahten. Ich habe Musiker zu mir eingeladen. Mit einem Pärchen aus Louisiana wollte ich jammen. Nach einer halben Stunde habe ich etwas gespielt, das sie kennen, "Amazing Grace". Sie haben nicht mitgespielt. Weil es eine protestantische Hymne sei - und sie Katholiken. "Don't Mess With My Toot Toot" haben sie auch nicht gespielt. Weil sie kein Lied spielen, das ein Schwarzer geschrieben hat.
Auf "Federn" hast du bekannte Künstler wie Hank Williams und oder Lieder wie "Amazing Grace" und "Oh, Susanna" gecovert - und freilich mit deinem eigenen Text versehen. Wie entsteht die Idee zu so einer Cover-Version?
Ich bin mit Blues aufgewachsen. Er war für mich der musikalische Türöffner. Von dort bin ich zurückgekommen in die Volksmusik. Ich dachte mir, man kann die Volksmusik ja auch so spielen, denn das ist genau das Bluesschema. Und das habe ich bei diesen Titeln versucht: sie so klingen zu lassen, als wären sie immer schon so gewesen. Das hat einen Reiz, diese Grenzen zu verwischen. Zu Cajun-Nummern kann ich 1:1 das spielen, was bei uns in den Landlern oder Steirern drinnen ist.
Du warst in Afrika, Tibet, Ostgrönland, schipperst die Donau rauf und runter, bist gefühlt dauernd unterwegs. Empfindest du dich als Getriebenen?
Früher war ich viel unterwegs, weil ich neugierig war. Seit vielen Jahren passieren mir die Reisen eher. Ich plane sie nicht. Es kommt irgendjemand daher und sagt: "Komm, schau da mal vorbei, ich möcht dir was zeigen." Und dann fahre ich dorthin.
Der deutsche Reisejournalist Helge Timmerberg ist auch ein ewig Reisender. Er glaubt, er kann nirgendwo mehr zuhause sein, weil es noch so viel zu entdecken gibt. Geht es dir da ähnlich?
Ich habe eine Hierarchie der Heimaten, aber ganz oben steht schon das Salzkammergut. Diese Sprachmelodie, das ist eine totale Vertrautheit. Es ist etwas da, das beginnt zu schwingen, das vermittelt mir: Das kenne ich, ewig schon. Das ist Vertrautheit, das ist ein Nestgefühl. Das hat für mich mit Sicherheit zu tun. Es lauern auch in der Heimat Gefahren, aber man weiß, wo sie sind.
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