- Die Gastrobranche ist von den Maßnahmen in der Corona-Pandemie besonders betroffen.
- Starkoch Johann Lafer spricht über die Auswirkungen und die Veränderung der Branche.
- "Vielen Gastronomen steht das Wasser bis zum Hals", sagt er.
Zusammen mit Eckart Witzigmann hat
Die Corona-Zwangspause ist verlängert worden: Wie beurteilen Sie die Situation in der Gastronomie derzeit?
Johann Lafer: Ich leide mit und habe großes Mitgefühl mit allen Kollegen und Kolleginnen, die aktuell ein Restaurant betreiben. Selbst bin ich demütig und dankbar, dass ich in diesen Zeiten keinen eigenen Restaurantbetrieb mehr verantworten muss. Aber die Kolleginnen und Kollegen haben Respekt und Anerkennung verdient, weil sie enorm in Hygienekonzepte investiert haben, weil sie alle versuchen, ihre Mitarbeiter zu halten und zu schützen, ebenso ihre Gäste, weil sie kreative Konzepte wie Takeaway oder sogar gemeinnützige Aktionen wie Kochen fürs Pflegepersonal umgesetzt haben. Ich stehe mit vielen von ihnen in Kontakt und mit das größte Problem für alle ist die fehlende Planbarkeit. Das gilt im Übrigen auch für mich: Kochkurse, Banketts, kulinarische Events - fällt alles aus und ist fürs neue Jahr noch nicht planbar.
Werden die Hilfsmaßnahmen der Regierung ausreichen, um die Lokale zu retten oder wird es eine Pleitewelle geben?
Vielen steht das Wasser bis zum Hals und nicht alle haben einen einsichtigen Vermieter, der die Miete stutzt oder sogar aussetzt. Jetzt heißt es sogar, dass die Auszahlungen für November frühestens erst im Januar kommen werden. Ob dann die Hilfsmaßnahmen ausreichen, hängt im Detail von vielen Faktoren in den Betrieben ab: Gibt es Rücklagen, ist man noch liquide, hat man eine gesunde Substanz in der Vergangenheit aufgebaut oder eben alternative Angebote, die ein wenig Ausgleich schaffen? Und letztendlich hängt es auch davon ab, wie lange die Chose noch dauert. Ich bin leider betrübt, weil es viele Betriebe einfach nicht durchhalten können - und das ganz ohne Selbstverschulden.
Wie wird sich die Gastronomie auf längere Sicht durch Corona verändern?
Ich glaube, dass diejenigen, die es schaffen, mit ihrem Restaurant die Krise zu überleben, für die Zukunft immer einen Plan B in der Tasche haben werden. Aus gesellschaftlicher Sicht erhoffe ich mir mehr Respekt und Wertschätzung für die Branche, denn allen muss klar geworden sein, wie allein der soziale Aspekt - sich mit Freunden treffen, gemeinsam genießen, Leute kennenlernen - von den Gastronomen quasi bedient wird. Gastronomie ist system- und kulturrelevant - das hoffe ich für die Zukunft!
Sie haben gerade Ihr neues Buch "Eine Freundschaft - 100 Rezepte" mit Eckart Witzigmann veröffentlicht. Was ist das Wichtigste, was Sie von Herrn Witzigmann gelernt haben?
Ich denke, die wichtigsten Lehren, die ich bis heute mitgenommen habe, sind Disziplin, Durchhaltevermögen, Kreativität und der Mut, immer wieder Neues auszuprobieren. Und immer Spitzenqualität abzuliefern. Aber auch das Wissen, dass du jeden Betrieb nur mit einem guten Team führen kannst. Bei aller Strenge von Witzigmann als Mentor und Chef - der Teamgeist stand an erster Stelle, vom sehr guten Mitarbeiteressen bis hin zum gemeinsamen Fußballspiel. Eckart erzählt immer mit Augenzwinkern, dass er mich nicht nur als den besten Patissier Deutschlands eingestellt hat, sondern auch als Torwart für die damalige Fußballmannschaft der "Aubergine" [Witzigmanns erstes Restaurant; Anm.d.Red.] (lacht). Eckarts Lehrsatz, von Nichts kommt Nichts, gilt bis heute für mich. Es war damals eine unglaubliche Ehre, für ihn zu arbeiten, Witzigmann hat schließlich die deutsche Küche aus ihrem Dornröschenschlaf gehoben, der Titel "Jahrhundertkoch" sagt doch alles.
Verbinden Sie mit der Freundschaft einen ganz besonderen Moment, an den Sie oft zurückdenken?
Freundschaft heißt für mich vor allem: In guten wie in schlechten Zeiten. Und da hat Eckart immer zu mir gehalten. Es gibt da gar nicht den einen Moment, sondern so viele, bei denen wir uns gegenseitig unterstützt haben. Bei aller Strenge als Mentor und in seinem Beruf ist Eckart ein unglaublich sanfter und charmanter Mann. Gastfreundschaftlich sowieso. Heutzutage genieße ich am meisten die privaten Treffen bei ihm in München. Wenn er dann auch noch für mich kocht, ist das bis heute immer wieder ein Geschmackserlebnis.
In Ihrem neuen Buch stellen Sie Gerichte unterteilt in die vier Jahreszeiten vor. Was ist Ihr Lieblingsrezept für den Winter?
Oh, da gibt es so viele, wo mir beim Zubereiten schon das Wasser im Munde zusammenläuft. Übrigens war uns die Zusammenstellung der Rezepte nach Jahreszeiten ungeheuer wichtig, um zum Einkauf von saisonalen Produkten zu animieren. Also eines meiner vegetarischen Lieblingsgerichte im Buch ist das Carpaccio von roter Bete. Aber Winter ist auch Wildtierzeit und da empfehle ich mein Rezept Gebratenes Hirschfilet mit Cranberries-Wild-Jus und Schwarzwurzelpüree.
Planen Sie schon für das Weihnachtsfest unter Corona-Bedingungen? Was kommt bei Ihnen auf den Tisch?
Weihachten ist wie immer Familienzeit bei uns und zum Glück sind meine beiden erwachsenen Kinder auch zu Hause. Normalerweise kommt auch der Pfarrer, mit dem wir befreundet sind, zum Essen - mal sehen, wie wir das dieses Jahr machen können. Und an Heiligabend geht's bei uns klassisch zu mit Gans und Rotkraut und Knödeln.
Was wünschen Sie sich und was planen Sie für 2021?
Ich wünsche mir natürlich, dass es ein absehbares Ende der Pandemie gibt oder wir wenigstens durch Impfungen wieder gelöster durchs Leben gehen können. Damit einhergehend hoffe ich, dass Gastronomie und Tourismus wieder anlaufen können, das gilt auch für meine Geschäftsfelder. Ich werde mir, obwohl nun wirklich kein Digital Native, ein zweites Standbein mit Online-Kochkursen aufbauen. Und ich möchte auch wieder für mein Magazin reisen können. Aber zunächst begebe ich mich nach Neujahr wie jedes Jahr ein paar Wochen in Kur, werde Diät halten und Sport treiben, das bringt mich wieder in die Mitte und ist für Körper, Geist und Sinne mein persönliches Reset. © 1&1 Mail & Media/spot on news
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.