Oliver Kalkofe denkt - mal wieder - darüber nach, den Wixxer wiederauferstehen zu lassen. Im Interview spricht er über zeitlosen Humor, die dunklen Seiten des deutschen Fernsehmarkts und darüber, warum es noch ein weiter Weg ist bis zu einer offenen Gesellschaft.

Ein Interview

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Herr Kalkofe, am 20. Juni sind Ihre "Wixxer"-Filme auf Netflix gestartet. Der erste der Filme ist vor 14 Jahren erschienen. Können Sie heute noch darüber lachen?

Oliver Kalkofe: Komischerweise, oder sagen wir: Erfreulicherweise ja! Abgesehen davon, dass mir persönlich der zweite wesentlich besser gefällt, weil wir da wussten, was wir eigentlich genau wollen.

Die Filme sind fast zeitlos im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Komödien, die sich oft sehr auf irgendeinen Zeitgeist oder auf aktuelle Sachen beziehen. Dadurch, dass wir uns in dieser fiktiven, seltsamen Zeitblase befinden, die so eine nachgestellte 60er-Jahre-Atmosphäre ergibt, ist es eigentlich egal, wann man den kuckt. Die sind heute im Grunde noch genauso schön anzusehen wie damals.

Ist das vielleicht ein wenig dem geschuldet, dass die Edgar-Wallace-Filme selbst relativ zeitlos sind?

Ja, das finde ich auch. Sie sind natürlich extrem altmodisch. Aber sie sind dadurch, dass sie sich in einer konstruierten Welt befinden, die sowieso fernab von Zeit und Raum existiert, auch heute noch sehr ansehnliche Gruselkomödien mit einem ganz speziellen deutschen Touch. Was auch etwas ganz Besonderes ist.

Inwiefern?

Die Deutschen versuchten ja, den englischen Gruselfilm nachzumachen und gaben ihm dadurch eine ganz besondere Note, die man sonst auf der Welt gar nicht kennt.

Eine neue Serie - "Die Wixx Akten" - ist in Planung. Wie kann man sich das vorstellen?

Wir haben eine Idee entwickelt, wie man dieses Universum in gewisser Weise rebooten, aber auch weitererzählen kann. Die Zeit hat sich ein wenig weitergedreht, aber London ist immer noch bevölkert von furchtbaren Superschurken und es ist mal wieder dringend nötig, dass Scotland Yard seine besten Leute schickt, um dagegen etwas zu tun.

Es macht immer noch wahnsinnig Spaß, in das "Wixxer"-Universum einzutauchen - gerade mit den neuen Formen des Erzählens. Jetzt kann man sich auch in Deutschland trauen, kleine, lineare Geschichten zu erzählen, Miniserien zu machen.

Sind Sie noch im Planungsstadium oder gibt es schon konkrete Geschichten?

Wir haben schon ganz konkrete Ideen, das ist alles fix und fertig. Jetzt kucken wir mal, wie die Filme angenommen werden. Und dann werden wir in die Akquise gehen und mal schauen, wer Lust hat, das mit uns zu machen.

Vielleicht Netflix?

Ein Streaming-Dienst wäre ein perfekter Partner, um ehrlich zu sein. Weil man damit genau das machen kann, was wir schon immer machen wollten: Eine große Geschichte erzählen in Form von dem, was eine Serie oder eine Miniserie oder auch eine Filmreihe anbietet.

In Deutschland ist der Fernsehmarkt, was fiktionale Sachen angeht, sehr eingeschränkt und sehr schwierig zu bespielen. In öffentlich-rechtlichen Sendern laufen fast ausschließlich Krimis und Familien-Soaps.

In den privaten Kanälen ist es ähnlich. Da gibt es mal ein kurzes Aufbäumen, wenn eine Serie wie "Der letzte Bulle" oder "Danni Lowinski" einen Überraschungserfolg feiert. Aber dann fällt wieder alles zusammen. Und es bleibt bei einer Handvoll kleiner Sitcoms, Reality-TV und Daily Soaps.

Egal, welche tollen Leute man dabeihatte oder was man für interessante Sachen anbietet, die Fernsehsender haben viel zu viel Angst. Die leben unter täglicher Angst - nicht vor dem Wixxer, sondern vor der Quote. Der wahre Wixxer des Fernsehens ist die Quote: Eine ominöse Zahl, die in der Form, in der sie behauptet wird, nicht existiert, aber die die einzige Währung ist, auf die sich alle geeinigt haben.

Das heißt, es fehlt weniger an Experimentierfreude als an Mut im deutschen Fernsehen?

