Nach 20 Jahren ist Schluss: Schauspielerin Ulrike Kriener spricht über den Abschied von "Kommissarin Lucas", neue Herausforderungen und ihre Lieblingsinsel Lanzarote.

Ein Interview

Am 28. Oktober (20:15 Uhr im ZDF) fällt die "Finale Entscheidung" – und zwar sowohl für Schauspielerin Ulrike Kriener als auch für die ZDF-Krimireihe "Kommissarin Lucas". Mit der letzten Folge der Serie endet damit eine zwei Jahrzehnte andauernde Erfolgsgeschichte. Wir haben mit der 68-jährigen Schauspielerin über den Abschied von ihrer Paraderolle der Ellen Lucas, neue berufliche Herausforderungen und ihre Lieblingsinsel Lanzarote gesprochen.

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Frau Kriener, mit welchen Gefühlen blicken Sie der letzten Folge "Finale Entscheidung" und damit dem Abschied von Ihrer Rolle der Ellen Lucas entgegen?

Ulrike Kriener: Bestimmt mit ein bisschen Wehmut und Spannung, aber ich freue mich auch wirklich darauf. Im Verlauf der Interviews zu den letzten Folgen von "Kommissarin Lucas" habe ich gemerkt, dass es schade gewesen wäre, diese Ausstrahlung einfach so an mir vorbeilaufen zu lassen. Ich bin jemand, der die Dinge immer bewusst und klar angeht. Daher werde ich eine Flasche Champagner kaufen und mit meinem Mann die letzte Folge im kleinen Rahmen feiern. Vielleicht lade ich noch ein, zwei Freunde zu uns ein.

Rechnen Sie damit, dass bei Ihnen auch Tränen fließen werden?

Nein, ich bin kein sentimentaler Mensch. Die Serie war nun 20 Jahre lang auf dem Bildschirm zu sehen. Und dass wir ein so gutes Ende gefunden haben, gibt unserer gesamten Reihe und somit auch der Kommissarin Lucas eine gewisse Würde. Wir sind stolz auf unsere Arbeit. Auch wenn in den vielen Jahren sicherlich mal der eine oder andere schwächere Film dabei war: Insgesamt ist die Lucas ein großer Erfolg. Das Wichtigste ist, dass wir uns alle in die Augen schauen und sagen können: Wir haben das gut gemacht!

In der bereits ausgestrahlten Folge "Helden wie wir" geht es um eine Zivilcourage-Heldin, die tot am Bahnsteig aufgefunden wurde. In ihrem letzten Fall wird Kommissarin Lucas wiederum mit einem geplanten Anschlag auf den Christkindlesmarkt konfrontiert (beide Filme sind in der ZDFmediathek streambar). Diese Themen sind sehr real. War genau das immer die große Stärke dieser Krimireihe?

Mir hat es immer gefallen, dass die Kommissarin Lucas immer für ein gewisses gesellschaftspolitisches Verständnis stand. Das hat viel mit der Ursprungs-Produzentin zu tun, die diese Reihe damals initiiert hatte. Ihr ging es von Anfang an darum, dass es uns gelingt, Psychologie und gesellschaftliche Themen zusammenzufügen. Mit diesem Ansatz waren wir manchmal Vorreiter, weil wir häufig unglaublich schnell waren – etwa bei Themen wie Sterbehilfe, Ausnutzung von Frauen aus Osteuropa oder rechte Strömungen bei der Bundeswehr.

Das Thema Terrorismus ist kurz vor der Ausstrahlung Ihrer letzten Folge leider wieder aktueller denn je – mit Blick auf den Konflikt in Israel sowie auf das Attentat in Brüssel …

Die Folge "Finale Entscheidung" ist natürlich an die Anschläge in Deutschland vor ein paar Jahren angelehnt, aber auch an die Versäumnisse der Polizei. Deshalb spielen auch die internen Ermittlungen in diesem Fall eine entscheidende Rolle. Im Übrigen wurde hier im Vorfeld hieb- und stichfest recherchiert – und das scheint heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Zumindest habe ich den Eindruck, dass sich viele Stoffe immer mehr von der Realität entfernen. Vielleicht liege ich damit aber auch nicht richtig. Letztlich kann ich nur für uns sprechen: Moral und Haltung der Ellen Lucas konnte ich gerade an diesen realen Themen immer am besten spiegeln.

"Ich bin kein Freund von Schmunzelkrimis"

Viele Krimis, darunter auch manche "Tatort"-Folgen, wirken heute zuweilen recht abgedreht. Wünschen Sie sich als Zuschauerin wieder mehr "normale" Morde im Fernsehen?

Ich erinnere mich noch gut daran, dass wir uns früher im Team häufig über echte Fälle ausgetauscht haben, über die zum Beispiel in den Medien berichtet wurden. In Gesprächen mit den Autor:innen wurde dann erörtert, ob und wie diese realen Geschichten dramatisiert werden könnten und sich als Stoff für einen Film eignen würden. Mit dieser Vorgehensweise nah an der Realität habe ich mich immer sehr wohlgefühlt. Im Übrigen bin ich auch kein Freund von "Schmunzelkrimis" – wenn schon Krimi, dann bitte richtig!

Ist für Sie der Münsteraner "Tatort" mit dem Duo Thiel und Boerne auch ein "Schmunzelkrimi", der weniger Ihrem Geschmack entspricht.

Münster würde ich da mal außen vorlassen. Die sind ja fast ein eigenes Genre und längst Kult – aber eben auch ziemlich drüber (lacht).

Ulrike Kriener macht gerne Urlaub auf Lanzarote

Eine Frage, die alle Fans der Kommissarin Lucas unter den Fingernägeln brennt, lautet: Wie wird sie abtreten? Hatten Sie bei Ihrer finalen Entscheidung ein Mitspracherecht?

