Mit "Jenseits von Eden" feierte Nino de Angelo in den 80ern einen Hit, den er bis heute bei seinen Konzerten zum Besten gibt. Von seinen anderen Schlagersongs hat sich der charismatische Sänger hingegen mittlerweile distanziert. Eine Entscheidung fürs Leben?
Vor vier Jahren begann mit dem Erfolgsalbum "Gesegnet & Verflucht" der musikalische Kurswechsel von
Der 61-Jährige singt über Werte, die man nicht für Geld kaufen kann, und spricht im Interview mit unserer Redaktion über Fragen, die er sich in seinem Leben schon oft gestellt hat. Und auf die er mittlerweile Antworten gefunden hat.
Herr de Angelo, "Irgendwann im Leben willst du nur noch leben ..." singen Sie in einem Song auf Ihrem neuen Album. Ist das die beste Erkenntnis Ihres Lebens?
Nino de Angelo: Das ist sogar die einzige Erkenntnis, weil es nicht sein kann, dass wir unser gesamtes Leben irgendwelchen Träumen hinterherjagen. Natürlich möchte jeder Mensch etwas erreichen, doch man sollte dabei das Leben nicht vergessen. Ich bin schon so vielen Menschen begegnet, die immer nur versucht haben, Vermögen anzuhäufen. Am Ende sind diese Leute aber echt nicht glücklich gestorben. Das möchte ich nicht erleben. Ich habe nicht vor, der reichste Mann auf dem Friedhof zu sein. Materielle Dinge sind "nice to have", aber nicht unbedingt notwendig.
"Mein Haus, mein Auto, mein Boot": Warum ist Ihnen all das heute mit Anfang 60 nicht mehr so wichtig wie zu Beginn Ihrer Karriere?
Weil es nichts ist, was bleibt! Wenn du irgendwann von dieser Welt gehst, kannst du nichts davon mitnehmen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Seele nur die Liebe mitnimmt. Sicherlich neigen wir dazu, alles haben und mit den Großen mitschwimmen zu wollen, aber bei genauerem Hinsehen wird man erkennen, dass dieser ganze Luxus vergänglich ist. Das Leben genießen, miteinander lachen und weinen: Diese Momente und Werte bleiben für immer.
Wie genau sehen Sie hin, zum Beispiel wenn Sie Ihr Spiegelbild betrachten?
Sich selbst zu spiegeln, ist wichtig, um die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Man sollte sich immer wieder hinterfragen, ob die Dinge, die man tut, richtig sind. Wenn man diese Fragen ehrlich beantwortet und sich selbst erkennt, ist man schon auf einem ganz guten Weg. Schaut man aber in den Spiegel und stellt fest, dass einem der, den man da sieht, nicht gefällt, dann muss man dringend etwas ändern.
Wie oft gab es das schon, dass Ihnen Ihr Spiegelbild nicht gefallen hat?
Vor dieser Situation stand ich schon sehr oft in meinem Leben. Daher war und ist der Blick in den Spiegel für mich lebenswichtig. Es ist ein bisschen so, als würde man sich selbst interviewen.
Welche Interviewfrage stellen Sie sich selbst immer wieder?
Es gibt eine Frage, die ich mir beim Blick in den Spiegel oft gestellt habe – und zwar: "Hey Nino, willst du ewig so weitermachen? Oder willst du die Zeit, die dir bleibt, nutzen, um wirklich etwas Gutes daraus zu machen?" Ich hatte so viele Tiefschläge und so viele Situationen in meinem Leben, in denen ich mich am nächsten Morgen gefragt habe, ob das wirklich nötig war. Nach einer Flasche Whiskey siehst du morgens nicht gut aus. Zwar waren die Probleme dann für eine kurze Zeit mal weg, also im besten Fall für zwölf Stunden, doch natürlich kamen sie jedes Mal wieder zurück. Probleme kannst du nicht ertränken. Heute bin ich der Meinung, dass es für alles eine Lösung gibt. Doch wenn du versuchst, deine Probleme immer wieder zu verdrängen, wirst du irgendwann implodieren.
War vielleicht das größte Problem, dass es Ihnen lange Zeit nicht gelungen ist, sich vom Schlager zu lösen? Erst mit Ihrem Album "Gesegnet & Verflucht" (2021) haben Sie das geschafft.
Natürlich kann man es auch auf die musikalische Ebene beziehen. Ich fing mit Schlager an und feierte große Erfolge. Doch irgendwann habe ich gemerkt, dass ich irgendwie auf der Stelle trete. Ich kam nicht mehr weiter. Mehr als 30 Jahre lang habe ich immer wieder neue Schlager-Platten aufgenommen, weil mir nichts Besseres eingefallen ist. Ich hätte es auch ändern können, wenn ich diese Erkenntnis früher erlangt hätte. Letztendlich bin ich aber einfach nur mit dem Strom geschwommen und habe mich dann gewundert, dass nichts Besonderes passiert. Aber es passiert immer erst dann etwas, wenn du gegen den Strom schwimmst. Und das habe ich getan.
Mit Erfolg, denn das Album landete auf Platz zwei der Albumcharts, wurde mit Gold veredelt.
Das stimmt, aber der Erfolg stand auf einem anderen Blatt. Das Wichtigste war wirklich, es zu tun. Entscheidend war der Entschluss, sich nicht mehr an Plattenfirmen zu binden, die nur Schlager-Alben mit mir machen wollten. Ich wollte das machen, was ich gut finde. Man darf sich nicht dauernd in irgendwelche Schubladen zwängen lassen. Ich bin viel zu groß für eine Schublade – was meine Musikalität und mein Spektrum betrifft. Irgendwann sagte ich zu mir: Dass ich eine außergewöhnlich klingende Stimme habe, muss doch für mehr gut sein als für irgendwelche trivialen Lieder. Selbst wenn dieser Weg weiterhin erfolgreich verlaufen wäre, hätte es mich nicht glücklich gemacht.
