In der neuen VOX-Datingshow "My Mom, Your Dad" verkuppeln Kinder ihre Single-Eltern und müssen sich deren Dates live im Fernsehen anschauen. Das klingt so unangenehm, wie es ist.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wovon gibt es eindeutig noch nicht genug im deutschen Fernsehen? Genau, Datingshows. Mit "My Mom, Your Dad" schiebt VOX jetzt das gefühlt 76. Format nach, das nach denselben Gesetzmäßigkeiten abläuft, wie alle anderen vor ihm: "Selbstdarstellerin sucht Selbstdarsteller zum Start einer gemeinsamen C-Promi-Karriere". Hinzu kommen Sommer, Sonne, eine isolierte Villa und jede Menge Alkohol, fertig ist die Datingshow.

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Es moderiert Amira Pocher, die den Job angenehm unauffällig hinter sich bringt. Der einzige Unterschied zu anderen Formaten ist, dass hier nicht junge Menschen in ihren Zwanzigern verkuppelt werden, sondern ihre Eltern. Die Kinder sitzen in einer zweiten Villa und müssen sich das Gebaren ihrer Erzeuger live anschauen. Klingt wie der Beginn eines Horrorfilms.

Wie bei jedem Gruselschocker startet "My Mom, Your Dad" mit einer Gruppe von ahnungslosen Menschen, die nach 30 Jahren Reality-TV immer noch nicht wissen, worauf sie sich einlassen. "Alt und grau werden wollen sie mit einem neuen Partner", "die Seele soll er berühren". Einer verkündet sogar, ihm fehle die Ernsthaftigkeit beim Online-Dating. Jetzt versucht er es im Fernsehen, denn "das, was hier passiert, ist ja alles real". Na dann viel Erfolg.

Die Kinder flehen: "Ja nichts Peinliches sagen!"

Die Kinder versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Im Auto zur Villa auf Kreta geben sie letzte Anweisungen. "Ja nichts Peinliches sagen", "Nicht nur nach der Optik schauen" sind die Wünsche. Ein ganz besonderer Wunsch geht an Kalle, Vater der 25-jährigen Michelle: "Bitte zeig deinen Penis nicht!" Da es sich um eine Sendung auf VOX handelt, ein kleiner Hinweis: Wenn Sie, liebe Leser, Kalles Penis nicht sehen möchten, sollten Sie spätestens jetzt abschalten.

Denn wer gedacht hätte, in der Elterngeneration fänden sich nicht genauso schräge Teilnehmer wie bei allen anderen U30-Datingshows, täuscht sich. Die Castingagentur hat ganze Arbeit geleistet. Der 53-jährige Viktor, laut eigener Aussage "Kampfkünstler", hat drei Söhne von drei unterschiedlichen Frauen. Zwei davon waren One-Night-Stands, die Kinder lernte er erst viel später kennen. Ein Schelm ist, wer hier ein Muster erkennt.

Gudrun hingegen ist "Haartherapeutin". Genau, es handelt sich um keinen Tippfehler, es geht um "Haare", nicht "Paare". Auf die ungläubige Nachfrage, was das denn sei, antwortet sie, sie sähe nicht nur die Haare eines Menschen, "ich sehe dich als Ganzes." Wer also schon immer vermutet hat, dass sein Friseur nicht nur besonders gesprächig, sondern auch besonders einfühlsam sei, weiß jetzt warum: Er ist wahrscheinlich Haartherapeut.

Essenzielles beim Speeddating: "Hilft Sex gegen Kopfschmerzen?"

Zeit für die ersten Dates. Die Kinder verfolgen alles live mit, während die Eltern beim Speeddating essenzielle Fragen wie "Hilft Sex gegen Kopfschmerzen?" beantworten müssen. Die Reaktion des Nachwuchses ist nachvollziehbar: "Das ist peinlich."

Wenig später beim Abendessen. Viktor will vor der Kamera nicht verraten, wie alt er ist. Er sei ein Freund davon, "sich das Alter auszusuchen, indem man noch richtig Gas geben kann". Ein bestechendes Konzept, das nur er versteht. Tanja, 50 Jahre alt, fragt nicht ganz unberechtigt, wie man sich denn kennenlernen solle, wenn schon das Alter zu intim sei. Sie erntet Schweigen. Lassen wir den Kampfkünstler einfach aus dem Sack: Viktor ist 53 Jahre alt. Ätsch.

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Viktor bei den ersten Zweierdates übrig bleibt. Die Kinder entscheiden, wer sich mit wem verabredet, es gibt sieben Kandidaten, Viktor muss auf die Sonnenliege. Er verpasst nichts. Beim Versuch, die Trendsport-Dates der anderen Formate altersgerecht anzupassen, ist VOX etwas über das Ziel hinausgeschossen. Die Paare spielen Boccia, Darts und backen Waffeln. In der nächsten Woche ist dann wohl Häkeln, in Heizdecken kuscheln und Wassergymnastik dran. Tanja und Kalle reicht das. Nach einem Date liegen sie kuschelnd auf der Couch.

Carsten ist der Ansicht, dass man sich Gudrun "nehmen" muss

Für Gudrun und Carsten dürfte dieser Weg beschwerlicher werden. Die Friseurin betreibt nicht nur Haartherapie, sondern auch "Quantenheilung". Die Erklärung dazu lautet: "Das ist Energiearbeit auf der Basis, dass man es berechnen kann." Carsten schaut irritiert und fragt nach: "Aber was?" Um das zu beantworten, reichen die esoterischen Mathematikkenntnisse von Gudrun nicht aus.

Vielleicht ist Carsten aber auch der falsche Mann. Zum Abschluss darf sich Kampfkunst-Viktor eine Frau für ein Rendezvous aussuchen. Da es sich um eine Datingshow handelt und sich bis zu diesem Zeitpunkt niemand des Großteils seiner Kleidung entledigt hat, geht es ins Spa, genauer gesagt in den Whirlpool.

Zum Glück ist Viktor ein echter Frauenversteher. "Gudrun ist eine Frau, die man sich nimmt", sagt er und rammt ihr eine Erdbeere in den Mund. Dann streckt er sich der Länge nach in dem überschaubaren Becken aus, sodass sich Gudrun in eine Ecke pressen muss. Die Kinder an den Übertragungs-Bildschirmen sterben vor Scham. Den Zuschauern dürfte es genauso gehen.

Getreu diesem Peinlichkeitskarussell dreht sich "My Mom, Your Dad" in zwei Stunden Sendezeit immer weiter um diese Koordinaten. Eltern mit zu vielen Hormonen tun Dinge, die sie ihren Kindern immer verboten haben. Während die zuschauen. Ausgleichende Gerechtigkeit nennt man so etwas.

Wer also schon immer mal sehen wollte, wie sich Kinder für ihre Eltern schämen (abgesehen von den eigenen), der ist bei "My Mom, Your Dad" genau richtig. Alle anderen bleiben wohl besser bei "Die Bachelorette" und Co. Oder will wirklich jemand Kalles Penis sehen? Eben.

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