Angesichts der Flüchtlingskrise und der damit einhergehenden Stimmung hätte es kaum einen besseren Zeitpunkt für den Kinostart von "Er ist wieder da" geben können. Denn am Ende des Films über Adolf Hitler im heutigen Deutschland bleibt man mit der unangenehmen Frage zurück: In was für einem Land leben wir, wenn ein psychopathischer Massenmörder nicht weiter negativ auffällt?

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Gerade noch wollte er sich anno 1945 im Führerbunker erschießen, da wacht Adolf Hitler (Oliver Masucci) mitten in Berlin wieder auf - und zwar 2014. Er hat zwar keine Ahnung, wie er da hingekommen ist, aber wenn er schon mal wieder da ist, kann er immerhin das mit der Weltherrschaft noch zu Ende bringen. Dabei helfen soll ihm der geschasste TV-Redakteur Fabian Sawatzki (Fabian Busch), der in seiner Naivität alles tun würde, um seinen Job wiederzubekommen. Also packt er Hitler ein und geht mit ihm auf Deutschlandtour, um mit dem dort gedrehten Material seinen Ex-Chef Christoph Sensenbrink (Christoph Maria Herbst) zu beeindrucken.

Dass das am Ende gelingt und Hitler auch noch eine TV-Karriere im Sender der quotengeilen Katja Bellini (Katja Riemann) startet, liegt vor allem an den Menschen, denen Sawatzki und Hitler auf den Straßen des Landes begegnen. Denn die finden den wiedergekehrten Diktator total unterhaltsam und irgendwie auch nett und lassen dabei einfach mal außer Acht: Der Sympath ist immer noch ein Psychopath. Dabei ist Adolf Hitler immer noch der Alte und hält mit seiner Gesinnung und seinen Plänen nicht hinterm Berg - es kann also auch diesmal keiner sagen, er hätte von nichts gewusst.

Als Hitler also durchs Land reist und sich die Sorgen und Nöte des Volkes anhört, werden fröhlich der Hitlergruß gezeigt, Selfies mit dem Führer gemacht und es wird eifrig zugestimmt, wenn er proklamiert, dass die vielen Ausländer das reine deutsche Blut verwässern. Auch vor Gewalt schrecken einige von Hitler angestachelte Anhänger der deutschen Fußballnationalmannschaft nicht zurück, als ein Punk gegen das geliebte Heimatland wettert.

Schlimmere Ansichten als Adolf Hitler

Das Beunruhigende an diesen Szenen: Sie sind zu einem guten Teil echt. Der Kniff, zu dem Regisseur David Wnendt ("Feuchtgebiete") greift, dass sich Menschen durch einen eingeschmuggelten Provokateur selbst entlarven, ist nicht neu. Auch der britische Komiker Sacha Baron Cohen hat als "Borat" schon das erschreckende Gedankengut zahlreicher US-Amerikaner zutage gefördert. Da konnte man sich noch trefflich über die dummen, rückständigen Amis lustig machen - was Wnendt und sein sensationeller Hauptdarsteller Masucci hier in unserem Land aufdecken, ist alles anderes als lustig. Denn teilweise klingt Hitler weniger fanatisch und verblendet als seine Gesprächspartner. Nur wenige sind entsetzt darüber, dass sich da einer traut, in voller Hitler-Montur in die Öffentlichkeit zu gehen.

Es sind diese Sequenzen, die "Er ist wieder da", die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Timur Vermes, zum vielleicht wichtigsten (aber auf alle Fälle sehenswerten) deutschen Film des Jahres machen; denn auf fast schon prophetische Weise zeigt er den Alltagsrassismus, der die aktuelle Flüchtlingsdebatte zum Pulverfass werden lässt. Dazu ist der Film nicht nur erhellend, sondern auch noch weitgehend wirklich unterhaltsam - von allen aktuellen Parteien und Politikern bis hin zu den Medien kriegt jeder sein Fett weg. Das ist mal mehr, mal weniger bissig und mal mehr oder weniger gelungen - aber immer relevant.

Das gilt auch für den Vorfall, wegen dem der mutmaßliche Comedian Adolf Hitler seinen Sendeplatz räumen muss: Dafür sorgt nämlich kein rassistischer Witz oder dergleichen, sondern ein Video, in dem er einen kleinen Hund erschießt. Das mag zwar arg mit dem Holzhammer daherkommen, zeigt aber eindrucksvoll, was der Deutsche anno 2015 schlimm findet - und was eher nicht.

"Er ist wieder da" startet am 8. Oktober.

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