Wer im Fernsehen auftritt, unterwirft sich strengen Regeln: Stillschweigen, Urheberrecht, Vergütung – Verträge zu Shows legen jedes Details fest. Doch längst nicht alle Klauseln sind unbedenklich: Die Persönlichkeit dürfe nicht zur Ware werden, warnt Medienrecht-Experte Martin Huff im Interview.

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Seit Jahren boomen die TV-Shows in Deutschland. Egal ob Sänger, Model oder Singles auf der Suche nach dem Liebesglück: noch immer strömen hunderte Bewerber zu Castings und Sendungen. Erst vor zwei Wochen startete die zehnte Runde von "Germany’s next Topmodel", auch "Deutschland sucht den Superstar" läuft bereits in seiner zwölften Staffel. Und mit dem neuen Reality-Format "Newtopia" möchte nun auch Sat.1 in der Welt der quotenstarken Shows mitmischen.

Der schnelle Ruhm hat seinen Preis – Stichwort: Knebelverträge. Regelmäßig sickern bei vielen Shows Infos über strenge Klauseln und Bedingungen für Teilnehmer durch. Auch über "Newtopia" berichtete die "Bild"-Zeitung dieser Tage, die Kandidaten müssten eine "Sicherheitsleistung" als Pfand hinterlegen, damit sie die Show nicht vorzeitig verlassen.

Doch wo verläuft überhaupt die Grenze? Was steht in den TV-Verträgen, was ist erlaubt und was verboten? Im Gespräch mit unserem Portal beantwortet Rechtsanwalt und Medienrecht-Dozent Martin Huff die wichtigsten Fragen.

Was ist normalerweise in Verträgen zu TV-Shows geregelt?

Martin Huff: Das ist zum einen die Vergütung, die jeder Teilnehmer bekommt. Zweitens stehen darin gewisse Verschwiegenheits- und Spielregeln. Und drittens sind darin Urheber- und Verwertungsrechte für die Zukunft festgelegt. Bei allen Punkten sollte sich jeder sehr genau überlegen, ob er bei diesen Bedingungen überhaupt mitmachen möchte.

Was halten Sie von dem Begriff "Knebelverträge"?

Ich glaube, dass manche Elemente in Verträgen in Ordnung sind. Aber ich glaube auch, dass es in vielen Fällen Verträge gibt, die sittenwidrige Elemente haben. Das betrifft vor allem die Reichweite von Urheber- oder Ausstrahlungsrechten nach dem Ende einer Show.

Sittenwidrig – was bedeutet das?

Sittenwidrig heißt, dass Verträge zulasten eines Teilnehmers von bestehenden Gesetzen abweichen. Etwa indem man sagt: Das Gesetz sieht es eigentlich so und so vor, aber in den Vertrag wird es anders geschrieben – was aufgrund der Vertragsfreiheit in Deutschland grundsätzlich möglich ist. Solche Abweichungen können aber Rechte wie das Persönlichkeitsrecht und insbesondere das Urheberrecht verletzen.

Welche Rolle spielt die Menschenwürde dabei?

Die Menschenwürde gehört zu den Persönlichkeitsrechten. Und diese können meines Erachtens nur in gewissem Umfang eingeschränkt, aber nicht auf Dauer massiv abgetreten werden. Denn dann wäre ein Kandidat nur noch Ware und keine Persönlichkeit mehr.

Wo sind in der Praxis die Grenzen? Was ist erlaubt, was verboten?

Ohne konkreten Fall ist das schwer zu beantworten. Ich habe zum Beispiel Bedenken, wenn die Urheberrechte und Rechte zur Nutzung der Aufnahmen komplett und auf Dauer abgetreten werden. Besonders wenn keinerlei Punkte erkennbar sind, wo der Einzelne die Möglichkeit hat, über seine Bildrechte zu entscheiden. Es muss irgendwann genug sein nach einer Sendung oder Erstausstrahlung. Manchmal möchte man bestimmte Bilder einfach nicht mehr öffentlich sehen, weil sich die eigenen Lebensumstände geändert haben.

Wie beurteilen Sie Verpflichtungen zum Stillschweigen?

Ich halte es für bedenklich, wenn in Verträgen grundsätzlich eine Klausel zum Stillschweigen vereinbart wird, die sich über den ganzen Inhalt erstreckt. Möglich ist dies etwa im Hinblick auf Vergütungen oder Abläufe, weil es dabei ein Interesse des Produzenten gibt, dass diese Informationen nicht nach außen gehen. Aber jede Äußerung zum Vertrag zu verbieten, geht mir zu weit.

Sind sich die meisten Teilnehmer von TV-Shows bewusst, worauf sie sich einlassen? Kennen sie ihre Rechte?

Ich denke nicht. Ich glaube, viele Teilnehmer von Shows machen sich überhaupt keine Gedanken, was sie da unterschreiben. Bei ihnen steht eher der Gedanke im Vordergrund: Juhu, ich darf ins Fernsehen, ich bin dabei. Aber das Nachdenken, das Überprüfen oder das Einholen von Rechtsrat – das unterbleibt.

Kam es bisher bei Shows nach Ausstrahlung schon zu Streitigkeiten?

Es gibt bisher nur wenige Entscheidungen über Verfremdungen, die nach den Dreharbeiten vorgenommen wurden. Ein Beispiel ist die RTL2-Sendung "Frauentausch", bei der sich hinterher eine Teilnehmerin gegen Verfremdung durch Musik und Kommentare des Off-Erzählers gewehrt hat. Mit Erfolg: Das Gericht entschied, dass RTL2 diese Folge nicht weiter ausstrahlen darf. Auch bei der RTL-Serie "Die Super Nanny" verletzte eine Folge laut einem Urteil die Menschenwürde.

Hier gilt aber wie immer: Wo kein Kläger, da kein Richter?

Richtig – es ist an den Kandidaten, nicht alles mitzumachen. Allerdings würde ich hier manchmal gerne sehen, dass die Landesmedienanstalten als Aufsichtsbehörden auf die Verträgen schauen, wenn sie von Ärger hören. Aber die Hürde dafür ist ebenfalls relativ hoch. Ich kann deshalb nur noch einmal betonen: Die Betroffenen sollten sich sehr gut überlegen, was sie unterschreiben. Weil das oftmals aber leider nicht der Fall ist, kommt Vieles auch nicht hoch.

Martin Huff ist Rechtsanwalt in Köln bei "LLR LegerlotzLaschet Rechtsanwälte" und Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Er war mehrere Jahre Redakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und Chefredakteur der "Neuen Juristischen Wochenschrift".
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