Der Sachverständigenrat der Bundesregierung hat seine aktualisierte Konjunkturprognose vorgelegt. Die sogenannten Wirtschaftsweisen rechnen damit, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 0,2 Prozent wächst.

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Die wirtschaftliche Lage ist ein bisschen besser als befürchtet – aber immer noch angespannt. So ließe sich die aktualisierte Konjunkturprognose zusammenfassen, die der Sachverständigenrat der Bundesregierung am Mittwoch vorgelegt hat. Die fünf sogenannten Wirtschaftsweisen gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 0,2 Prozent und im Jahr 2024 um 1,3 Prozent wächst.

Die Aussichten hätten sich "leicht aufgehellt", sagte die Vorsitzende Monika Schnitzer, Professorin für Wirtschaftsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, am Mittwoch in der Bundespressekonferenz. Die deutsche Wirtschaft habe sich trotz der schwierigen weltweiten Lage als widerstandsfähig erwiesen. Insgesamt erhole sich die Konjunktur aber nur langsam. "Ein milder Winter macht noch keinen Frühling", lautet der Titel der aktuellen Prognose.

Inflation weiter auf hohem Niveau, Arbeitsmarkt stabil

Zu schaffen machen dürfte Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen auch weiterhin die Inflation. Sie geht nach Einschätzung des Sachverständigenrats zwar zurück – das aber nur "langsam und uneinheitlich": Die Energiepreise sind zwar gesunken, die Preise für andere Güter und Dienstleistungen dagegen nicht. Die Inflation komme zunehmend "in der Breite der Wirtschaft an", sagte der Sachverständige Martin Werding. Der Rat rechnet damit, dass die Verbraucherpreise im laufenden Jahr um 6,6 Prozent steigen – und 2024 um 3,3 Prozent.

Die Effektivlöhne könnten 2023 um 5,9 Prozent und 2024 um 4,5 Prozent steigen. Damit würde das Plus aber unter der Inflation liegen. Die Wirtschaftsweisen sehen derzeit wiederum keine Anzeichen für steigende Arbeitslosigkeit. Die Erwerbstätigkeit dürfte bis Ende 2024 leicht zunehmen, heißt es im Gutachten. Aus Sicht des Sachverständigen Achim Truger gilt für die aktuelle Krise was schon für die Corona-Krise galt: "Die Politik hat jeweils – bei allen Problemen im Detail – schnell und gut reagiert", so Truger – etwa durch die Kurzarbeit.

Konjunkturprognose liegt über Herbst-Prognose

Erst hat die Corona-Pandemie für weltweite Verunsicherung gesorgt, dann der russische Krieg gegen die Ukraine. Die wirtschaftliche Lage zu bewerten und vorauszusagen, ist da auch für Expertinnen und Experten ein schwieriges Geschäft. Vor einem Jahr, im März 2022, hatte der Sachverständigenrat für das Jahr 2023 in Deutschland noch ein Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent vorausgesagt. Aus heutiger Sicht wäre das ein ziemlich kräftiges Plus gewesen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Auswirkungen des Ukraine-Krieges aber noch nicht komplett abzusehen, Russland hatte seine Gas-Lieferungen an den Westen noch nicht gestoppt.

Im vergangenen Herbst waren die wirtschaftlichen Aussichten dann schon deutlich trüber – vor allem wegen der massiv gestiegenen Energiepreise. Als der Sachverständigenrat im November sein Jahresgutachten vorstellte, rechneten die Mitglieder für 2023 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent.

Nun steht also in der Prognose: Die deutsche Wirtschaft könnte 2023 doch um 0,2 Prozent und im Jahr 2024 dann um 1,3 Prozent für 2024 wachsen. Dazu beigetragen haben laut Monika Schnitzer unter anderem die Maßnahmen der Bundesregierung zur Stabilisierung der Energiepreise. Auch die Abkehr Chinas von seiner strikten Null-Covid-Politik macht den Sachverständigen Hoffnung.

Jens Spahn (CDU): "Deutschland braucht wirtschaftspolitische Wende"

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Jens Spahn, sieht im sehr leichten Wachstum keinen Grund für die Politik, sich zurückzulehnen: "Die Konjunkturdaten zeigen: Die Zeit des Schönredens ist vorbei. Die Ampel muss jetzt Antworten finden, wie sie das Wachstum ankurbeln und die Inflation bekämpfen will", sagte Spahn gegenüber unserer Redaktion.

Der CDU-Politiker wies auf hohe Energiepreise, hohe Lebenshaltungskosten, neue Vorgaben und Vorschriften und den Fachkräftemangel hin: "Diese Mischung wird immer mehr zum Standortkiller. Deutschland braucht eine wirtschaftspolitische Wende. Bezahlbare Energie, Steuern und Abgaben runter, weniger Bürokratie - das schafft Wohlstand und erhält Arbeitsplätze," so Spahn.

Sandra Detzer (Grüne): "Alles andere als selbstverständlich"

Sandra Detzer, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, betont dagegen, dass der Sachverständigenrat eine Rezession derzeit ausschließt. "Das ist alles andere als selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass wir vor einem Jahr noch zu 50 Prozent von russischem Gas abhängig waren", sagte die Bundestagsabgeordnete gegenüber unserer Redaktion. Unternehmen, Zivilgesellschaft und Politik sei es in einem "gemeinsamen Kraftakt" gelungen, den Angriff auf die Marktwirtschaft und damit auch die liberale Demokratie abzuwehren.

Detzer rief die Bundesregierung auf, die Abhängigkeit von fossilen Energien weiter zu verringern und die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Hoffnung mache auch der von den Wirtschaftsweisen in Aussicht gestellte Inflationsrückgang 2024 bei einer Rückkehr zu Reallohn-Zuwächsen. "Hier zeigt sich die realistische Aussicht, Wohlstand und Klimaschutz dauerhaft zu versöhnen."

Veronika Grimm: Gefahr für Energieversorgung noch nicht gebannt

Die Sachverständige Veronika Grimm wies auf bleibende Unsicherheiten hin: Die Situation bei den Energiepreisen habe auch mit dem milden Winter und den Energiepreisbremsen zu tun. "Für den Winter 2023/24 bleibt jedoch die Gefahr von Preissprüngen oder sogar einer Gasmangellage weiter bestehen", sagte die Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg am Mittwoch. Energiesparen sei weiterhin nötig.

Gelassener sehen die Expertinnen und Experten dagegen mögliche Auswirkungen der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor. Die Lage sei eine ganz andere als bei der Finanzkrise 2008, sagte die Sachverständige Ulrike Malmendier.

Zwar sei die Unsicherheit an den Finanzmärkten durch die Schließung der Silicon Valley Bank und die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS zuletzt gestiegen. Anders als in der globalen Finanzkrise 2008 basierten die Schwierigkeiten einzelner Banken aber nicht auf weitgehend wertlosen Finanzprodukten.

Verwendete Quellen:

  • Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Aktualisierte Konjunkturprognose 2023/2024
  • Stellungnahme von Jens Spahn
  • dpa
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