• Seit über 20 Jahren ist die Kunstfigur Atze Schröder ein Dauerbrenner im deutschen TV.
  • Mit seiner neuen Biografie und seiner Open-Air-Tour will er beweisen, dass auch ein "Ruhrgebiets-Proll" mit der Zeit gehen kann.
  • Im Interview mit unserer Redaktion spricht der 56-Jährige über den neuen Comedy-Zeitgeist, "LOL"-Anfragen und das schnelle TV-Aus der "7 Tage, 7 Köpfe"-Neuauflage.
Ein Interview

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Herr Schröder, Sie haben Ihre Biografie "Blauäugig – Mein Leben als Atze Schröder" veröffentlicht und sind aktuell auf Open-Air-Tour. Bei Ihnen ist momentan offenbar "Alles Atze", korrekt?

Atze Schröder: Das kann man so sagen, ja. Zudem ist "Blauäugig – Mein Leben als Atze Schröder" inzwischen als Hörbuch erschienen. Wer also meine sanfte Reibeisenstimme auch noch zu Hause auf den Ohren haben möchte, der kann das Hörbuch bestellen.

Das Verfassen von Büchern ist für Sie kein Neuland. Ihr Werk "Und dann kam Ute" eroberte die "Spiegel"-Bestsellerliste. Wie groß ist der Erfolgsdruck, der auf Ihnen lastet?

Druck ist das nicht, sondern eher Neugierde. Da Till Hoheneder, mit dem ich die Biografie verfasst habe, ein guter Freund von mir ist, habe ich mich darauf eingelassen, auch die dunklen Seiten meiner Familie zu beleuchten. Diese Seite wäre ich andernfalls vermutlich nicht angegangen.

Atze Schröder arbeitet Familiengeschichte in Buch auf

Von welcher Seite sprechen Sie?

In meiner Familie gab es viele Selbstmorde. Dazu hätte ich mich ohne Till vermutlich nicht geäußert. Aus seiner Sicht gehörte dieses Kapitel aber unbedingt dazu. Auch die Geschichte meines Vaters, der aus dem Krieg zurückkehrte, fällt in diese Kategorie. Es gehörte schon etwas Mut dazu.

Wie schwierig war für Sie dieser Spagat als Comedian, dessen vorrangige Aufgabe es doch eigentlich ist, Menschen zum Lachen zu bringen?

Es ist ein Spagat, keine Frage. Aber durch die "Markus Lanz"-Sendung, in der mir die Geschichte einer Holocaust-Überlebenden sichtlich nahegegangen war, fiel es mir etwas leichter. Dort und in dem Podcast "Hotel Matze" habe ich emotional erstmals vor der Öffentlichkeit "aufgemacht". Vorher hätte ich nie gedacht, dass sich Leute dafür interessieren würden, was mich privat bewegt. Und ich ahnte nicht, dass es auch unterhaltsam sein könnte. Die positive Resonanz hat mir geholfen, diesen Mut bei meinem Buch aufzubringen.

Ihre Open-Air-Tournee heißt "Echte Gefühle". Das passt ins Bild. Was tun Sie denn dafür, dass auch der Typ ganz hinten am Bierstand in Ihre Gefühlswelt eintauchen kann?

Die wichtigste Aufgabe eines Stand-Up-Komikers ist es, die Leute mitzunehmen. Ganz unbescheiden gebe ich zu, dass zu einem gehörigen Teil Talent dazugehört. Üben kann man das nicht. Das hat man oder das hat man nicht. Hinzu kommt eine große Vorfreude, die ich vor jedem Auftritt verspüre. Nur so kann man Menschen meines Erachtens erreichen.

Lampenfieber kennen Sie nicht?

Lampenfieber kannte ich nicht – bis zur Pandemie. Als es im März nach zwei Jahren Pause endlich wieder losging, war ich zum ersten Mal richtig nervös in meinem Leben. Ich stellte mir die Frage, ob ich das überhaupt noch kann.

Atze Schröder: Diese Themen behandelt er auf der Bühne

Mit welchen Themen stellen Sie Ihr Können auf Tour aktuell unter Beweis?

Mein Programm beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen Themen. Angefangen mit der Werbung: "Schwarzkopf" zum Beispiel verspricht uns ein langes, verführerisches Haar. Gehalten werden kann dieses Versprechen natürlich nicht. Ich selber habe früher Werbung für den "Bruzzler" gemacht. Wie so eine Bratwurst von "Bruzzler" schmeckt, weiß ich allerdings bis heute nicht (lacht). Über diese "Fake-News" möchte ich zu den echten Gefühlen kommen. Das ist mein Ansatz. Mich interessiert, wie das Familienleben in der Realität aussieht.