Das ist es eher. Ich glaube, es ist nicht so, dass die zuständigen Redakteure und die Zuständigen einfach keine Lust auf solche Sachen haben, sondern wirklich Angst davor.

Wenn ein Sender das Risiko bewusst eingehen und sagen würde, "Wir machen mal vier, fünf Experimente und es ist uns egal, was da geschieht", würden nicht nur die Redakteure, sondern auch Regisseure und Autoren freudig mit den Fingern schnipsen. Es gibt genug Talent in Deutschland. Es ist wirklich der fehlende Mut, etwas Neues zu machen.

Das kenne ich so nur aus Deutschland. Wenn man sich anschaut, was in England, Amerika und so weiter passiert, ist jedes Jahr bei jedem Sender der Druck da, etwas Neues zu schaffen, was die anderen nicht haben - und was noch kein anderer hat. In Deutschland wird nur gekuckt, was haben die anderen als Erfolg? Oder "Was ist gerade in anderen Ländern Trend? Das machen wir auch!"

Im kreativen Sinn funktioniert das nicht. Das System kann ja auch in einer Langeweile-Blase überleben, wie wir sehen. Aber es ist nicht besonders schön.

Mit einer Ausnahme: Tele 5 hat - auch mit Ihnen - ein paar neue Formate ausprobiert.

Darüber bin ich superglücklich. Aber insgesamt ist es doch traurig: Das ist so ein kleines gallisches Dorf, das sich immer noch widersetzt und sagt, "Okay, auch wenn das gesamte Fernsehsystem momentan anders tickt, wir kämpfen noch dafür, dass wir uns was trauen".

Die großen Sender wollen den sofortigen großen Erfolg und auf Sicherheit gehen. Genau deswegen bin ich bei Tele 5, weil das im Moment fast der einzige Sender in Deutschland ist, wo man sich noch was traut und wo noch etwas anderes geboten wird als das wirklich ewig Gleiche bei den anderen.

Hätten Sie je damit gerechnet, dass Sie mit SchleFaZ (der Satirereihe "Die schlechtesten Filme aller Zeiten", Anm. d. Red.) in die sechste Staffel gehen würden?

Nein. Auf gar keinen Fall. Ich habe nicht einmal damit gerechnet, dass wir die erste Staffel überleben.

Die schönsten Sachen entstehen immer aus spontanen Ideen, von denen man selbst noch gar nicht versteht, wie gut sie sind. So war es bei SchleFaZ auch: Geboren aus einer Schnapsidee, dann hieß es, "Ja, macht doch mal." Dann war plötzlich die Pistole auf der Brust und der Gedanke: "Mist, da habe ich eine große Klappe gehabt, jetzt muss ich das ja auch irgendwie machen."

Wir haben überlegt, was man da tun kann - und gemerkt, welchen Spaß wir dabei hatten. Und nach und nach ist es immer größer geworden, die Fans sind immer mehr geworden.

Ich habe selten eine so eingeschworene Fangemeinde bei irgendeinem Produkt erlebt, die mit einem zusammen Spaß haben will, vor dem Fernseher mitfeiert. Es sind kleinere Gruppen, es ist also nicht so wie bei "Wetten, dass..?", aber überall treffen sich die Leute und kucken das zusammen, verkleiden sich und machen die Cocktails mit. Wie irre ist das?!

Was ich auch so schön und erfreulich finde: Wir nehmen etwas eigentlich Schlechtes und machen daraus eine Party. Das sind Filme, die würde man sich alleine freiwillig nicht ankucken. Das ist eher sowas, was unten an der Restmülltonne klebt.

Welcher Film hat Ihnen am meisten "Schmerzen" bereitet beim Anschauen?

(überlegt) Ich glaube, "Libero" und "Daniel, der Zauberer" oder auch "Battlefield Earth": Das sind so die drei, die echt wehgetan haben. "Battlefield Earth", weil das so ein großes, lautes, bombastisches Scientology-verseuchtes, unverständliches Matschprodukt ist, was zu keiner Sekunde Freude macht.

"Libero" hat es geschafft, der langweiligste Sportfilm aller Zeiten zu sein. Wo ich bis heute nicht verstehe, wie man einen Fußballfilm zeigen kann ohne Fußball, ohne dass sich Menschen bewegen quasi. (lacht) Das sind 90 Minuten absoluter Stillstand. Da wird ein leeres Stadion sekundenlang gezeigt. Das ist so krank.

