Erst warfen sie den Deutschen vor, einen Staatsstreich zu vollziehen. Nun ruft die Twitter-Gemeinde auch noch zum Boykott deutscher Produkte auf. Grund ist die Rolle Deutschlands in der Griechenland-Krise. Aber wer steckt überhaupt dahinter? Und sind die Drohungen wirklich ernst gemeint?

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#Thisisacoup - zu deutsch: Das ist ein Putsch. Mit diesem Satz, auf Twitter als Hashtag verschlagwortet, macht die Twitter-Gemeinde seit der Nacht auf Montag ihrem Ärger über die Rolle Deutschlands in der Griechenland-Krise Luft. Mehr als 377.000 Tweets verfassten Nutzer in nicht einmal 48 Stunden. Anlass waren die strengen Bedingungen, die Deutschland an das dritte Rettungspaket für Griechenland geknüpft hat.

Wer steckt hinter der Kampagne?

Die Idee für die Kampagne #Thisisacoup wurde am Sonntagnachmittag von einer Gruppe Aktivisten und Social-Media-Experten in Spanien ausgeheckt. Sie riefen den Hashtag ins Leben und starteten eine regelrechtes Twitter-Gewitter. Befeuert wurde dies durch den US-Star-Ökonomen Jeffrey Sachs, der, zu diesem Zeitpunkt auf der Entwicklungshilfekonferenz in Äthiopien, seinem Ärger über die Deutschen Luft machte. "So etwas habe ich noch nie erlebt", schrieb der amerikanische Ökonom via Twitter und schickte noch in der Nacht zahlreiche Tweets an seine 193.000 registrierten Abonnenten. "Griechenland mag inkompetent sein, aber die Führer der deutschen Regierung sind grausam", lautete einer der Nachrichten.

Ähnlich wie Sachs meldeten sich in denselben Stunden Hunderttausende aus aller Welt auf dem Social-Media-Kanal zu Wort, unter anderem der Nobelpreisträger Paul Krugman aus den USA. Er schrieb: "Der Forderungskatalog der Euro-Gruppe ist Wahnsinn. Der populäre Hashtag #Thisisacoup ist genau richtig."

Binnen Stunden wuchs die Zahl der #Thisisacoup-Tweets und schoss in vielen Ländern an die Spitze der populärsten Themen - unter anderem in Deutschland.

Was bezwecken die Twitter-Nutzer?

Noch während die Staats- und Regierungschefs in Brüssel tagten und Angela Merkel Alexis Tsipras zu Zugeständnissen drängte, fanden Menschen aus den USA, Australien, Spanien, Deutschland, Italien oder Griechenland selbst einen Kanal, um ihre Wut zu bündeln und in maximal 140 Zeichen um den Globus zu schicken. Das Ziel der Initiatoren wurde real: Die virtuelle Demonstration sollte direkten Einfluss auf die Verhandlungen in Brüssel nehmen.

Was ist der Inhalt?

Während viele Twitter-Nutzer einfach nur ein Ventil gefunden haben, um ihrem Unmut Luft zu machen, nutzen andere den Kanal für regelrechte Volksverhetzung.

So twitterten Nutzer aus Spanien Karikaturen von Europa-Sternen, die sich im blauen Wasser an ein untergehendes Boot klammern. "Das ist keine Rettung Griechenlands, das ist eine Besetzung."

Schnell äußerten sich auch solche, die Schäuble und Merkel der Wehrmacht gleichsetzen oder von einer "Europäischen Nazi-Union" sprechen. Andere Nutzer bezeichneten die Einigung als "das vierte Reich".

Spiegelt die Diskussion wirklich die Mehrheitsmeinung wider?

Vermutlich nicht. Eine amerikanische Studie des Pew Research Centers aus dem Jahr 2014 beispielsweise hat ergeben, dass sich Menschen im Internet sehr leicht darüber täuschen lassen, was die vorherrschende Meinung ist. Kritische Stimmen, die sich unter dem Hashtag #Thisisnotacoup äußerten, gingen Experten zufolge schlichtweg unter und wurden daher nicht aufgegriffen.

Was hat es mit dem Hashtag #BoycottGermany auf sich?

Inzwischen haben Twitter-Nutzer, vor allem aus Europa, den Hashtag #Thisisacoup durch einen neuen ersetzt und fordern nun, dass die deutsche Wirtschaft für das Verhalten ihrer Regierung büßen solle. Das Schlagwort #BoycottGermany gehört bei Twitter momentan zu den Toptrends. Auf der Social-Media-Plattform grassieren zahlreiche Bilder deutscher Markenprodukte, die Käufer künftig boykottieren sollen.

Wie reagieren die Deutschen?

Vor allem mit Ironie.

Und was sagt die deutsche Wirtschaft?

Die lässt sich durch den riesigen Shitstorm nicht aus der Ruhe bringen. "Wir nehmen das ernst, aber es gibt keinen Grund zur Panik", sagt der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. "Solche Aufrufe hat es seit Beginn der Griechenland-Krise immer wieder gegeben. Sie sind weitgehend wirkungslos verpufft."

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