• Bei dieser Finanz-Personalie wollte Kanzler Olaf Scholz ein Wort mitreden.
  • Jetzt ist klar: SPD-Mann Joachim Nagel soll künftig die Bundesbank führen.
  • Finanzminister Christian Lindner lobt ihn als "erfahrene Persönlichkeit".

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Der Volkswirt Joachim Nagel soll laut "Handelsblatt" Jens Weidmann an der Spitze der Bundesbank ablösen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe den 55-jährigen Nagel für diesen Posten vorgeschlagen, berichtete das "Handelsblatt" am Montag unter Verweis auf Angaben aus Regierungskreisen.

Das Vorschlagsrecht liegt bei Scholz, die Personalie solle aber im Einvernehmen mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erfolgen. Nagel gelte in der FDP als "stabilitätsorientierter Sozialdemokrat", berichtete die Zeitung. Die Zustimmung gelte damit als sicher.

Jens Weidmann verlässt den Chefposten bei der deutschen Zentralbank vorzeitig. Er hatte im Oktober angekündigt, er gehe zum Jahresende "aus persönlichen Gründen". Weidmann hatte das Zepter bei der Bundesbank 2011 übernommen. Eigentlich wäre sein Mandat bis 2027 gelaufen.

Nagel kehrt nach Frankfurt zurück

Fast hätte es Joachim Nagel schon einmal ganz weit nach oben geschafft in der Bundesbank - zumindest als Vize-Präsident war der promovierte Volkswirt 2014 im Gespräch. Doch damals setzte sich die CDU durch - und SPD-Mitglied Nagel hatte das Nachsehen.

Nun haben sich die politischen Gewichte verschoben, und der gebürtige Karlsruher kehrt zur Deutschen Bundesbank nach Frankfurt zurück: Zum 1. Januar 2022 wird Nagel neuer Bundesbank-Präsident.

Der 55-Jährige weiß, was ihn erwartet: Der Ökonom arbeitete von 1999 an viele Jahre bei der Bundesbank. Finanzminister Christian Lindner (FDP) lobte ihm am Montag als "erfahrene Persönlichkeit, die die Kontinuität der Bundesbank sichert". Anfang Dezember 2010 war Nagel als Nachfolger von Thilo Sarrazin in den Vorstand der Notenbank gerückt und dort zuletzt für Märkte und Informationstechnologie zuständig.

Nach 17 Jahren Bundesbank wechselte Nagel zur KfW

Zum 30. April 2016 verließ Nagel die Bundesbank auf eigenen Wunsch vorzeitig, um nach einer beruflichen Auszeit von sechs Monaten zum 1. November 2016 bei der KfW Bankengruppe zu beginnen. Bei der staatlichen Förderbank war Nagel zunächst Generalbevollmächtigter und übernahm dann zum 1. November 2017 im KfW-Vorstand die Verantwortung für die Förderung von Entwicklungs- und Schwellenländern.

Auch die KfW verließ Nagel vor Ende seines laufenden Vertrages, um zum 1. November 2020 zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zu wechseln. Bei der Zentralbank der Zentralbanken mit Sitz in Basel war Nagel zuletzt stellvertretender Leiter der Bankabteilung.

Nagel begann in Bundesbank als Leiter des Präsidentenbüros

In Karlsruhe geboren, studierte Nagel an der dortigen Universität Volkswirtschaftslehre und arbeitete seit 1991 als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl Geld und Währung. 1994 wechselte er für ein halbes Jahr nach Bonn als Referent für Wirtschaft- und Finanzpolitik beim SPD-Parteivorstand.

Nach Abgabe seiner Doktorarbeit über die US-Wirtschaftspolitik und einem Forschungsstipendium in Washington D.C. begann Nagel 1999 bei der Bundesbank, zunächst als Leiter des Präsidentenbüros der damaligen Landeszentralbank in Bremen, Niedersachsen und Sachsen- Anhalt in Hannover.

2003 wechselte er in die Zentrale der Bundesbank in Frankfurt und hatte dort in der Folge verschiedene leitende Positionen inne. In der Finanzkrise 2008/2009 leitete Nagel den hausinternen Krisenstab der Bundesbank.

Nagel könnte ähnlichen Kurs wie sein Vorgänger einschlagen

Im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) könnte sich Nagel ähnlich wie sein scheidender Vorgänger Jens Weidmann als Kritiker einer allzu lockeren Geldpolitik positionieren: Schon in seiner Zeit als Bundesbankvorstand rief Nagel hoch verschuldete Eurostaaten zum Sparen auf.

"Die Finanzpolitik in den Mitgliedsländern ist gefordert, die nationalen Bankensysteme solide aufzustellen. Dies kann nicht die Aufgabe der Geldpolitik sein", sagte Nagel beispielsweise 2011.

Und im März 2012 warnte Nagel vor der Bildung von Spekulationsblasen infolge des EZB-Billiggeldkurses. Es bestehe "die Gefahr, dass die Banken Risiken eingehen, die wir eigentlich nicht sehen wollen".

Es sei "deshalb wichtig, dass wir jetzt schon über Ausstiegsszenarien reden und den Märkten signalisieren: Es ist nicht selbstverständlich, dass es so wie in den letzten Monaten weitergeht", mahnte Nagel damals.

Knapp zehn Jahre später ist das Ringen unter Europas Währungshütern um den richtigen Zeitpunkt für einen Ausstieg aus milliardenschweren Anleihenkäufen und Zinstief nach wie vor nicht entschieden. Joachim Nagels Stimme hat in diesen Diskussionen künftig mehr Gewicht. (afp/dpa/ari)

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