Und "Daniel, der Zauberer" hat uns alle fasziniert, weil das von Ulli Lommel, einem Fassbinder-Schüler, mit viel Kunst und Verstand gemacht wurde, aber es inhaltlich und qualitativ weit unter jeder Scripted-Reality-Folge von "Familien im Brennpunkt" ist. So etwas hatten wir in der Form noch nie gesehen.

Wer entscheidet, welcher Kackfilm zum SchleFaZ taugt?

Die Entscheidung, ob wir einen Film machen wollen, liegt bei Peter (Rütten, Kalkofes Co-Moderator bei SchleFaZ, Anm. d. Red.) und mir. Ich bin das ganze Jahr über auf Trashfilm-Seiten unterwegs, bestelle Filme und gucke, wo ich was entdecken kann.

Um es wirklich unterhaltsam zu machen, muss man unterhaltsame Kackfilme finden, die etwas sehr Bizarres bieten, was man so noch nicht gesehen hat oder wo man merkt, da haben irrsinnige Leute versucht, mit Herzblut einen Film zu machen, aber sie konnten es nicht.

Oder es sind wirklich Trash-Filme, die auch als solche geplant sind. Oder: Wo finden wir Monster oder Kreaturen, die wir noch nicht hatten? Oder ein neues Genre.

Das ist ein langer Prozess, das geht das ganze Jahr über. Dann gibt's eine lange Liste. Die geht an Tele 5 - und dann wird versucht, die Rechte zu bekommen.

Es ist gar nicht so einfach, die Rechte zu bekommen?

Nein, ist es nicht. Manche Leute wollen viel Geld, bei alten Filmen ist es manchmal gar nicht so einfach herauszufinden, wer die Rechte hat, weil jemand verstorben ist. Oder da merkt jemand, "Oh, den wollte doch seit 30 Jahren keiner haben. Jetzt kommt da einer, dann muss das wohl wichtig sein. Versuchen wir mal, ganz viel Geld damit zu machen."

Oder den gibt's nur im Paket von 50 Filmen. Das kostet ein Riesengeld. Dass dann jemand wie wir kommt und sagt, wir wollen nur den einen ganz unten aus dem Eimer, das kennen die gar nicht. Dann heißt es: "Hä? Ne, das geht nicht."

Deswegen sind wir stolz und freuen uns wie verrückt, wenn mal wieder was geklappt hat. Im August, nach der WM, startet die neue Staffel. Und da haben wir etwas, was mich besonders glücklich macht: Seit wir SchleFaZ machen, habe ich mir einen echten Godzilla-Film gewünscht - weil ich seit meiner Kindheit Godzilla-Fan bin. Und jetzt haben wir "King Kong gegen Godzilla", also die zwei größten Monster aller Zeiten. (lacht)

Im Rahmen Ihrer Arbeit bei Tele 5 machen Sie sich auch für Toleranz stark. Vor ein paar Monaten gab es Plakate mit einem Kussmotiv von Ihnen und Ihrem SchleFaZ-Kollegen Peter Rütten. Hat Sie die Vehemenz der Reaktionen darauf überrascht oder war das einkalkuliert?

Das hat mich sehr überrascht. Daran war nämlich gar nichts kalkuliert. Das war auch keine geplante Aktion. Wir haben diesen Trailer gedreht und ich wollte eine Variation machen, damit es ein bisschen lustiger wird. Als Peter mich ankuckte, habe ich ihm einen Kuss gegeben. Und alle haben gesagt, "Ach, das ist aber schön."

Und es passt ja zu unserem Motto, "Das muss Liebe sein" - nämlich zu den Filmen - und "Anders ist besser": Dass man den Mut haben soll, anders zu sein. Es war also ganz locker gedacht.

Als das Plakat kam, wurde es vor allem von zwei Gruppen vehement abgelehnt: von Ausländern mit einem anderen religiösen Hintergrund und von älteren Inländern mit stark katholischer Prägung. Dass da so massive Wutschriften gegen uns verfasst werden würden und dass wir hingestellt würden, als ob wir gegen die göttliche Ordnung arbeiten würden, das hat mich sehr überrascht.

Ich hätte nicht gedacht, dass das in der heutigen Zeit noch möglich ist, aber da habe ich die Intelligenz der Menschen, glaube ich, überschätzt. Viele Leute denken gar nicht nach oder haben reaktionäre, altmodische, verkrustete, furchtbare Vorstellungen, die sie nur vielleicht nicht mehr ganz so oft aus dem Kopf rauslassen - außer wenn irgendwo eine Demo ist, wo man mitschreien kann. Also: Es ist wohl leider noch viel zu tun, bis wir wirklich eine aufgeklärte, vernünftige und offene Gesellschaft sind.

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