"Seegrund. Ein Kluftingerkrimi" - ein TV-Versprechen der ARD, das leider nicht eingelöst wird. Denn die dritte Verfilmung eines Romans mit dem Allgäu-Columbo funktioniert weder als Krimi noch als Heimatkomödie.

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Zunächst einmal das Positive: Man muss Kluftinger - und damit den Romanautoren Michael Kobr und Volker Klüpfel sowie dem Hauptdarsteller der Filme, Herbert Knaup - am meisten dafür dankbar sein, dass endlich mal nicht versucht wird, die immer gleichen US-Krimiserien zu kopieren. Sondern etwas Eigenes zu kreieren. Wer bitte braucht ein "CSI: Allgäu", in dem die Ermittler in Hochglanzoptik Täter, Tatwaffe und Tatzeitpunkt errechnen, indem sie die Stellung der Fußnägel des Opfers zum Jupiter analysieren?

Kluftinger: kein Durchschnittspolizist

Nein, normale Polizeiarbeit ist deutlich unglamouröser und normale Polizisten sind keine Superbullen, sondern auch mal schlecht gelaunte, klischeegläubige und tollpatschige Deppen. So wie Kluftinger. Der darf am Anfang von "Seegrund" unbeholfen eine Bratwurst in sich reinstopfen, nebenbei auf Schloss Neuschwanstein über Japaner herziehen und beim Fund einer vermeintlichen Leiche erst in Panik ver- und dann auch in einen See hineinfallen. Wer jetzt noch nicht verstanden hat, dass Kluftinger seine Fälle nicht mittels Coolness und Intellekt löst, hat ein ernsthaftes Aufmerksamkeitsdefizit.

So löblich es aber ist, dass Kluftinger kein 08/15-Polizist ist - seine Darstellung als Gegenentwurf zu allem und jedem kommt dann doch ein bisschen zu sehr mit dem Holzhammer daher. Er spricht tiefstes Allgäuerisch - die kritisch beäugte Kripokollegin Friedel Marx (Catrin Striebeck) aus Füssen natürlich reinstes Hochdeutsch. Sie fährt einen roten Flitzer und hört bei Tempo 200 auf der Autobahn erotische Hörbücher - Kluftinger seinen alten VW in einem Tempo, dass er sich problemlos hinter einem Traktor einreihen kann. Und wenn Kluftinger der neuen Freundin seines Sohnes zuliebe mal zum Running Sushi geht, holt er sich natürlich sofort eine eingebildete Lebensmittelvergiftung am rohen Fisch und verträgt danach nicht mal mehr eine Leberkassemmel.

Nicht spannend, nicht witzig - dafür esoterisch

Auch als Krimi taugt "Seegrund" nicht wirklich. Spannung ist ein Wort, das man bei Kluftinger nur in Zusammenhang mit seinem Wollpulli verwenden sollte, der auf dem Schweinshaxn- und Bierbauch spannt. Da die vermeintliche Leiche doch nicht ganz tot war, entfällt die Mördersuche auch, wenn man von einem schon Jahrzehnte zurückliegenden Fall absieht. Dass das Ganze mit einem angeblichen Nazi-Schatz zusammenhängt, der am Ende auch nur ein Haufen nasses Papier ist, macht es auch nicht unterhaltsamer.

Überhaupt: Der Film kommt grundsympathisch daher und hat auch unterhaltsame Momente. Die gehören vor allem Kluftinger als Allgäu-Rumpelstilzchen. Klo- und Pinkelwitze hätte man sich aber vielleicht sparen sollen. Und um wirklich witzig zu sein, sind die anderen Figuren viel zu überzeichnet. Kollegin Marx lacht viel zu irr, und ihre Fesselträume nimmt man ihr auch nicht wirklich ab. Kollege Maier (Johannes Allmayer) spricht, als würde er aus einem Kluftinger-Roman vorlesen. Und Stipe Erceg als See-Schamane Schnalke spielt seine Rolle zwar überzeugend - aber er ist ein See-Schamane!

Dass der Altasee in "Seegrund" eine zentrale Rolle spielt, wollen wir ihm ja noch gönnen. Dass er aber ein Eigenleben und einen Hüter in Gestalt eines Schamanen hat und den Krimi in eine esoterische Ecke abdriften lässt, kann und sollte man ihm nicht verzeihen. Bekiffte Traumsequenzen mögen bei den Gebrüder Coen und dem "Big Lebowski" funktionieren, aber ohne dem Allgäu etwas Böses zu wollen: so skurril ist es dann doch nicht.

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