Seit 25 Jahren erzählt Jonathan Frakes in "X-Factor: Das Unfassbare" kleine Schauergeschichtchen zum Mitraten. Ob überhaupt und wie viel Wahrheit selbst die als wahr deklarierten Geschichten enthalten, ist fraglich. Aber den Spaß am Rätsel mit einer Prise Grusel hat sich die Show all die Jahre bewahrt. Am Sonntag liefen nun zwei neue Folgen bei RTL2.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Sammeln Sie Kunst? Haben Sie sich jemals über die Lichter im Rückspiegel gewundert? Haben Sie im Militär gedient? Waren Sie mal in einem verlassenen Gebäude? Wenn Ihnen an einem Abend ein bärtiger Mann in einem spärlich beleuchteten Zimmer solche Fragen stellt, dann sollten Sie sich entweder selbst fragen, wie Sie in eine solch kuriose Situation geraten konnten – oder aber Sie sehen sich gerade eine Folge "X-Factor: Das Unfassbare" an.

Selbst wenn Sie ein wirklich aufregendes Leben führen, dürfte der zweite Fall doch der wahrscheinlichere sein, denn bereits seit 1998 stellt Jonathan Frakes – und zuvor James Brolin – in der Mystery-Serie "X-Factor: Das Unfassbare" solche Fragen. Am Sonntagabend nun präsentiert der Sender aus dem oberbayerischen Grünwald zwei neue Folgen des Dauerbrenners und aus genau diesen beiden neuen Folgen stammen auch obige Fragen.

Dabei ist es sowohl Jonathan Frakes, RTL2 und wahrscheinlich auch Ihnen egal, was Sie auf diese Fragen antworten, denn sie dienen Frakes einzig und alleine für eine Einführung in einen neuen, mysteriösen Fall. Das war 1998 so und so ist es auch noch 2023, also stolze 25 Jahre später, und auch sonst hat sich an der Show ums Geheimnisvolle nichts geändert.

Lebensgefahr durch ein Bild?

Pro Folge präsentiert Frakes fünf kuriose Fälle, die er jeweils mit besagten Fragen einleitet. Meist geht es um unerklärliche Phänomene, Geistersichtungen, Ufos, Aliens und anderes, das man gerne als Unerklärlich oder eben Unfassbar einstuft. Auch die Fälle selbst folgen einer gewissen Systematik, denn sobald hier jemand eine Frage stellt, geht es los mit dem Übernatürlichen. Am Ende jeder Folge geht Frakes die Fälle noch einmal durch und verrät, ob es sich um echte oder ausgedachte Geschichten handelt.

Und genau diesem Schema folgen auch die beiden neuen Episoden am Sonntagabend und damit wären wir auch wieder bei der Frage "Sammeln Sie Kunst?". Denn mit dieser Frage führt Frakes in die erste Geschichte "Okkultes Erbe" ein. Dort erbt ein Bruder-Paar von "Alt-Hippie Onkel Ted" dessen Sammlung okkulter Objekte. Das meiste ist billiger Ramsch, nur ein Bild erweckt das Interesse der Brüder, denn es lag an der Stelle, an der der Onkel verstarb, als er das Bild verbrennen wollte.

Das Bild verströmt eine merkwürdige Aura, noch dazu enthält es eine handgeschriebene Nachricht des Onkels: "Lebensgefahr, verschlossen halten und zerstören!" Und damit daraus eine Geschichte für "X-Factor" wird, machen die Brüder genau das eben nicht, sondern verkaufen das Bild für eine enorme Summe. Doch Tags drauf bringt der Fahrer der Käuferin das Bild zurück, denn die Dame sei gerade gestorben. Als dann auch einer der beiden Brüder umkippt, folgen sie endlich dem Rat des Onkels und verbrennen das Bild.

Wilde Geschichtchen mit dem "X-Factor"

Nun folgt der obligatorische zweite Auftritt Frakes, in dem er Raum für Spekulationen öffnet und gleichzeitig einen Tipp für eine logische Erklärung liefert und das hört sich dann so an. "War das Gemälde ein Fenster in eine andere Welt, in der Böses lauerte, auf Befreiung wartend? Wurde das Kunstwerk dadurch wirklich wertvoll oder kamen die Brüder vielleicht nur mit der alten Farbe in Berührung, die eine Vergiftung verursachte und sie nur halluzinierten? Kleiner Spoiler: Nichts von all dem, die Geschichte ist frei erfunden.

In ähnlicher Manier geht es durch die weiteren Folgen: Eine erfolglose Songwriterin bekommt einen Plattenvertrag, nachdem ihr Elvis erschienen ist; ein Paar hat eine Autopanne und wird eventuell von Aliens entführt; ein G.I. rettet sich im Vietnamkrieg, indem er dem Geist seines Großvaters folgt; eine ehemalige Mitarbeiterin erbt das gesamte Vermögen der verhassten Chefin, weil sie als einzige auf deren Beerdigung erscheint.

Ein mexikanischer Barbesitzer bekommt scheinbar aus dem Reich der Toten Hilfe beim Streit mit einem Drogen-Kartell; zwei Abenteurer suchen einen Goldschatz, der angeblich von Affenmenschen beschützt wird; eine Kommissarin wird von einer Toten zu deren Testament geführt, um ihren letzten Willen erfüllt zu bekommen; ein Professor bekommt 1982 über seinen PC Nachrichten aus der Zukunft und der Vergangenheit und ein Polizist soll in einem verlassenen Schulhaus von einem "kannibalischen Gestaltwandler" angegriffen worden sein.

"X-Factor": Was genau bedeutet "wahr"?

Was die Fälle eint, ist ihre Absurdität, die stets dann beginnt, wenn einer der Protagonisten eine Frage stellt: "Was würde Elvis tun?" etwa, "Was war das?" oder auch "Was geht hier vor sich?" Ja, was geht hier vor sich? Genau das ist auch nach 25 Jahren noch der Reiz an den Geschichten, denn der Zuschauer fragt sich auch 2023 noch, ob das alles Blödsinn ist oder ob sich die scheinbar unfassbaren Ereignisse irgendwie erklären lassen.

Die Auflösung garniert Frakes dann gerne mit Sätzen, die scheinbar eine Logik haben, aber einmal auch mit diesem Satz, als er zu Beginn der neuen Folge über eine animierte Sinnestäuschung sagt: "Beide Realitäten existieren zum selben Zeitpunkt. Bedenken Sie das, wenn Sie entscheiden, ob unsere Geschichten heute wahr oder falsch sind, denn es könnte vielleicht ja auch beides der Fall sein. Zwei Wahrheiten, die sich überlappen." Es gibt also noch irgendwas Anderes zwischen Wahrheit und Lüge und da liegt Frakes gar nicht so falsch – aber vielleicht anders, als er es meint.

Denn bei der Auflösung der Fälle ist nicht immer ganz klar, was genau nun wahr daran gewesen sein soll, wie etwa bei dem Professor mit den mysteriösen Nachrichten aus dem PC. Das, so sagt Frakes, sei gemeldet worden "von einem Wissenschaftler in den 1980ern". Das ist doch reichlich unkonkret. Und ist es nun wahr, dass es gemeldet wurde oder dass die Nachrichten tatsächlich aus der Vergangenheit kamen? Das Schöne an "X-Factor": Das ist am Ende völlig wurscht. Denn die Show ist natürlich keine seriöse Mysteryshow, sie ist noch nicht einmal eine unseriöse Mysteryshow. Sie ist einfach nur kurzweilige Fernsehunterhaltung mit leichtem Grusel und das funktioniert seit 25 Jahren.


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