Clint Eastwood verfilmt in seinem Kriegsdrama "American Sniper" die Geschichte des US-Scharfschützen Chris Kyle. Den umstrittenen Soldaten, der über 160 Menschen getötet hat, verklärt Eastwood zum tragischen Helden. Und trifft damit nicht den richtigen Ton.
Chris Kyle führt das Leben eines Klischee-Texaners. Schon im Alter von acht Jahren bekommt er von seinem Vater das erste Gewehr. Nach der Schule arbeitet er auf einer Ranch und beginnt eine Karriere als professioneller Rodeo-Cowboy. Nach einer Schulterverletzung muss Kyle seine Rodeo-Karriere jedoch beenden und schließt er sich der US-Armee an. Als er schließlich im Fernsehen die Anschläge des 11. Septembers miterlebt, zieht er entschlossen in den Irak-Krieg, um sein Land zu verteidigen. Dort wird er zum erfolgreichsten Scharfschützen in der Geschichte des US-Militärs. Seine Familie droht unterdessen durch die Belastung der langen Auslandseinsätze zu zerbrechen. Wieder zu Hause, wird der gefeierte Kriegsheld von Kameraden ermordet. Einem Veteranen, dem er "helfen" wollte. So steht es im Abspann des Films. Kyle war mit dem unter posttraumatischem Stress leidenden Kriegsheimkehrer auf einen Schießstand gefahren.
Es ist eine Geschichte, wie sie sich ein Drehbuchautor nicht besser hätte ausdenken können. Voller Idealismus, Heldentum und Tragik. Sie dreht sich jedoch auch um das hochsensible Thema Krieg - und was dieser aus einem Menschen macht.
Chris Kyle: ein amerikanischer Held?
Vor allem in den USA erhitzt
Schließlich gab es die von Präsident Bush als Grund für die Invasion vorgebrachten Massenvernichtungswaffen nie. Chris Kyle habe also nicht der Bevölkerung seines Landes, sondern lediglich machtpolitischen Interessen gedient. Kann ein Kämpfer in solch einem sinnlosen Krieg überhaupt ein Held sein? Allenfalls wohl ein tragischer. Und als einen solchen versucht ihn Eastwood auch darzustellen. Was ihm leider nur bedingt gelingt.
Denn auf der einen Seite ist Clint Eastwood kein Kriegstreiber. Eher das Gegenteil. Dass Eastwood den Krieg nicht befürwortet, ist auch im Film zu sehen. Es gibt da eine Szene, in der Chris Kyle auf einem Rollfeld im Irak seinem jüngeren Bruder begegnet. "Scheiß auf diesen Ort", entgegnet dieser mit hasserfülltem Blick, als Kyle ihm anerkennend auf die Schulter klopft. Am Ende sind alle von Kyles Kameraden entweder tot oder schwer traumatisiert. Auch der Protagonist selbst bleibt zunächst im Krieg gefangen und findet lange keinen Weg zurück in ein normales Leben.
Aber Eastwood ist eben auch stolzer Amerikaner und zum anderen auch Filmemacher. Und so zeigt er im Film die irakischen Gegenspieler Kyles als sadistische Tyrannen, die Kindern vor den Augen ihrer Eltern Löcher in den Kopf bohren. Die Grenzen zwischen Gut und Böse sind in "American Sniper" klar gesteckt. Genau das ist das größte Problem des Films. Bei aller Ambivalenz des von Bradley Cooper brillant gespielten Titelhelden, steht dieser immer auf der "richtigen" Seite.
Damit knüpft Eastwood an die äußerst umstrittene Autobiografie Kyles an, auf der der Film basiert. In ihr bezeichnet der Ex-Soldat seine Opfer als "Wilde", die zu töten ihm größtes Vergnügen bereitet habe. Diese Aussage fällt im Film nicht. Und genau darin liegt ein weiteres Problem von "American Sniper". Es sind gerade die Aspekte, die der Film nicht zeigt, durch die ein merkwürdiger Beigeschmack entsteht.
Der Regisseur begnügt sich damit, seinen Protagonisten sagen zu lassen, dass er keine seiner Tötungen bereue und gerne sogar noch mehr Menschen erschossen hätte. Schließlich hätte er so noch mehr US-Soldaten retten können. Ob diese beschönigende Sichtweise, mit der Kyle selbst sein Handeln rechtfertigt, auch angebracht ist, um dem Film einige dramaturgische Spitzen zu verleihen und eine im Grunde tragische Figur zum Helden zu verklären, scheint jedoch fraglich.
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