- Eine ungewöhnlich präparierte Leiche führt die Zürcher Ermittlerinnen Grandjean und Ott in ihrem dritten Fall "Schattenkinder" zu der Künstlerin Kyomi.
- Die tätowiert ihren "Objekten" die Hornhaut der Augen und das Gesicht. Gibt es das wirklich?
- Und was hat es mit der Insel auf sich, auf der es zum dramatischen Showdown kommt?
Kann man die Hornhaut wirklich tätowieren?
Was die Künstlerin Kyomi (Sarah Hostettler) im "Tatort: Schattenkinder" als Kunstform betreibt, ist eigentlich vor allem eine medizinische Prozedur aus der rekonstruktiven Chirurgie. Sie wird bei krankheits- oder verletzungsbedingten Narben der Hornhaut (Leucoma Cornea) angewandt, um das optische Erscheinungsbild von Patienten zu verbessern, wenn andere Methoden wie Kontaktlinsen nicht infrage kommen.
Das Fachblatt "Augenspiegel" beschreibt eine an der Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München angewandte Methode, bei der "farbechte Pigmente mit einer speziellen Tätowiernadel manuell in die Kornea eingebracht werden". Die Autoren weisen darauf hin, dass "die Entstellung und Stigmatisierung von Patienten" durch Hornhautnarben seit der Antike zur Entwicklung verschiedener Behandlungsmodalitäten geführt habe; der etwa 130 n. Chr. geborene römische Gelehrte Galenos von Pergamon etwa verwendete reduzierte Metallsalze, um weißliche Areale der Hornhaut zu färben. Später wurde auch chinesische Tinte verwendet.
Gibt es kosmetische Hornhauttattoos?
Eine Verfärbung aus rein ästhetischen Gründen ist in Deutschland verboten. Das ProSieben-Wissenschaftsmagazin "Galileo" begleitete 2019 eine Patientin, die sich grüne statt braune Augen wünschte und dafür einen Augenchirurgen in Frankreich aufsuchte, der entsprechende Eingriffe seit 2013 anbietet. Dabei wurde die Hornhaut mit einem Laser eingeritzt und ein pflanzlicher grüner Farbstoff eingeführt. Laut "Galileo" dauerte der Eingriff drei Minuten und kostete 5.000 Euro.
Was bedeutet Kyomi?
Von der Künstlerin Kyomi, die bürgerlich Beate heißt, wird im "Tatort" gesagt, dass sie ein Jahr in Japan verbracht habe. Dort ist Kyomi ein Mädchenname, der übersetzt etwa "rein" oder "schön" bedeutet.
Wie kam es zur Bildsprache für "Schattenkinder"?
"Ich hatte sofort Bilder im Kopf für Kyomis sehr spezielle Kunstwelt", so die Regisseurin Christine Repond im Interview mit dem Schweizer Rundfunk. Laut Drehbuch sollte Kyomi Ölbilder malen, was Repond aber änderte: "Mir schienen Ölbilder für eine derart radikale Künstlerin wie Kyomi unpassend. So kam ich auf die Idee, aus Kyomi eine Installationskünstlerin zu machen, die ihre Arbeit an menschlichen Kunstobjekten mit Videoinstallationen, aber auch über Instagram und Streaming ihren Betrachtern präsentiert. Mit dieser Prämisse habe ich dann gemeinsam mit dem Ausstatter Urs Beuter, dem Kameramann Guy Fässler und mit dem Maskenbilder Marc Hollenstein diese Kunst-Welt und die zusätzliche Videoebene entwickelt."
Gibt es die Insel Schönenwirt wirklich?
Die winzige Insel, die am Ende von "Schattenkinder" eine dramatische Rolle spielt, ist tatsächlich eine idyllische Ausflugsinsel im Zürichsee. Sie gehört zur rund 30 Kilometer südöstlich von Zürich am See gelegenen Gemeinde Richterswil, die sie 1848 für 100 Franken vom Kanton ersteigerte. Schönenwirt ist auch als Insel Schönenwerd (Althochdeutsch für "schöne Insel") bekannt und wird im Richterswiler Volksmund "Inseli" genannt.
Man kann sie ausschließlich schwimmend oder per privatem Boot erreichen. Sie ist nur rund 72 auf 42 Meter groß und wird seit Jahrhunderten nur zum Baden genutzt; die zu diesem Zweck 1919 (wieder-)errichteten Badehäuser stehen noch. Auch zwei Grillplätze gibt es dort inzwischen.
Was ist Hypergrafie?
Die Ermittlerinnen Tessa Ott (Carol Schuler) und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) finden ein eng beschriebenes Tagebuch. Der Autor habe an Hypergrafie gelitten, diagnostiziert Tessa Ott. Darunter versteht man eine ans Wahnhafte grenzende Schreibsucht. Die amerikanische Neurologin Alice W. Flaherty beschreibt in ihrem Buch "Mitternachtskrankheit" die Hypergrafie als ein Symptom kreativer Menschen, die an Epilepsie oder Schizophrenie leiden.
Hypergrafisch, also wie im Rausch erstellte Texte weisen Flaherty zufolge bestimmte Merkmale auf: Es geht oft um Themen, die für die Autoren von großer persönlicher Bedeutung sind, das Schriftbild besteht häufig aus engen und kleinen Buchstaben und ist sehr akkurat. Häufig fixieren sich Autoren auch auf ein bestimmtes Schreibinstrument – ein berühmtes Beispiel in der deutschen Literatur sind die "Bleistiftmikrogramme" von Robert Walser, deren Buchstaben zuletzt nur noch ein Millimeter groß waren. Auch in den über 98.000 Briefen von Lewis Carroll, dem Autor von "Alice im Wunderland", entdeckte Flaherty Merkmale der Hypergrafie.
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