Zürich (dpa) - Er hat Klatschtanten humorvoll in den Sahnetod geschickt und griechischen Wein zum Ohrwurm gemacht. Er hat Spießigkeit und Heuchelei in ehrenwerten Häusern entlarvt. Und immer, immer wieder hat Udo Jürgens die Hoffnung und die Liebe hochleben lassen.
Jetzt ist der große Entertainer im Alter von 80 Jahren gestorben. Hits mit klugen Texten zu wunderbaren Melodien waren sein Markenzeichen - und sind nun als Evergreens sein Vermächtnis.
Seine Erfolge schmücken Rekordstatistiken:
Seine Live-Auftritte mit Hits wie "Es wird Nacht, Señorita", "Aber bitte mit Sahne", "Griechischer Wein" oder "Immer wieder geht die Sonne auf" waren lange Zeit einfach Kult. Bei Tourneen durch fast ganz Europa erlebten Millionen Udo Jürgens auf der Bühne - samt seiner legendären Zugaben im weißen Bademantel.
Schon als Junge spielte der 1934 in Klagenfurt geborene Sohn der großbürgerlichen deutsch-österreichischen Familie Bockelmann Mundharmonika und Akkordeon, bald auch Klavier. Doch beinahe wäre in der ungeliebten Hitlerjugend die Musikerkarriere des Udo Jürgen Bockelmann verhindert worden: Damals bekam das junge Talent eine so brutale Ohrfeige, dass dadurch seine Hörfähigkeit auf einer Seite vermindert wurde.
Krieg und Nachkriegszeit seien auch für ihn bedrückende Jahre gewesen, berichtete Jürgens 2004 in seinem Bestseller "Der Mann mit dem Fagott". Damals entstand wohl schon jenes "unstillbare Harmoniebedürfnis", zu dem Jürgens sich stets bekannte.
Manch anderen in der Unterhaltungsbranche hätte so ein Grundgefühl zu watteweichem Schmusekitsch verleiten können. Jürgens hingegen bewies als "Chansonnier deutscher Sprache", dass Popmusik und geistiger Anspruch keineswegs Gegensätze sein müssen. Dafür verlieh ihm die Republik Österreich 1985 den Berufstitel "Professor" - und das, obwohl Jürgens längst in die steuerfreundliche Schweiz umgezogen war, wo der Millionär zuletzt in einer Villa am Zürichsee wohnte.
"Als Komponist und Textdichter ist es Udo Jürgens gelungen, unvergessliche Melodien mit mal heiteren, mal nachdenklichen und philosophischen Texten zu vereinen", hieß es in der Laudatio, als er 2014 in Berlin für sein Lebenswerk vom Musikrechteverwerter Gema geehrt wurde.
Zur deutschen Hauptstadt hatte der Star eine besondere Beziehung. Auch als 1989 die Mauer fiel und Ostdeutsche zu Zehntausenden nach West-Berlin strömten, war Jürgens gerade in Berlin. "Wir haben mehr als nur eine Träne zerdrückt, sind uns mit wildfremden Menschen in den Armen gelegen", berichtete er der Nachrichtenagentur dpa. "Ich habe 5000 Mark genommen und den Leuten in die Tasche gesteckt, in Hundertern, ganz heimlich."
Ein Jahr vorher schon sagte Jürgens mit dem Song "Moskau - New York" das Ende des Kalten Krieges voraus: "In Berlin wird die Mauer von beiden Seiten zerschlagen, als gemeinsame Fackel wird Freiheit ins Morgen getragen."
Die Prophezeiung geriet 1988 angesichts einer Kontroverse in den Hintergrund, die "der Moralist am Klavier" ("taz") mit dem Song "Gehet hin und vermehret Euch" auf demselben Album auslöste. Das Lied wurde als Angriff auf die Haltung des Vatikans zur Empfängnisverhütung gedeutet und bei vielen Rundfunkanstalten mit einem Sendeverbot belegt.
Den internationalen Durchbruch hatte sich der spätere "Schlager-Professor" 1966 bei seiner dritten Teilnahme am Eurovision Song Contest (damals noch: Grand Prix Eurovision) mit einem Lied ersungen, das auf der langen Liste seiner Evergreens weit oben steht: "Merci Chérie".
Lange danach sang Jürgens zur Begeisterung vieler Rentner "Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an. Mit 66 Jahren, da hat man Spaß daran." Doch auch mit fast 80 war für ihn an Ruhestand gar nicht zu denken. Da hatte er gerade ein neues Album veröffentlicht - mit dem leicht koketten Titel "Mitten im Leben".
"Dass ich dieses Album schreiben konnte, in diesem Alter, das erfüllt mich mit einer unheimlichen Hoffnung", sagte er der dpa damals. Bei der zum 80. geplanten "Mitten im Leben"-Tournee sei sein Ziel genau das selbe wie bei all seinen früheren Bühnenshows: "Die Menschen sollen den Konzertsaal glücklich verlassen."
Als Vorteil hohen Alters sah der einst auch als Schürzenjäger bekannte Star an, was für den Kaffeeklatsch freilich eher betrüblich ist: dass er schon lange nicht mehr mit Frauengeschichten von sich reden machte. In den "wilden Jahren" sei es hingegen ganz schon hoch hergegangen, sagte er einmal der dpa. "Ich bin ein Zeitzeuge der 60er und 70er Jahre. Und jeder, der diese Zeit erlebt hat, weiß wovon ich rede."
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