Hat Ihnen die Schlager-Community diese Entscheidung übel genommen?
Schlager ist ein Teil von mir, keine Frage. Und ich habe bestimmt viele Fans verloren mit meiner neuen musikalischen Ausrichtung – vor allem die älteren, die überwiegend Schlager-affin sind. Doch ich habe zehnmal so viele Fans dazugewonnen, die das, was ich heute mache, toll finden. Natürlich sind bei meinen Konzerten auch immer ein paar Zuschauer dabei, die meine alten Schlager-Lieder wie "Flieger", "Samuraj" oder "Ich sterbe nicht nochmal" fordern.
Erfüllen Sie dann diese Fan-Wünsche?
Es tut mir leid, aber ich kann es nicht. Ich singe die alten Songs dann zwar gerne mal a cappella an, aber dann ist auch gut (lacht). Den einzigen Song, den ich aus meiner Vergangenheit mitgenommen habe, ist "Jenseits von Eden". Dieser Titel ist einfach eine Vollgranate und mit seiner Tiefe nicht ohne Grund ein Kult-Hit. Was die anderen 200 Songs angeht, die ich früher gemacht habe, sage ich jedoch: "Leute, bitte lasst mich damit in Ruhe." Die Erkenntnis, dass man einen Hit wie "Jenseits von Eden" nicht toppen kann, kam bei mir viel früher als bei vielen anderen. Es hat mich sehr unglücklich gemacht, mich nicht aus diesem Hamsterrad befreien zu können. Ich habe nicht umsonst zur Flasche und zu den Drogen gegriffen.
Heute können Sie wieder in den Spiegel schauen – und Ihren Kindern in die Augen. Was wollen Sie mit Ihrem Song "Du bist mein Fleisch und Blut" ausdrücken?
Der Song zielt auf das Vater-Kind-Verhältnis ab. Wenn du Kinder hast, dann wirst du dich immer um sie sorgen. Schon meine Mutter hat gesagt: "Kleine Kinder, kleine Sorgen! Große Kinder, große Sorgen!" Früher habe ich immer darüber gelacht, heute kann ich sie verstehen. Meine Kinder sind mittlerweile groß und Gott sei Dank gesund und munter. Dafür bedanke ich mich in diesem Song auch bei der Mutter meiner Kinder. Als ich das Lied damals im Demo-Zustand meinem Sohn vorspielte, stand er auf, nahm mich in den Arm und sagte: "Danke, Papa!"
Im vergangenen November besuchten Sie einen Auftritt Ihres Schwiegersohnes David Puentez, der ein bekannter deutscher DJ ist. Sie wurden sogar auf die Bühne geholt und vom Publikum gefeiert. War das so geplant?
Nicht ganz. Ich hatte mitbekommen, dass mein Schwiegersohn auf der Bühne ganz schön die Hütte abbrennt. Seine Shows sind gigantisch. Das habe ich ihm dann auch gesagt und angekündigt, dass ich gerne zu einem seiner nächsten Konzerte kommen würde. Er antwortete: "Dann komm' doch nach Stuttgart! Aber dann singst du auch einen." Letztendlich haben wir dann tatsächlich "Jenseits von Eden" präsentiert – es war megageil. Dass die jungen Leute mitsingen konnten, hat mir mal wieder gezeigt, wie stark und generationsübergreifend dieser Song ist.
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Heute entstehen Hits auch mit Unterstützung von Künstlicher Intelligenz. Greifen Sie beim Songwriting auf KI-Tools wie ChatGPT zurück?
Wenn ich beim Songwriting mal nicht weiterkomme und eine Zeile für den nächsten Vers suche, dann tippe ich das ein, was ich für den jeweiligen Song bereits habe und lasse mir weitere Vorschläge von der KI geben. Zum Beispiel bin ich so bei meinem Song "Tanz im Regen" vorgegangen. Die Ergebnisse habe ich dann genommen und so umgeschrieben beziehungsweise angepasst, dass sie zu mir und meinem Song passen. Es hat mich wirklich inspiriert, ein guter Impulsgeber. Aber ich halte nichts davon, komplette Texte oder Musik von der KI schreiben zu lassen.
Was steht auf Ihrer Bucket List? Was wollen Sie "Irgendwann im Leben" unbedingt mal tun?
Irgendwann im Leben möchte ich ein Nummer-1-Album. Irgendwann im Leben möchte ich in der Münchener Olympiahalle spielen. Und irgendwann im Leben möchte ich ein Haus am Meer oder an einem schönen See.
Über den Gesprächspartner
- Nino de Angelo ist ein deutscher Musiker italienischer Abstammung. Der als Domenico Gerhard Gorgoglione in Karlsruhe geborene Sänger hatte 1983 mit dem Hit "Jenseits von Eden" seinen großen Durchbruch. Er trat regelmäßig in der "ZDF-Hitparade" auf und nahm 1989 mit dem von Dieter Bohlen produzierten Song "Flieger" am Eurovision Song Contest teil (Platz 14). Mit dem Nummer-2-Album "Gesegnet & Verflucht" wagte er 2021 einen musikalischen Neustart, 2023 folgte "Von Ewigkeit zu Ewigkeit".
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