Ein Einzahler fällt weg, die Ausgaben steigen trotzdem: Der EU droht ein großes Loch im kommenden Haushalt. Dass nach dem Austritt Großbritanniens Länder wie Deutschland tiefer in die Tasche greifen müssen, dürfte klar sein. Darüber, wie hoch genau die Mehrausgaben sein werden, herrscht derzeit Streit.

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EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) hat in der Debatte über das nächste Sieben-Jahres-Budget der EU die Verbreitung von "Falschinformationen" beklagt. Er habe in den vergangenen Tagen Berichte über "völlig unwahre, lügenhafte Zahlen" bezüglich der geplanten Nettobeiträge mancher EU-Länder für den Gemeinschaftshaushalt gelesen, sagte Oettinger am Mittwoch in Brüssel.

Die Verhandlungen zum Mehrjahreshaushalt der EU von 2021 bis 2027 sind ins Stocken geraten. Durch den Austritt des Nettozahlers Großbritannien und neuer EU-Aufgaben entsteht der Gemeinschaft ein Loch im Haushalt. Die EU-Kommission hat deswegen eine Erhöhung der Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten von derzeit rund ein Prozent auf 1,114 Prozent der Wirtschaftsleistung vorgeschlagen. Medienberichten zufolge droht Deutschland dadurch ein Anstieg der Nettobeiträge.

Günther Oettinger: Berechnungen sind "schlichtweg falsch"

Dass Deutschland gemäß dem Kommissionsvorschlag im Jahr 2027 rund 30 Milliarden Euro mehr nach Brüssel überweisen müsste, als es aus dem Gemeinschaftstopf erhalte, sei "schlichtweg falsch", sagte Oettinger.

Unter anderem die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte diesen Betrag unter Berufung auf interne Berechnungen des Bundesfinanzministeriums genannt. Oettinger ging hingegen von einem deutschen Nettobeitrag in 2027 von 23,5 Milliarden Euro aus. Zuletzt lag er bei 13,5 Milliarden Euro.

Die klassische Betrachtung der Nettobeiträge sei ohnehin nicht mehr zeitgemäß, fügte der Haushaltskommissar hinzu. Er verwies darauf, dass mehr und mehr EU-Mittel etwa in der Entwicklungs- und Flüchtlingspolitik eingesetzt werden sollen. Diese Mittel würden naturgemäß häufig nicht zurück in die Mitgliedstaaten fließen.

Streit um Erhöhung der Beitragssätze

Ein weiterer Streitpunkt sind die Rabatte für Nettozahler, die auf ursprünglich von Großbritannien ausgehandelte Nachlässe zurückgehen. Im Zuge des Brexit sollen diese Rabatte nach dem Willen der Kommission wegfallen. Deutschland und andere Länder, die davon profitieren, wollen jedoch daran festhalten.

Mit der von der Kommission vorgeschlagenen Erhöhung auf 1,114 Prozent der Wirtschaftsleistung würden die Beitragszahlungen der Mitgliedsländer zwischen 2021 und 2027 rund 1,279 Billionen Euro betragen. Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Österreich und Schweden wollen den Beitragssatz bei einem Prozent halten. Andere Länder und das EU-Parlament fordern Beitragssätze von 1,3 Prozent oder mehr.

Arme EU-Länder bestehen auf Transferzahlungen

Unterdessen wehren sich die ärmeren EU-Staaten gegen Kürzungen bei den Transferleistungen aus den reicheren Mitgliedsländern. Die Staaten fordern eine Finanzierung auf dem bisherigen Niveau. Die EU-Kommission schlägt indes vor, die Finanzmittel für die gemeinsame Agrarpolitik und die Kohäsionspolitik um jeweils rund fünf Prozent zu kürzen.

Die Verhandlungen seien in der "heißen Phase", sagte der tschechische Regierungschef Andrej Babis. Sein polnischer Kollege Mateusz Morawiecki forderte: "Wir müssen die reichsten Länder, die in der Vergangenheit das meiste Glück hatten - wie Holland, Belgien, Deutschland und Frankreich - davon überzeugen, dass die Aufteilung der Lasten gerecht sein muss." (afp/dpa/dh)

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