Sie zeigen also nicht nur mit dem Finger auf andere, sondern nehmen sich offensichtlich selbst in die Pflicht. Ist das typisch Atze Schröder?

Absolut. Das habe ich schon immer gemacht. Im Zweifel haue ich mich für den Gag selbst in die Pfanne. Wenn eine Figur wie Atze die Bühne betritt, ist es wichtig, dass man dieses Augenzwinkern erkennen kann. Atze Schröder nimmt sich selbst nicht ernst.

Warum hat ein waschechter "Ruhrgebiets-Proll" wie Atze in Zeiten von Veganismus und Female Empowerment noch seine Daseinsberechtigung?

Das Schöne ist doch, dass selbst so ein "Proll" mit der Zeit gehen kann. Der Standpunkt, mit dem er auf die Welt blickt, bleibt ja erhalten. Daher bin ich davon überzeugt, dass es auch heute noch lustig sein kann, die Welt durch die blau getönte Brille zu sehen.

Die Figur Atze Schröder hat sich dem Zeitgeist angepasst, sich optisch aber nicht verändert. Warum ist das kein Widerspruch?

Weil genau darin der Reiz liegt. Wenn sich so ein Typ zu bestimmten Themen äußert, dann entsteht die Spannung, die es braucht. Bei einem Stand-Upper ist die Attitüde alles. Wenn das Publikum diesen Standpunkt kennt und verinnerlicht hat, wird vieles, was zunächst banal erscheinen mag, auf einmal witzig.

Auf Ihrer Homepage ist zu lesen, dass Sie der Nation "das Humor-Trostpflaster auf die Seele legen". Ist das Ihre Legitimation dafür, dass Comedy auch in schwierigen Zeiten erlaubt ist?

Zumindest stelle ich zu Beginn meines Programms immer diese Frage: Darf man in alles andere als krisenarmen Zeiten so etwas überhaupt machen? Meine Haltung dazu ist: Man muss es sogar machen, weil es wichtig ist, seine Birne auch mal zwei Stunden auszuschalten. In diesem Moment brandet immer großer Applaus auf. Die Leute scheinen einverstanden zu sein …

Wie steht es um ein "Alles Atze"-Comeback?

Wie einverstanden wäre Ihr Publikum mit einem Comeback von "Alles Atze"?

Daran denke ich nicht. Es ist kein Geheimnis, dass ich Komiker und kein Schauspieler bin. Schauen macht Spaß, Drehen ist eine Sisyphus-Arbeit. Ich würde lieber zum Tiefbau gehen als eine weitere "Alles Atze"-Staffel zu drehen (lacht).

Warum ist das RTL-Comeback von "7 Tage, 7 Köpfe" Ihrer Meinung nach gescheitert?

Diese Sendung lebte damals von der klaren Rollenverteilung: "Der Kleine" (Kalle Pohl), "Der Dicke" (Bernd Stelter), Der "Witzeerzähler" (Mike Krüger), "Die freche Frau" (Gaby Köster) und nicht zuletzt "Der Holländer" (Rudi Carrell). Es war fast wie eine Sitcom. Ich glaube, das hat im Kontext der damaligen Zeit gut funktioniert.

Und das war diesmal anscheinend nicht der Fall …

Genau, bei der Neuauflage fehlte diese Rollenverteilung, es gab ja auch kein festes Ensemble.

Darum lehnte Atze Schröder "LOL" ab

"Alles Atze" oder "7 Tage, 7 Köpfe" haben Sie ausgeschlossen. Wie wäre es mit Bully Herbigs "LOL - Last One Laughing"?

Zunächst einmal gefällt mir dieses Format wirklich sehr gut. Ich liege quer in der Luft, wenn ich zuschaue. Tatsächlich war ich schon angefragt, aber ich bin ungeeignet. Ich würde nämlich sofort lachen und wäre nach einer Minute raus.

Gefällt Ihnen die Comedy-Entwicklung in Deutschland oder war insbesondere das Fernsehen früher besser?

Vielleicht glorifiziert man die alte Zeit auch zu sehr. Früher war auch viel Schrott dabei. Mein Eindruck ist, dass es bei der Unterhaltung ein bisschen weg von der Pointe hin zur Haltung geht. Und das ist doch eine gute Entwicklung...

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