Ich glaube schon, dass ich einen gewissen Einfluss habe. Da ich diese Rolle seit 20 Jahren verkörpere, weiß ich sicherlich mehr über diese Frau als jeder andere. Dennoch habe ich natürlich immer auch ein großes Vertrauen in unsere Autor:innen gehabt, das sind allesamt Top-Leute. Der einzige Wunsch, den ich hatte, war, dass ich als Kommissarin Lucas unter keinen Umständen erschossen werden möchte. Und so viel darf ich verraten: Dieser Wunsch wurde mir erfüllt.

Schauen Sie persönlich noch viel Fernsehen?

Also, ich richte mein Leben in keinster Weise auf den Fernseher aus – auch nicht auf Lanzarote, wo ich häufig meinen Urlaub verbringe. Es gibt Abende, die mein Mann und ich nur auf dem Balkon verbringen, mit dem Blick aufs Meer. Und manchmal gibt es Abende, an denen wir uns gerne einen Film anschauen.

Was fasziniert Sie an Lanzarote?

Das Archaische, die karge Landschaft. Hier ist einfach nichts – in gutem Sinne. Auf Lanzarote ist man den Elementen so nah, der Luft, dem Wasser, der Erde. Einen besseren Rückzugsort könnte es für mich nicht geben.

Müssen Ihre Fans befürchten, dass Sie sich nach dem Ende von Kommissarin Lucas aus der Filmbranche zurückziehen und ausschließlich auf Lanzarote verweilen?

Nein, keine Sorge. Ich möchte unbedingt neue Herausforderungen annehmen. Kürzlich stand ich zum Beispiel für eine achtteilige Sky-Serie ("Public Affairs"; Anm. d. Red.) vor der Kamera. Es geht um Lobbyismus in der Politik. Zudem werde ich im Winter in Hamburg in einer Komödie mitspielen. Für nächstes Jahr befinden sich bereits zwei Projekte in der Entwicklung. Insofern kann ich mich nicht beklagen, ich bin gut beschäftigt.

"Ab einem gewissen Alter werden weniger gute Frauenrollen entwickelt"

Ist es diesbezüglich vielleicht sogar ein Vorteil, dass die Kommissarin Lucas ab sofort der Vergangenheit angehört?

Ich bin jetzt frei in meinen Entscheidungen – und das genieße ich sehr. Nun habe ich die Gelegenheit, mit meinem Mann regelmäßiger zu verreisen und meinen Sohn in Hamburg häufiger zu besuchen. Ich wollte einfach beweglicher sein können. Aber das bedeutet in keinster Weise, dass ich mit der Schauspielerei aufhören werde. Lediglich die Gewichtung soll in meiner neuen Lebensphase eine andere sein.

Sie feierten Mitte der 80er in dem Film "Männer", an der Seite von Heiner Lauterbach und Uwe Ochsenknecht, Ihren Durchbruch. Sind Sie froh, dass die Streifen, in denen Männer ihre Eitelkeiten zur Schau stellen und ihre Frauen klassisch mit Sekretärinnen betrügen, seltener geworden sind?

Ja, da hat sich sehr viel getan. Wobei ich festhalten möchte, dass es auch heute noch Männer gibt, die ihre Frauen mit Sekretärinnen betrügen. Solche Geschichten gibt es immer. Aber das Frauenbild hat sich natürlich verändert. Und mit einer Rolle als Kommissarin hat man schon die Chance, eine Frau jenseits von Stereotypen zu zeigen.

Ende des Jahres (ab 27.11. in der ZDFmediathek) sind Sie an der Seite von Maren Kroymann in der Komödie "Mona & Marie II – Ein etwas anderer Geburtstag" zu sehen. Dient dieser Film als Beleg dafür, dass Schauspielerinnen auch jenseits der 40 oder 50 – entgegen der Kritik – noch gute Rollen angeboten werden?

Grundsätzlich ist es schon so, dass ab einem gewissen Alter weniger gute Frauenrollen entwickelt werden. Ich meine, dass nur knapp über 30 Prozent der Rollen im Fernsehen von Frauen ab Ende 40 verkörpert werden. Das zeigt, dass es ein Ungleichgewicht gibt. Ich finde es richtig, dass man versucht, das zu ändern. Dass mir heute andere Rollen angeboten werden als früher, liegt wiederum in der Natur der Sache. Ich bin in meinem Privatleben Oma, also kann ich auch eine Oma spielen. Sie muss nur interessant sein.

Für mich ist es aber etwas komisch, mich zu diesem Thema zu äußern. Ich war 47 Jahre alt, als ich mit der Kommissarin Lucas startete. Und sicher hat sie mich auch durch schwierige Jahre getragen. Ich konnte immer arbeiten – und das empfinde ich als großes Glück.

Wären Sie heute eigentlich noch in der Lage, die Kommissarin Lucas "mit oder ohne Waffe nackt auf dem Marienplatz" zu spielen, wie sie es in einem Interview mit dem "Münchner Merkur" mal gesagt haben?

Ich glaube, dass ich es immer noch könnte, weil ich mit dieser Figur so stark verwachsen bin. Ich habe am Set häufig festgestellt, dass ich ziemlich schnell in diese Haltung hineinfalle – in dieses Verschlossene und in diese gewisse Härte.

Werden Sie auf der Straße häufig für eine echte Kommissarin gehalten?

Nee, leider nicht. Aber ich wurde schon von der Polizei angehalten, weil ich zu schnell gefahren bin – einmal sogar von einem Polizisten, der ehemals bei uns Komparse war. Das war wirklich lustig (lacht). Er hat sich wiederum gefreut wie ein Schnitzel, dass er mich erwischt hat. Und ich musste natürlich bezahlen ...

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